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GESAMTTEXT BERTELSMANN UND PPP
Auszug aus dem Buch "Netzwerk der Macht - Bertelsmann", Seiten 371 -
392)
Seit Mitte der 90er Jahre etwa
hat sich in Deutschland für eine bestimmte Form der Modernisierung öffentlicher
Institutionen die Bezeichnung »Private Public Partnership« (PPP) eingebürgert.
Das klingt freundlich — und in jedem Fall besser als
>Privatisierung<. Scheinbar bleibt der öffentliche Einfluss gewahrt: eine
win-win-Situation für beide beteiligten >Partner<? Wilhelm Ruehl und Arno
Klönne argumentieren dagegen und belegen, dass PPP eine Form der Enteignung und
der Entdemokratisierung ist.
Seit Jahren schon befindet sich die Bundesrepublik Deutschland in einem Prozess
des gesellschaftlichen, von den wirtschaftlichen Machteliten programmierten und
von der politischen Klasse systematisch umgesetzten Umbruchs, dessen Ziel es
ist, den deutschen Kapitalismus aus den Zügelungen zu lösen, die ihm durch die
nach dem Zweiten Weltkrieg für einige Jahrzehnte in Westdeutschland prägenden
sozialstaatlichen Regulierungen auferlegt waren. Dieser Wandel der
Gesellschaftsordnung vollzieht sich zu einem wesentlichen Teil als
Privatisierung«, d. h. als Verlagerung bisher öffentlich oder gemeinnützig
betriebener Dienstleistungen in die Verfügungsgewalt kommerzieller Unternehmen.
Der profitorientierten Kapitalverwertung ist damit ein riesiges neues
Geschäftsfeld eröffnet. Es liegt nahe, dass ein solcher Umbruch auf Widerstände
stößt; auch deshalb setzt die Politik der Privatisierung auf Zwischen- und
Übergangslösungen. In diesem Zusammenhang haben Konzepte und Projekte der
>Public Private Partnership< (PPP) hohe Bedeutung. Die Bertelsmann AG und
die Bertelsmann Stiftung wirken als einflussreiche Antriebskräfte bei der
Durchsetzung von PPP. Dies betrifft sowohl die ideologische Wirkung, die von
der Bertelsmann Stiftung als dem führenden deutschen Politikberatungsunternehmen
ausgeht, als auch die modellartige Praxis, mit der die Arvato
Aktiengesellschaft als Teil des Bertelsmann-Konzerns aufwartet.
Aus der Arvato AG (Gütersloh), die sich vollständig im Besitz des Konzerns
befindet und in 27 Ländern auf vier Kontinenten Dienstleistungen
unterschiedlichster Art anbietet, sind es im ersten Schritt die Bereiche
Informationstechnologie im Internet und Wissensmanagement (Arvato-Systems), die
geschäftsmäßig auch für kommunale Dienstleistungen genutzt werden können, wobei
sogar (wie in England) die Übernahme ganzer Kommunalverwaltungen möglich ist,
was bereits Mitte 2005 geschehen ist (s. u.). Gerade hier ist die Verbindung
zwischen >Diskurspolitik< der Bertelsmann Stiftung und der Anwendung des
Public Private Partnership Projekts zwecks Erzielung eines kommerziellen
Gewinns bei der Bertelsmann AG deutlich erkennbar.
Was ist Public Private Partnership (PPP)?
Public Private Partnership (Abkürzung PPP), eingedeutscht Öffentlich Private
Partnerschaft (ÖPP), ist ein Sammelbegriff für jegliche Art des ökonomischen
Zusammenwirkens von öffentlichen Akteuren mit privaten Wirtschaftssubjekten.
PPP geht in der Regel mit einer Teil-Privatisierung von öffentlichen Aufgaben
einher. Reine Finanzierungsgeschäfte werden aber nicht als PPP bezeichnet. PPP
ist somit nach heutigem, funktionalem Begriffsverständnis die meist
«langfristig vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand
und Privatwirtschaft, bei der die erforderlichen Ressourcen (z. B. Know-how,
Betriebsmittel, Kapital, Personal etc.) von den Partnern zum gegenseitigen
Nutzen in einem gemeinsamen Organisationszusammenhang eingestellt werden.
PPP wird überwiegend als eine besondere Art der funktionalen Privatisierung
angesehen. Im Unterschied zur materiellen Privatisierung zieht sich der Staat
hier nicht vollständig von einer bislang öffentlich wahrgenommen Aufgabe
zurück. Im Rahmen der funktionalen Privatisierung werden private
Wirtschaftssubjekte bei der staatlichen Aufgabenerfüllung hinzugezogen. Die hoheitliche
Erfüllungsverantwortung bleibt dabei unangetastet. Hier werden vertragliche
Konstruktionen geschaffen, die in den unterschiedlichsten Formen ausgestaltet
sein können.(1)
PPP-Projekte können unterschiedliche Formen haben, diese reichen vom Leasing
über das Betreibermodell bis zur Übertragung der Konzession an private
Unternehmen. Der Anreiz für die öffentlichen Hände, sich auf PPP-Konstruktionen
einzulassen, liegt zumeist in einem Zufluss- oder Entlastungseffekt für die
jeweilige öffentliche Kasse bzw. den öffentlichen Haushalt, der aber in aller
Regel nur kurzfristig eintritt und mit dem über die längerfristigen Verluste
oder Belastungen für die öffentlichen Etats hinweggetäuscht wird. PPP- oder
ÖPP-Projekte betreffen zur Zeit vornehmlich infrastrukturelle Einrichtungen
(Schulen, Straßen, Versorgungsbetriebe, Krankenhäuser, Turnhallen, Sportplätze)
und eben ansatzweise auch ganze Verwaltungskomplexe. Dabei werden den
beteiligten Privatunternehmen auch steuerliche Begünstigungen gegeben, so u. a.
durch das »ÖPP-Beschleunigungsgesetz«.
Wie Bertelsmann ins PPP-Spiel kam
Die Bertelsmann Stiftung setzt sich nach ihren eigenen Angaben für das
Gemeinwohl ein. Dabei sind nach ihrem Selbstverständnis Wettbewerb und
bürgerschaftliches Engagement wesentliche Grundlagen für den gesellschaftlichen
Fortschritt. Entsprechend der Werbung auf Ihrer Homepage will sie »frühzeitig
gesellschaftliche Herausforderungen identifizieren sowie exemplarische
Lösungsmodelle entwickeln und verwirklichen.«
In diesem Sinne versucht sie, mit Hilfe ihrer PR-Arbeit die Politik der
Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen und dabei auch die Geschäftspolitik
der Bertelsmann AG zu unterstützen. Sie arbeitet dabei, neben der Verbindung
mit Politikern, auch mit anderen Stiftungen der gesellschaftlichen Gruppen
(Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden usw.) zusammen, wobei auch hier
die Interessen ihres Konzerns sicherlich nicht außer Acht gelassen werden.
Dabei war PPP kein ursprüngliches Projekt von Bertelsmann. Die Stiftung arbeitet
zur Zeit an über 60 Projekten. PPP ist aber keins dieser Projekte. Es war
interessanter Weise in den insgesamt über 200 Projekten auf der Homepage von
Bertelsmann, die den Projekten gewidmet ist, der Begriff »Public
Private Partnership (PPP)« noch nicht einmal zu finden.
Allerdings hat die Stiftung schon seit Jahren relativ großen Einfluss in der
Politik ausgeübt und dabei (besonders in NRW) Kooperationen mit staatlichen
Stellen gefunden, ohne die Begriffe PPP (dieser Begriff stammt wohl aus den angelsächsischen
Ländern) oder OPP (er wurde erst später von der SGK, d. h. der
Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik, geprägt) zu verwenden.
Es ist wohl auch davon auszugehen, dass der Begriff »PPP« aus dem
wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich des Bertelsmann-Konzerns in den
angelsächsischen Ländern (z. B. über die Arvaro AG) in den Blickpunkt der
Stiftung gekommen und dann von ihr in den öffentlichen Diskurs in der
Bundesrepublik mit eingebracht worden ist.
Ideologisch wurde PPP an das Projekt E-Government (= Elektronische Verwaltung)
angeschlossen. So las man von Bertelsmann aus Gütersloh am 30.06.2003 folgende
Pressemeldung:
E-Government finanzieren - Public Private Partnership als Lösungsansatz
Der Reformbedarf des öffentlichen Sektors ist ungebrochen, die finanziellen
Mittel
für diese Aufgaben werden knapper. Finanzierung durch Kooperationen lautet ein
möglicher Lösungsansatz, der in der neuen Studie >Public Private Partnership
im E-Government< der Bertelsmann Stiftung vorgestellt wird. Public Private
Partnerships (PPPs) werden auch in Deutschland immer häufiger als sinnvolle
Methode zitiert, um die Strukturreform der Verwaltung mit dem Know-how der
Wirtschaft zu verbinden und finanzierbar zu machen. Das Wissen um die
verschiedenen Rechtsformen, Organisation und Management von solchen
Partnerschaften ist vielerorts aber noch nicht verbreitet. Die neue Studie, die
im Projekt >Balanced E-Governnient< in Zusammenarbeit mit der Universität
Kassel entstanden ist, möchte praxisorientierte Hilfestellungen für die
Entscheider in Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Verbänden bieten. Die
Online-Publikation ist Teil der Reihe >PPP für die Praxis<, die die
Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit der Initiative D21 und der Sozietät Clifford
Chance Pünder initiiert hat.
Ähnlich wurde im Editorial der 2003 und 2004 erschienenen speziellen
Veröffentlichungen zum Thema PPP argumentiert. Dort hieß es u. a.: »Um der
wachsenden Bedeutung des Themas und dem gleichzeitigen Erfahrungsdefizit
gerecht zu werden, haben die Initiative D2l, die Bertelsmann Stiftung und
Clifford Chance Pünder gemeinsam die Reihe >PPP für die Praxis<
aufgelegt.[...]«
Die Bertelsmann-Stiftung widmet sich seit fast 10 Jahren dem Thema Staat und
Verwaltung aus unterschiedlichen Blickwinkeln und hat hier mit dem Projekt
>E-Government< einen besonderen Schwerpunkt gesetzt. Die Sozietät
Clifford Chance Pünder verfügt über langjährige Erfahrung als Berater in
PPP-Projektcn. Gemeinsam, so die Motivation zu dieser Reihe, können die drei
Partner dazu beitragen, dass keine einsamen Wissensinseln geschaffen werden,
sondern eine umfassende, vernetzte und praxisorientierte Handreichung zum Thema
entsteht, die aufzeigt, was sich hinter der Formel PPP verbirgt.
Um 2002 war mit dem Bertelsmann-Projekt »Balanced E-Government« (=
Ausgeglichenes Elektronisches Regieren bzw. Verwalten) begonnen worden. Es soll
zur stärkeren Nutzung der neuen elektronischen Medien für politische Zwecke
beitragen, z. B. auch im Sinne von elektronischer Bürgerorientierung bzw.
-beteiligung unter dem Begriff »E-Democracy«.
E-Government (Elektronisches Regieren bzw. Verwalten) und E-Democracy
(Elektronische Bürgerbeteiligung) wurden dabei als wesentliche
Modernisierungsschritte öffentlicher Verwaltungen dargestellt. Diese beiden
Projekte sollen als Instrumente eingesetzt werden, um den gewachsenen
Ansprüchen von Bürgern und Unternehmen nach einer effizienten und transparenten
Erfüllung von politischen Dienstleistungen besser gerecht zu werden.
Das klingt idealistisch - aber es ist einsatzfähig für realistische
Geschäftspolitik.
PPP wird zum Geschäft
Nachdem Bertelsmann das Dienstleistungs-Unternehmen Arvato übernommen hatte,
reifte hier der Plan, zum Zweck einer angeblich besseren Wirtschaftlichkeit als
Dienstleistung auch die Übernahme von »öffentlichen Verwaltungen« in die
unternehmerische Tätigkeit einzubeziehen. Die Bertelsmann Stiftung warb auf
ihren Webseiten für eine neue Symbiose von öffentlicher Verwaltung und Kommerz:
[...]Es sind in den Verwaltungen oft nur dürftige Kenntnisse über Wesen und
Ausgestaltungsmöglichkeiten von derartigen Partnerschaften vorhanden. Hier
möchte diese Studie eine praxisorientierte Hilfestellung für alle
Interessierten aus Verwaltung, Politik und Verbänden anbieten. Sie soll einen
Beitrag dazu leisten, Verwaltungsbedienstete, Führungskräfte, politische
Entscheidungsträger sowie Verbands- und Vereinsrepräsentanten auf dem Weg zum
PPP-finanzierten E-Government-Projekt zu begleiten. (Auszug aus dem 1.
PPP-Papier von 2003)
So wurde der Gedanke der PPP, der sich in den angelsächsischen Ländern aus der
neoliberalen Propagierung des >schlanken Staates< und der daraus
hergeleiteten Privatisierung entwickelt hatte, mit Hilfe von
Wirtschaftsberaterbüros in Deutschland von Bertelsmann ins Spiel und ins Geschäft
gebracht. Eine Arbeitsteilung von Democracy (Legislative) beim Bürger und
Government (Exekutive) bei der Wirtschaft erweckt den Anschein einer
Gewaltenteilung; tatsächlich aber wird die Öffentliche Verwaltung um ihre
Substanz gebracht.
Wenn etwa die privaten Rechtsformen von AG (mit Vorstand), KG (mit Komplementär
und Kommanditist) und GmbH (mit Geschäftsführer) eingeführt werden, entscheidet
auch formal das Governrnent(=Exekutive).
Wie so etwas praktiziert wird, zeigt beispielhaft der Gesellschaftsvertrag der
Firma KIG II Kreisimmobiliengesellschaft Waldeck-Frankenberg mbH & Co. KG
für ein sog. Sale-and-lease-back-Modell.(3) Dieser wurde von der 50 %igen
Helaba (Hessische Landesbank)-Tochter Hannover Leasing GmbH entworfen.
Möglicherweise hatte damit indirekt auch die Bertelsmann Stiftung etwas zu tun.
(4)
Hier entscheidet ein Banker als geschäftsführender Gesellschafter der
Kommanditgesellschaft (KG), der Verträge mit atypischen Stillen Gesellschaftern
abschließen kann. Kommanditist ist der Kreis. Politiker als gewählte Vertreter
nehmen nur in einem Beirat beratend teil. Sogat eine formale Aufsicht des
Unternehmens ist hier ausgeschaltet, da ja bei einer KG kein Aufsichtsratsorgan
vorgeschrieben ist.
PPP als Steuersparmodell
Die erste Veröffentlichung in Sachen PPP durch die Bertelsmann-Stiftung
erfolgte im Juni 2003: mit dem Titel PUBLIC PRIVATE PARTNERSHIP und
E-GOVERNMENT- EINE PUBLIKATION AUS DER REIHE PPP FÜR DIE PRAXIS im Internet.
In dieser Studie wurden in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel
verschiedene Formen, Instrumente und Entwicklungsschritte PPP dargestellt.
Etwa um die gleiche Zeit, als das 1. PPP-Papier der Bertelsmann Stiftung im
Internet erschien, wurde in den hessischen Kreisen Waldeck-Frankenberg,
Weilburg-Limburg, Marburg-Biedenkopf und dem Vogelsbergkreis das Bestreben
einer großen nordrhein-westfälischen Stiftung bekannt, hier eine besondere Art
der PPP, nämlich das Sale-and-lease-back (SLB) mit >Sparen< (oder besser:
Entziehen) von Erbschafts- bzw. Erbschaftsersatzsteucr einzuführen. Dabei
wollte die Stiftung ihr hoch zu versteuerndes Geldvermögen in dem weniger zu
versteuernden Grundvermögen der Kreise (Schulen, Verwaltungsgebäude) anlegen
(>investiercn<). Die Kreise sollten dann einen kleinen Teil der
Steuerersparnis als sog. >Barvorteil< erhalten.(5)
Diese Übernahme der Immobilien von vier hessischen Kreisen zwecks Entziehung
wesentlicher Teile der Erbschaftsersatzsteuer durch eine nordrhein-westfälische
Stiftung mit dem SLB-Verfahren kam nicht zustande, weil diese Stiftung die
öffentliche Diskussion über ein solches >Steuerschlupfloch< scheute, das
sogar die Kritik des hessischen Finanzministcrs (u. a. als Kreistagsmitglied im
Kreis Limburg-Weilburg) provoziert hatte.
Obwohl in dreien dieser Kreise der Grundsatzbeschluss für SLB mehrheitlich
gefasst wurde, in zwei Kreisen sogar Verträge zum Zug kamen, konnten wegen der
Rechtsform der beteiligten >atypischen stillen Gesellschafter< auch die
beschließenden Abgeordneten nicht erfahren, um welche große Stiftung aus NRW es
sich hier handelte. Von Anfang an war aber hier die Bertelsmann Stiftung im
Gespräch.
Zu dieser Zeit lief in Frankfurt/Main ein Bürgerbegehren, welches dort zur
Abwendung eines Cross-Border-Leasing-Projekts (CBL) bei der Frankfurter U-Bahn
führte. Diese kritische Diskussion über das CBL wirkte sich im hessischen Raum
negativ auch auf die Bewertung des SLB-Projekts aus. Man nannte damals u. a.
auch das SLB ein »deutsches CBL< (CBL = Leasing >über die Grenzen
hinweg«, meist um den niedrigeren ausländischen Steuersatz auszunutzen).
Dagegen wurde etwa gleichzeitig ein Betreiber-Modell zur Sanierung und
Gebäudebewirtschaftung der Schulen des Kreises Offenbach verwirklicht, das in
seiner PPP-Form keine Vermögens- und Steuerangelegenheiten, sondern nur
Dienstleistungen berührte.
Wie aus PPP eingedeutscht ÖPP wurde
Auf Initiative der SPD waren bereits vorher in NRW PPP-Pilotprojekte begonnen
worden, die in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung realisiert wurden.
Die SGK (Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik) brachte das
PPP-Konzept eingedeutscht als ÖPP (Öffentliche Private Partnerschaft) in die
Partei ein. Auf dem 2003er SPD-Bundesparteitag wurde dann ohne jegliche
Diskussion der folgende Passus beschlossen, der in den dort vorliegenden Antrag
A l (Leitantrag) »Unser Weg in die Zukunft« eingefügt war:
Neue Finanzierungswege für Zukunftsaufgaben
Der Finanzierungsbedarf öffentlicher Haushalte auf der einen Seite, das hohe
Leistungsniveau des Staates und der erhebliche Bedarf an modernen Infrastrukturen
auf der anderen Seite zwingen uns dazu, neue Finanzierungswege zur
Bereitstellung von öffentlichen Leistungen zu gehen, die zukünftige
Generationen nicht weiter belasten. Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP)
sind ein neuer Weg zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen und ein wichtiger
Baustein bei der Modernisierung unseres Staatswesens. Mit ÖPP können
öffentliche Leistungen nicht nur mit geringeren Kosten schneller und früher,
sondern auch in höherer Qualität bereitgestellt werden.(6)
In der SPD kursierte ein ÖPP-Papier als ein Wegweiser für Kommunen, welche
»Partnerschaften zwischen Staat und Privatwirtschaft in einem dritten Weg
zwischen traditionellen Methoden und Öffentlicher Leistungserstellung und der
Privatisierung staatlicher Vermögenswerte eröffnen« sollten. Herausgegeben
wurde das Papier von Franz Müntefering, MdB und damals Vorsitzender der
SPD-Bundestagsfraktion.(7)
Der Begriff »Bertelsmannisierung« kommt auf
Die 2. Veröffentlichung über PPP von Bertelsmann erschien 2004 mit einem
praktischen Leitfaden, herausgegeben in Zusammenarbeit mit einer Gruppe von
Beamten, Anwälten usw. (sog. Initiative D21). Die betreffenden Personen
versicherten ausdrücklich, damit ihre Privatmeinung auszudrücken, was in der
Veröffentlichung besonders vermerkt war.
Im Vorwort wurde daraufhingewiesen, dass in Deutschland im Gegensatz zu den
angelsächsischen Ländern, wo man pragmatischer handle, öffentliche Zwecke bzw.
öffentliche Angelegenheiten nur von öffentlichen Bediensteten durchgeführt
würden.
Im Unterschied zum angloamerikanischen Raum und einigen anderen Staaten setzten
sich daher Public- Private- Partnership- Projekte in Deutschland erst
allmählich durch. Das hängt sicherlich mit den Unterschieden in den
Rechtssystemen, aber auch in Kultur und Mentalität zusammen.
Weiter heißt es darin: Die zunehmende Finanzknappheit der öffentlichen Hand auf
allen drei Ebenen - Bund, Länder und Kommunen - habe jedoch zu einem Umdenken
geführt.
Im Mai 2004 hatte die Bertelsmann Stiftung zusammen mit dem Innenministerium
des Landes Nordrhein-Westfalen ein Papier über Zukunftsstrategien vor Ort
heraus gebracht. Es soll ein »Leitfaden für die Praxis« sein.
Hierin war von PPP und ÖPP unmittelbar nicht die Rede. Lediglich am Schluss war
vermerkt:
Zu dem Themen-Schwerpunkt »Strategien für die Zukunft vor Ort erscheint bis zum
Herbst 2004 außerdem: u. a [...]. Public
Private Partnership und E-Government.
Weiterhin war dort angegeben:
Alle Titel stehen nach Erscheinen auch als Downloads zur Verfügung unter
http;//www.zukunftsstrategien-vor-ort.de.
Das dann von diesem Link herunter zu ladende neue Papier »Public Private
Partnership und E-Government« enthielt nach einer Einführung in »Balanced
E-Government - Herausforderungen heute« den Text des ersten Bertelsmann- PPP-Papiers
mit einem Hinweis auf das zweite.
Diese so herunter zu ladende Schrift war offenbar nun die ministeriale Fassung
(Richtlinie) für PPP in NRW, die durch eine Zusammenarbeit mit der Bertelsmann
Stiftung zustande gekommen war. Diesen Vorgang der Zusammenarbeit von
Ministerium und Bertelsmann Stiftung bezeichneten später Kritiker als
»Bertelsmannisierung« der Politik.
Handfeste Geschäfte
Die Bertelsmann AG war dann das erste Unternehmen, das mit seiner Tochterfirma
Arvato im Rahmen der PPP öffentliche Verwaltungen als private
Dienstleistungsbetriebe übernahm. Dazu liegen folgende Berichte vor:
In seinem Artikel im Mindener Tageblatt (26.2.05) »Arvato will Prozesse
optimieren - Privater Dienstleister übernimmt Verwaltungsaufgaben in England«
berichtet Michael Donhauser aus Gütersloh u. a. folgt :
Man könne zwar keine politischen Entscheidungen treffen, habe Rolf Buch
geäußert, aber bestehende Vorgaben glaube man sehr gut umsetzen zu können.
Gleichzeitig habe sich Arvato verpflichtet, in der Region hunderte neuer
Arbeitsplätze zu schaffen.
Buch sehe im Dienstleistungsgeschäft mit der öffentlichen Hand einen
schlafenden Riesen. Es würden Gespräche mit weiteren Interessenten in England
geführt. Später ziele man natürlich auch auf Deutschland. Frühestens nach zwei
bis drei Jahren rechne man hier mit ersten Gehversuchen.
Auch für den Deutschen Städtetag sei das Outsourcing &me Möglichkeit,
kommunale Verwaltung effektiver zu machen. Ob eine solche Entscheidung
angezielt werde, müsse jedoch im Einzelfall entschieden werden, habe ein
dortiger Sprecher gesagt. Wichtig sei, dass die Qualität der kommunalen
Dienstleistung nicht leidet.(8)
Die Internetseite http://www.german-foreign-policy.com vom 05.04.2005 enthielt
den Bericht »Unter deutscher Verwaltung«. Hier wird darüber informiert, dass
die deutsche Bertelsmann AG, Europas größter Medienkonzern, in Großbritannien
hoheitliche Aufgaben übernommen habe. Ein Bertelsmann-Tochterunternehmen werde
ab Juli 2005 den Großteil der öffentlichen Verwaltungsarbeit einer britischen
Gemeinde erledigen. Das Vorhaben gelte der deutschen Firma als »Pilotprojekt
von strategischer Bedeutung« zur Expansion in einen milliardenschweren Markt.
Europaweit wolle Bertelsmann im Rahmen der »Public Private Partnership« in die
z. Z. noch unter nationalstaatlicher Kontrolle stehenden Bereiche vordringen
und Tätigkeiten des öffentlichen Gemeinwesens übernehmen.(9)
Lange musste man dann im Internet suchen, bis man etwas darüber fand, ob und
wie dieses PPP-Geschäft zur Übernahme der »Kommunalen Verwaltung* verwirklicht
worden ist. Endlich konnte man etwas finden:
So berichtete die Junge Welt (4.10.2005) über folgenden Vorfall:
Es sei kaum bekannt, dass die Arvato seit Juli den Großteil der öffentlichen
Verwaltungsarbeit einer britischen Gemeinde erledige. Für mindestens acht Jahre
habe die Bertelsmann-Tochter die Verwaltung der Gemeinde East Riding in
Yorkshire übernommen. Rund 500 Mitarbeiter der Verwaltung würden zu Arvato
wechseln. Ein deutsches Unternehmen erledige damit hoheitliche Verwaltungsaufgaben,
die bisher dem britischen Staat unterstanden. Arvato manage die Gemeinde,
erhebe Gebühren und ziehe Steuern ein. East Ridings Bürgermeister Stephen
Parnaby sei voller Optimismus.
Für den Arvato- Chef Hartmut Ostrowski sei dieser Dienstleistungsvertrag ein
Pilotprojekt von strategischer Bedeutung, ein »Schaukasten« für weitere
Interessenten, nicht zuletzt für deutsche »Manager der öffentlichen
Verwaltung«. Die deutsche Sektion des Europaverbandes der Selbständigen (BVD)
erkenne in der Verwaltung der englischen Kleinstadt durch ein
Bertelsmannunternehmen bereits ein zukunftsweisendes Modell. Nach Meinung des
BVD-Präsidenten Kuni Both würden »die weiterwuchernden Personalkosten in
uneffektiven öffentlichen Verwaltungen Deutschland endgültig in den Bankrott
treiben«. Den Deutschen Städtetag kritisiere Both dabei aber zu Unrecht. Denn
dieser halte das Outsourcing für eine von vielen Möglichkeiten, die kommunale
Verwaltung effektiver zu machen, habe nur etwas gegen eine »komplette«
Privatisierung, wie Both sie fordert, einzuwenden.
Durch Stiftungsprojekte und Kooperationen mit diversen Behörden und
Institutionen forciere die Bertelsmann Stiftung seit Jahren die Umkrempelung
des öffentlichen Dienstes in Service-Agenturen.
Das neue Tätigkeitsfeld sei für die Konzerntochter bei Bertelsmann ein
beispielhaftes Vorzeigeprojekt. Man hoffe in diesem neu geschaffenen Markt auf
viele neue Kunden und viele neue, in die Kassen von Arvato- Bertelsmann
fließenden Mittel.
Arvato- Servicemanager Rolf Buch erblicke im Dienstleistungsgeschäft an Stelle
der Öffentlichen Verwaltung »einen schlafenden Riesen«. Das schlummernde
Marktvolumen belaufe sich allein in Großbritannien auf über acht Milliarden
Euro pro Jahr. So sei es nicht verwunderlich, dass der Konzern den Einstieg in
bisher öffentliche Dienste auch anderer europäischer Staaten auf dem
Wunschzettel habe.
Mit den Public Private Partnerships wolle Bertelsmann also in die noch unter
Öffentlicher, nationalstaatlicher Kontrolle stehenden Verwaltungsbereiche
eindringen.(10)
In einem Interview vom 23.03.2005 hatte Hartmut Ostrowski,
Arvato-Vorstandsvorsitzender, schließlich erklärt, hoheitliche Aufgabe des
Staates sei es in heutiger Zeit vor allem, für Strukturen und Gesetze zu
sorgen. Wie diese letztlich umgesetzt würden, sei keine Frage, mit der sich der
Staat beschäftigen müsse.
Anfang 2006 erkläre Ostrowski gegenüber dem Hamburger Informationsdienst new
bustness (www.new-business.de), dass Arvato eigens für sein neues Aufgabenfeld
einen neuen Produkt-Bereich namens »Government Services« einrichten werde.(11)
Die Bertelsmann-Tochter Arvato gab dazu bekannt, in absehbarer Zukunft auch in
Deutschland in das Geschäft der Übernahme kommunaler Dienstleistungen
einsteigen zu wollen. Dazu gehöre auch das Eintreiben von Steuern und das
Auszahlen von Beihilfen. Es gebe bereits Gespräche mit »drei deutschen
Mittelstädten» (Ostrowski).(12)
So will also Ostrowski den Gesetzgebungsprozess immerhin dem Staat überlassen -
gewiss unter völlig unabhängiger Beratung durch die Bertelsmann Stiftung und
mit freundlicher, nur dem Gemeinwohl verpflichteter Begleitung durch die
Bertelsmann-Medien. Willkommen in der BRD - Bertelsmanns Republik Deutschland.
Maßnahmen zur Durchsetzung von PPP: SPD vorn
Bei der Durchsetzung des PPP-Konzepts in der Bundesrepublik hat sich
insbesondere die SPD-Führung hervorgetan, eine Aussage von Andreas Henke
(Pressesprecher der Bertelsmann Stiftung) bestätigend: »Die Stiftung legt
Konzepte auf den Tisch, die Politik setzt die Dinge um.« Die SPD-Politiker Wolfgang
Clement und Peer Steinbrück sind energische Verfechter der
>Öffentlich-Privaten Partnerschaft< . Auf der Ebene der Bundesministerien
und in den Ministerialverwaltungen von Bundesländern sind eigene PPP- >task
forces< tätig. PPP-Kompakt — Monatlicher Informationsbrief für
Entscheide gibt Einblick in die umfangreichen >beratenden< Aktivitäten,
die PPP-Vorhaben zum politischen Erfolg verhelfen.
Auf der EU-Ebene ist hier das GRÜNBUCH ZU ÖFFENTLICH-PRIVATEN PARTNERSCHAFTEN
UND DEN GEMEINSCHAFTLICHEN RECHTSVORSCHRIFTEN FÜR ÖFFENTLICHE AUFTRÄGE UND
KONZESSIONEN in den Blick zu nehmen.(13)
Dieses von der Europäischen Union herausgegebene Papier will gesamteuropäische
Probleme der ÖPP klären. Die Verwendung des eingedeutschten Begriffes
Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) lässt vermuten, dass die Initiative
dazu von der damaligen deutschen (rotgrünen) Bundesregierung kam.
Juristische Unterstützung für PPP
Für die Bundesrepublik gilt das »Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von
Öffentlichen Privaten Partnerschaften und zur Verbesserungen gesetzlicher
Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften», in Kraft getreten am
08.09.2005.(14)
Dieses Gesetz wurde im vorhergehenden Bundestag noch vor seiner Auflösung am
30.06.2005 beschlossen. Nur sechs MdBs der Grünen kritisierten in einer
Erklärung die zu hastige Beratung des Gesetzentwurfs, insbesondere das Fehlen
einer öffentlichen Anhörung von Fachleuten in dem federführenden Ausschuss.
Klaus Brandner (SPD-MdB aus Gütersloh) kommentierte in der Debatte um das
PPP-Beschleunigungsgesetz die Übernahme von Verwaltungen durch Private positiv.
Am 30.06.2005 gab er u. a. dazu bei der zweiten Lesung die folgende Erklärung
ab:
[...] Rolf Böhme, der frühere Oberbürgermeister von Freiburg, hat neulich in
einem Zeitungsbeitrag dazu geschrieben: Die Entwicklung zu einer
Gewährleistungsgemeinde, die nicht mehr selbst über ihre Ämter plant, ausführt
und bewirtschaftet, sondern nur noch die Inhalte bestimmt und ihre
Gewährleistung gegenüber der Bürgerschaft überwacht, ist vorgezeichnet. Die
ÖPP-Modelle würden daher nicht nur Investitionen im öffentlichen Bereich,
sondern auch Innovationen für die Struktur der öffentlichen Verwaltung
insgesamt auslösen. [...]
Auch der Bundesrat stimmte noch vor Ende der Legislaturperiode am 08.07.2005
dem Gesetz zu.
Demokratieabbau und weniger Informationen
Mit der Unterstützung des PPP verliert die Bertelsmann Stiftung die
Glaubwürdigkeit ihres Anspruchs, Demokratie und Informationsfreiheit fördern
znterllen, Mit den fortlaufenden Teil-Privatisierungen beim PPP werden die
großen internationalen Konzerne, die am ehesten solche langjährigen Verträge
abschließen können, durch die Übernahme von bisher öffentlichen Vermögen und
öffentlichen Funktionen immer mehr wirtschaftliche und politische Macht
erhalten. In den bisher öffentlichen, aber nun bei PPP privaten Rechtsformen
(insbesondere1 bei Kapitalgesellschaften) wird die demokratische Mitbestimmung
der Bürger und der Beschäftigten beschränkt. Die bereits jetzt schon starke
Exekutive (Verwaltung) wird die Legislative (Bürgervertretung) weiter
schwächen, was zum Demokratieabbau führt. Die Bertelsmann AG erhält in den von
ihr gemanagten »Verwaltungen' mehr Informationen, aber allein schon durch die
privaten Rechtsformen gibt es nun mehr Möglichkeiten, Bürgern den Zugang zu
Informationen zu verweigern.
Die zusammengeballte Macht von Staat und Wirtschaft (mit Konzernen und
Verbänden) wird den Wettbewerb weiter einschränken. Dies gilt besonders für
jene öffentlichen Güter und Dienstleistungen, die z. T. wegen ihrer
Ortsgebundenheit monopolartigen Charakter haben und oft nur so rationell
angeboten werden können. Die bereits früher in diesem Sinne durchgeführten
Maßnahmen in der Energiepolitik zeigen dies bereits. Lediglich auf dem
Arbeitsmarkt gibt es einen fortschreitenden Wettbewerb, der bei zunehmender
Zentralisierung des eingesetzten Kapitals durch die abnehmende Nachfrage nach
Arbeitskräften zu fortgesetztem Lohndumping führt.
Wie Kleinaktionäre enteignet werden können
Mit der Anwendung von Squeeze-Out bei AGs gegenüber den Kleinaktionären können
große Teile des bisherigen Realvermögens des Staates in
gemischtwirtschaftlichen (PPP-) Konzernen zwangsweise (durch
>Enteignungen< gegen Bargeld) konzentriert, >kapitalisiert< und anonymisiert
werden. Hier sind hauptsächlich Kleinanleger und Mittelständler betroffen.
Auch hier bei der Einführung dieses Verfahrens, das zum 01.01.2002 erfolgte und
welches den >Hinauswurf< (Ausquetschen«, >Enteignung<) von den
letzten (restlichen) 5 % Kleinaktionären durch den Großaktionär ermöglicht,
hatte einer der Berteismänner die Hand im Spiel:
Als »Vater des Squeeze-Out« ist Michael Hoffmann-Becking (60) lt.
untenstehender Quelle bekannt. Er »betreut als Anwalt und Ratgeber vor allem
Großkonzerne (zum Beispiel RWE) und reiche Unternehmerfamilien. Die Mohns, die
Quandts, die Stihls, die Boehringers (Ingelheim) und die Versandhauserbin
Madeleine Schickedanz gehören zur feinen Kundschaft des Düsseldorfer
Starjuristen. Im Aufsichtsrat des Medienkonzerns Bertelsmann ist
Hoffmann-Becking gar dienstältestes Mitglied.(16)
Als Vorsitzender des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV)
hat er mit seinen Kollegen diese neue Regelung vorgeschlagen, die dann auch im
deutschen Aktiengesetz festgelegt wurde. 2004 wurde diese Möglichkeit in eine
EU-Richtlinie übernommen . Dieses Verfahren kann man als die letzte Stufe der
Privatisierung bezeichnen. Hier übernimmt ein großer Kapitalgeber, meist schon
eine Kapitalgesellschaft (also keine natürliche Privatperson) zwangsweise die
gesamte AG, sodass man den Vorgang schon nicht mehr als »Privatisierung«,
sondern als >Kapitalisierung< bezeichnen müsste.(17)
Literatur
Bauer, Rudolph, 2006: »Bertelsmann - Kommerz statt Kommune«, in: Blätter für
deutsche und internationale Politik, Heft 7/2006, 863 ff
Rügemer, Werner, 2006: Privatisierung in Deutschland. Von der Treuhand au
Public Private
Partnership, Münster
http://www.meinepolitik.de/ppp.htm
----------------------
ANMERKUNGEN :
-------------
(1) Definition nach dem Internet-Lexikon Wikipedia, das sich u. a. auch auf das
Gutachten des Bundesministeriums Verkehr, Bau, Wohnen MVBW) »PPP im
öffentlichen Hochbau«, 2003 II: l beruft.
(2) Auszug aus dem Editorial zum PPP-Papier 1 von Bertelsmann, im Internet
unter http://www.begix.de
(3) siehe http://www. meinepolitik.de/gevertra.htm
(4) vgl. dazu unten »Kommunen fördern Steuerentziehung zugunsten reicher Erben
einer großen Stiftung aus NRW«.
(5)vgl. Oberhessische Zeitung vom 04.06.2003 mit dem Bericht »Durch Verkauf und
Leasing auf einen Schlag Geld in der Kasse — Landesbank informierte
Ausschüsse des Kreistags über ihre Vorschläge.«
(6) vgl. Beschlussübersicht 35, 26 des SPD-Parteitages in Bochum im
November 2003
(7) dokumente Nr. 1/04 - Das Papier ist bzw. war im Internet unter
http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_rubrik/0,,1922,00.htm dokumentiert.
(8) Der vollständige Artikel ist hier dokumentiert:
http://www.meinepoiitik.de/pppberte.htm
(9) Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/index.php?
lang=de&mode=detailed=search&mcat=archive&string_or=&string_not=&datc_start=
&date_end=&string_and=Bertelsmann&x=6&y=7
(10) Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/10-04/024.php - Thomas Ristow: »Ein
Protektorat in Yorkshire - Bertelsmann über alles (Teil 1). Trojaner in England«
(11) lt. Berichten vom 27.03.2006 aus
http://www.presseportal.de/story.htx?nr=803200&search=bertelsmann und
http://www.az-direct.com/site/media/00050729.pdf?t=l144001168896
(l2) Quelle: http://www.handelsblatt.com/pshb/sfn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/
GoArt!200012,201197,1057185/SH/0/depot/0/index.html)
(13) Unter http://www.meinepolitik.de/gruenppp.htm und
http://europa.eu.int/comm/internal_market dokumentiert
(14) Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr.56, ausgegeben zu Bonn am
07.09.2005
(15) lt. 17342 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 184. Sitzung.
Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005; vgl. auch
http://www.meinepolitik.de/pppbuta2.htm
(16) zitiert aus »DIE 50 MÄCHTIGSTEN - Der Vater des Squeeze-out« von Andreas
Nölting vom 10.07.2003 im Manager-Magazin, im Internet zu erreichen unter
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/maechrigste/0,2828,256576,00.html.
(17) Abschließend soll noch ergänzt werden, dass private Rechtstformen eher zu
Korruption neigen, was auch für PPP-Geschäfte gilt. Dazu wird auf folgende
Internetadressen hingewiesen:
- Bericht »Privatisierung fördert und legalisiert Korruption«
unter http://www.meinepolitik.de/pk3_neu.htm.
- »Atypische Stille Gesellschaft« unter http://www.meinepoutik.de/vertatyp.htm,
- »Immobilien-Gesellschaftsvertrag« unter
http://www.meinepolitik.de/gevertra.htm,
- »Das Beiratsunwesen« unter http://de.wikipedia.org/wiki/Beirat.
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Dokument
Kommentar zum ÖPP- Beschleunigungsgesetz (Quelle
http://www.meinepolitik.de/oeppges.htm)
von Hans-Georg Bodien (Herbst 2005)
(„Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten
Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für
Öffentlich Private Partnerschaften“)
oder:
Wie in parteiübergreifendem Konsens die politische Elite das Tempo der von der
Wirtschaft geforderten >Entstaatlichung< erhöht, damit die
Staatstätigkeit als Instrument zur Steuerung des gesamtgesellschaftlichen
Gemeinwohls verrät und eigentlich originäre Aufgaben der öffentlichen Hand der
profitorientierten Privatwirtschaft überlässt
Einleitung
Unser Staat ruht auf vier, nach unserem Grundgesetz gleichrangigen Säulen:
Demokratie. Sozialstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit.
Seit drei Jahrzehnten sind jetzt neoliberal berauschte Eliten aus Wirtschaft
und Politik dabei – ihrem fanatischen Credo > mehr Markt, weniger
Staat, Privatisierung, Flexibilisierung und Deregulierung folgend< -, die
Säulen Sozialstaatlichkeit und Demokratie mit dem Presslufthammer zu
traktieren. Die Konsequenzen sind auf der einen Seite schmerzhafte Einschnitte
in die Sozialversicherungen, massive Einschnitte in Arbeitnehmerrechte und
Massenarbeitslosigkeit, verbunden mit einem steilen Anstieg der Armut, und auf
der anderen Seite eine rasante Vermehrung des Reichtums weniger. Weiter ist als
Folge dieser Politik ein dramatisches Einbrechen der Steuereinnahmen und damit
verbunden ein gigantisches Anwachsen der Staatsverschuldung zu verzeichnen
(1,46 Billionen EURO, die daraus resultierende Zinslast beträgt ca. 67,6
Milliarden EURO. Nutznießer dieser Situation sind besonders die vermögenden
Bevölkerungsschichten, die als Gläubiger des Staates auftreten).
Über wahnwitzige Geldbeschaffungsmaßnahmen auf der Grundlage der Beihilfe
zum Steuerentzug versucht die öffentliche Hand der finanziellen Mangelsituation
zu entfliehen. Cross-Border-Leasing-Deals (CBL) mit irrsinnig langen
Vertragslaufzeiten (häufig 99 Jahre) - und noch nicht abzuschätzenden
Folgen für den Steuerzahler einer Reihe großer Städte - sind dafür ein
erschreckendes Beispiel.
Ein weiteres fragwürdiges Geldbeschaffungsmodell ebenfalls auf der Basis
der Beihilfe zum Steuerentzug – welch Defizit an Gesamtverantwortung für
unser Gemeinwesen - sind die Sale-and-lease-back- Geschäfte (SLB) der
öffentlichen Hand.
Seit geraumer Zeit heißt nun die Zauberformel für die Lösung öffentlicher
Finanznot ÖPP oder PPP. Darunter ist offiziell die Zusammenarbeit öffentlicher
und privater Akteure beim Planen, Bauen, Finanzieren, Sanieren, Instandhalten
und Bewirtschaften öffentlicher Infrastruktur wie Schulen, Turnhallen,
Verwaltungsgebäude, Straßen, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung,
Müllentsorgung, Krankenhäuser u.ä. zu verstehen. ( Hier sollte schon einmal
erwähnt werden, dass längst private Dienstleister in den Startlöchern stehen,
die die Übernahme von Verwaltungsaufgaben anstreben. Zu nennen wäre hier der
Dienstleistungskonzern Arvato, eine Bertelsmann – Tochter. Arvato tritt mit
dem Slogan auf, Auswüchse der Bürokratie zu beseitigen, und hat in
Großbritannien bereits die Verwaltung in der Gemeinde Bast Riding (350000
Einwohner)übernommen.
So sieht Rolf Buch, Vorstandsmitglied des Dienstleistungskonzerns Arvato, im
Dienstleistungsgeschäft mit der öffentlichen Hand einen schlafenden Riesen und
rechnet mit den ersten Gehversuchen im Inland in zwei bis drei Jahren. (Quelle:
Mindener Tageblatt vom 16.02.05).
Die Ö(P)PP-Modelle beruhen auf einem gemeinsamen Konzept von Bund, Ländern und
besonders der Bauwirtschaft. Einen eifrigen Verfechter dieser Modelle finden
wir seit Jahren in Gerhard Schröder, dem Spitzenkandidat der SPD für die
Bundestagswahl am 18.September 2005, dem Ex-Kanzler der rot-grünen Koalition
und erklärten Merkel – Wähler am 22. November 2005 und dem Berater des
größten Verlagshauses (Ringier) der Schweiz (aktiv ab Januar 2006). So wirbt
die Hannover Leasing GmbH und Co. KG bereits im Juli 02 mit einer
Äußerung Schröders , nach britischem Vorbild werde man künftig stärker mit der
Privatwirtschaft beim Bau, der Sanierung und Bewirtschaftung von Schulen,
Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern u.ä. zusammenarbeiten. Folgerichtig hat
dann auch im Herbst 2003 der Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen, Stolpe den Zuschnitt des Steuerrechts auf Ö(P)PP gefordert.
Am 8.September 2005 ist nun das ÖPP- Beschleunigungsgesetz in Kraft getreten
(am 30.06.05 vom Bundestag bei wohlwollender Enthaltung der Fraktionen von
CDU/CSU und FDP beschlossen und am 8.Juli 05 vom Bundesrat durchgewunken). Die
SPD-Bundestagsfraktion reklamiert es als ihr Projekt. So heißt es dazu auch in
einer überschwänglichen Erklärung der SPD-MdBs und Mitglieder der
Projektarbeitsgruppe „ÖPP- Beschleunigungsgesetz“ Ludwig Stieler,
Klaus Brandner und Michael Bürsch vom 07.09.05:
„Beim Gebühren-, Vergabe-, Steuer- und Haushaltsrecht sowie bei den
Finanzierungsbedingungen hat das ÖPP- Beschleunigungsgesetz jetzt gesetzliche
Rahmenbedingungen geschaffen, die Hemmnisse und Unklarheiten beseitigen, die
die Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) in Deutschland
bisher erschwert haben.“
Schlichter ausgedrückt bedeutet dies nichts anderes, als dass das
Gebühren-, das Vergabe- und Vertragsrecht, das Steuer- und Haushaltsrecht
zugunsten privater Investoren für ÖPP- Deals passend gemacht wurde.
Zur Entstehung des Gesetzes (Quelle: SPD >dokumente Nr.03/05)
Hierzu wurde von der Bundestagsfraktion der SPD extra eine
Projektarbeitsgruppe „ÖPP- Beschleunigungsgesetz“ mit fünf
Kompetenzgruppen installiert. Die Leitung hatte MdB Dr. Michael Bürsch.
Eine riesige Armada von internen und externen Beratern wurde herangezogen,
darunter besonders Vertreter verschiedener, teilweise weltweit agierender
Unternehmensberatungs-, Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und
Finanzierungsgesellschaften und Großkanzleien. Beteiligt waren:
Die PPP-task force im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit
ihren Vernetzungen in die entsprechenden Landesministerien von NRW und
Rheinland-Pfalz
Mit task force wird im Englischen beim Militär eine Spezialeinheit zur
Erledigung einer besonders schwierigen Aufgabe und bei der Polizei eine Gruppe
von Spezialisten für die Bekämpfung besonders schwerer Kriminalität bezeichnet.
Die PPP-task force ist in Anlehnung daran also ein ministerielles Spezialteam
mit besonderem Auftrag, der darin besteht, privatem Kapital den direkten
Zugriff auf eigentlich öffentliche Aufgaben zwecks Gewinnmaximierung zu
ermöglichen.
Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Berlin
Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Berlin
Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, Berlin
Diese Gesellschaft gehört zu 100% dem Bund.
Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands, Berlin
Landesbank Hessen-Thüringen
Die HELABA gehört zu 85 % den Sparkassen Hessens und Thüringens, zu 10% dem
Land Hessen und zu 5% dem Land Thüringen. Sie hält 50% der Anteile an der
Hannover Leasing GmbH & Co KG. mit Sitz in Bayern.
Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH, Köln
(Diese Gesellschaft ist ein Unternehmen des Bundesverteidigungsministeriums;
hier sitzen also die Privatisierungsspezialisten im Bereich der Bundeswehr).
Bundesverband Deutscher Banken, Berlin
Verband deutscher Hypothekenbanken, Berlin
BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V., Berlin
BWS GmbH, Freiburg
Pricewaterhouse Coopers, Frankfurt
KPMG Berlin und KPMG Corporate Finance, Frankfurt
Der Beratungs-Multi ist in 142 Ländern vertreten. Er ist laut Eigenwerbung
>die weltweit größte Organisation im Bereich professionelle
Dienstleistung<. Auch heißt es auf der Webseite der KPMG – Deutschland
: „ ... KPMG bietet Ihnen hochwertige Beratung für die Optimierung Ihrer
Steuerbilanzpolitik....Die globale Präsenz hilft Ihnen beim Erkennen steuerlicher
Fallstricke – und natürlich auch der Gestaltungsspielräume – in
aller Welt...“(Quelle: Hans Weiss / Ernst Schmiederer , Asoziale
Marktwirtschaft (Insider aus Politik und Wirtschaft enthüllen, wie die Konzerne
den Staat ausplündern), Köln 2005)
Westdeutsche Kommunal Consult GmbH (Sie ist eine 100% Tochter der WestLB)
NORTON ROSE, Brüssel
VBD Beratungsgesellschaft für Behörden mbH, Berlin
Serco GmbH & CO KG, Bonn
Dieses Unternehmen ist auch tätig für das Land Hessen in der ersten
teilprivatisierten Justizvollzugsanstalt Hünfeld.
Linklaters Oppenhoff & Rädler, Berlin
Hammonds, Berlin
Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg
Servatius Rechtsanwälte, Hamburg
Clifford Chance, Frankfurt
Deloitte & Touche, München.
Nach Auskunft aus der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
und dem BMVBW sollen die externen Berater keine Kosten verursacht und nur ihren
Sachverstand eingebracht haben. Dies lässt die Deutung zu, dass sie akquisativ
tätig waren in der Gewissheit für lukrative Folgeaufträge.
Zum Gesetz selbst
Das ÖPP- Beschleunigungsgesetz bringt PPP- freundliche Änderungen des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Vergabeordnung.
Die Änderung des Fernstraßenbaufinanzierungsgesetzes ermöglicht nun privaten
Betreibern beim Ausbau von Bundesfernstraßen die Refinanzierung durch eine
private Entgeltregelung.
Die Änderung der Bundeshaushaltsordnung gestattet jetzt die Veräußerung von
unbeweglichen Vermögensgegenständen, die zur Erfüllung von Aufgaben des Bundes
weiterhin benötigt werden, wenn auf diese Weise die Aufgaben des Bundes
nachweislich wirtschaftlicher erfüllt werden können.
Auch ändert das ÖPP- Beschleunigungsgesetz das Grunderwerbssteuergesetz und das
Grundsteuergesetz. Die Änderung des Grunderwerbssteuergesetzes sieht die
Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei der Übertragung von Grundstücken an
PPP – Projektgesellschaften vor, solange sie für hoheitliche Zwecke
genutzt werden – unter der Voraussetzung einer Rückübertragung am Ende
des Vertragszeitraums.
Die Änderung des Grundsteuergesetzes stellt sicher, dass der der
öffentlichen Hand für einen bestimmten Zeitraum im Rahmen einer ÖPP überlassene
Grundbesitz von der Grundsteuer befreit ist. Ohne Bedeutung ist dabei, ob der
private Auftragnehmer den PPP – Grundbesitz von der öffentlichen Hand
erhalten oder auf dem Grundstücksmarkt selbst erworben hat.
(Nach Auskunft aus der SPD-Fraktion strebt man noch eine möglichst schnelle
Änderung des Umsatzsteuerrechts (also eine Befreiung von der Umsatzsteuer für
PPP-Beteiligte) an, denn die bisherige Regelung diskriminiere die ÖPP- Variante
gegenüber der Eigenerstellung durch die öffentliche Hand).
Die Änderung des Investmentgesetzes eröffnet offenen Immobilienfonds den
Zugriff auf Beteiligungen an Ö(P)PP – Projektgesellschaften in der
Betreiberphase.
Reaktionen
Auf den Webseiten nicht nur der Bauindustrie jubelt man ob der leeren
öffentlichen Kassen und freut sich nun auf einen Boom für PPP-Projekte.
Allerdings geht dem Bundesverband der Deutschen Industrie das ÖPP- Beschleunigungsgesetz
nicht weit genug. So heißt es in einer Presseverlautbarung von BDI-Präsident
Jürgen R. Thumann vom 08.09.05 dazu: „Die nächste Bundesregierung muss
das Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) schnell und umfassend
voranbringen. Das aktuelle ÖPP- Gesetz ist zwar ein Schritt in die richtige
Richtung. Mehr aber leider nicht....
Wenn wir solche Privatisierungsmodelle in Deutschland voranbringen wollen,
brauchen wir mehr als dieses legislative Feinjustieren. Uns fehlt eine
nationale Strategie, mit der wir Vorfahrt für die Privatisierung oder
Teilprivatisierung öffentlicher Leistungen schaffen.“
Und die große Privatisierungskoalition hat ihn erhört (Vergleiche die
Koalitionsvereinbarungen „Gemeinsam für Deutschland“, was in diesem
Punkt besser „Gemeinsam für das Kapital“ hieße.
_______________________________
Zwischenbemerkung: Der ehemalige Ministerpräsident von NRW, Steinbrück (hier
bereits ein Verfechter von ÖPP und Verlierer der Landtagswahl als SPD -
Spitzenkandidat) und neue Bundesfinanzminister z.B. will bis 2009
Bundeseigentum – hier vor allem Immobilien – im Werte von 54
Milliarden EURO verscherbeln. So war es den Medien zu entnehmen.
Ist dies der Einfluss des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der
als Brachialprivatisierer in Hessen Landesimmobilien im Rahmen Operation
„Sichere Zukunft“ verhökert hat und weitere verkaufen
will(Behördenzentrum Ffm., Ministerien, Gerichtsgebäude, Polizeipräsidien etc.
mit anschließender Zurückmietung mit Mietverträgen bis zu 30 Jahren; Käufer der
landeseigenen Immobilien: Commerzbank Immobilien GmbH, ein Unternehmen
der Commerz Leasing und Immobilien Gruppe )? Was hier noch wichtig ist und
Rückschlüsse auf eigenwilliges demokratisches Procedere zulässt : Die
Veräußerungen wurden notariell getätigt, noch bevor der Landtag zugestimmt hat.
So war es in der Zeitung zu lesen. Weiter bereitet Koch den Verkauf der
Universitätskliniken Gießen und Marburg vor - unter Ausschluss der
Öffentlichkeit, also im Stile eines feudalen Landesfürsten. Verantwortlich ist
er einerseits auch für einen nicht verfassungskonformen Haushalt und eine
dramatische Verschuldung Hessens, andererseits hat er aber durch den Ankauf
eines Schlosses für über 13 Millionen EURO einem Grafen „den besten Deal
seines Lebens“ ermöglicht. Auch ist er hauptverantwortlich für das
riesige Finanzdefizit der Hessischen Landkreise, das sich inzwischen auf 1,2
Milliarden EURO beläuft .
Nicht nur in diesem Zusammenhang muss dringend einmal hinterfragt werden, ob
die Wahl unserer Volksvertreter gleichzeitig eine Legitimation darstellt,
öffentliches Eigentum – also das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger
– je nach Bedarf zur Manipulationsmasse zu machen. Ist es nicht vielmehr
so, dass die gewählten Volksvertreter (sowohl als Parlamentarier als auch
Inhaber eines Amtes) mit der Übernahme ihres Mandates zu Treuhändern des
Vermögens der Bürgerinnen und Bürger werden, öffentliches Eigentum also
verwalten und vermehren sollen? Es darf nicht sein, dass öffentliches Eigentum
einen geringeren Stellenwert besitzt als Privateigentum, das durch das
Grundgesetz einen außerordentlich hohen Schutz genießt. Es ist höchste Zeit,
dass die dem Gemeinwohl verpflichteten Volksvertreter auf allen Ebenen unseres
Gemeinwesens sich wieder mit dem öffentlichen Eigentum identifizieren und es
garantieren, vor allem auch in Verantwortung für nachwachsende Generationen.
___________________________
Auch verhehlen Großkanzleien, Banken, Finanzierungsgesellschaften,
Unternehmensberatungsgesellschaften etc. ihre Genugtuung nicht, eröffnet ihnen
doch PPP ein riesiges Geschäft.
Ebenso Seminaranbieter zum Thema Ö(P)PP wittern für sich ein gutes Geschäft. So
sehen wir z.B. auf der Seite von >Euroforum Deutschland GmbH< ein
Seminarangebot unter dem Titel > Frischer Wind für Öffentlich-Private
Partnerschaften< .
Diese Gesellschaft wirbt für dieses Seminar mit Referenten von Freshfield
Bruckhaus Deringer, Servatius Rechtsanwälte und PricewaterhouseCoopers als
Experten aus der Projektarbeitsgruppe „ÖPP- Beschleunigungsgesetz“,
die „...die Grundlage des verabschiedeten Gesetzentwurfs geschaffen
haben.“ Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Besondere Erwähnung verdient,
dass Euroforum Behördenvertretern Sonderpreise für die Teilnahme an ihren
PPP-Seminaren einräumt.
Die IHK(Industrie- und Handelskammer) Frankfurt/M. – die Industrie-
und Handelskammern (in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts) sind
schlagkräftige Instrumente für privatwirtschaftliche Profitinteressen mit
großem Einfluss auf Gesetzgebung und Kommunalpolitik – sieht in dem
ÖPP-Beschleunigungsgesetz dann auch neuen Rückenwind für Public Private
Partnership. So heißt es in einer ersten Stellungnahme dazu, dieses
Gesetz sei „ein weiterer Meilenstein auf einem Weg, der das
Entstehen eines finanzträchtigen PPP-Marktes in Deutschland unterstützt.“
Exkurs: ÖPP in der Praxis
Toll Collect ist wohl das bekannteste PPP-Projekt und sicherlich nicht geeignet
eine Privatisierungseuphorie auszulösen. Als Berater treffen wir hier schon auf
die Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
Monheim in NRW und der Landkreis Offenbach sind die bekanntesten
PPP-Schulprojekte, die schon lange vor dem ÖPP- Beschleunigungsgesetz
vereinbart wurden.
Hier soll nur ein kurzer Blick auf den Landkreis Offenbach mit einem CDU-Landrat
geworfen werden, wo seit Oktober 04 bzw. Januar 05 ein solches Projekt läuft.
In einem so genannten >Betreibermodell< hat man hier die Sanierung und
Bewirtschaftung der Schulen an eine Tochter von >Hochtief< und die >
SKE Mannheim< - ein Unternehmen der VINCI- Gruppe Paris – gegeben.>
Hochtief< * und >VINCI< sind weltweit führende Unternehmen in
der Bauwirtschaft. Das Gesamtauftragsvolumen liegt bei etwa 800 Millionen EURO.
Die Verträge mit einer Preisgleitklausel laufen über 15 Jahre. Der Kreis zahlt
über die gesamte Laufzeit ein Nutzungsentgeld von 57 Millionen EURO jährlich.
Die Beratungskosten für das Zustandekommen der Verträge werden auf bis zu 30
Millionen EURO geschätzt; eine Summe zwischen 10 und 30 Millionen EURO auf
Nachfrage im Landratsamt wurde nicht dementiert. Unter den Beratern war auch
hier Freshfield Bruckhaus Deringer. Das Geschäft wird über eine extra
installierte Projekt-Gesellschaft abgewickelt, an der der Kreis geringfügig
beteiligt ist. Offiziell wird behauptet, dass der Kreis mit diesem Modell 15-20
% Kosten einspare, was nicht nachvollziehbar ist, wollen doch neben den
Beratern auch die Betreiber selbst und ihre Geldgeber einen möglichst hohen
Gewinn aus einem solchen Deal herausschlagen. Eine sukzessive
durchgeführte Sanierung der Schulen mit billigen Kommunalkrediten wäre sicher
billiger gewesen. (* Hochtief ist der weltweit drittgrößte Baukonzern und in
Sachen Privatisierung auch international tätig. In Deutschland gilt Hochtief
als Marktführer im Bereich PPP. Unter der Überschrift >Hochtief mit
Gewinnsprung< liest man in der Süddeutschen Zeitung vom 18.11.05 über den
veröffentlichten Nettobarwert der fünf Flughäfen- und zehn PPP-Projekte des
Konzerns. Wörtlich heißt es hier dazu: „Deren Wert gibt Hochtief mit 870Millionen
EURO an. Bei einem investierten Kapital von 530 Millionen EURO errechnet sich
ein Mehrwert von 340Millionen EURO.“)
Der Kreistag hat sich mit der Einwilligung für diesen Deal über drei
Legislaturperioden hinweg in Sachen Schulinfrastruktur aus seiner Entscheidungs-
und Kontrollgewalt verabschiedet und sich damit selbst entmachtet.
(Böse Zungen behaupten, dass die Zustimmung der SPD-Kreistagsfraktion zu diesem
Projekt mit einem hauptamtlichen Kreisbeigeordneten belohnt wurde.)
Fazit
Das ÖPP- Beschleunigungsgesetz bestätigt einmal mehr die erschreckende
Leichtigkeit der politischen Elite, einseitig die Interessen der Wirtschaft (
hier der Großen der Bau- und Finanzwirtschaft) zu bedienen. So erhöht das
Gesetz die Attraktivität für Ö(P)PP – Interessenten (s. Reaktionen) nicht
zuletzt wegen der geschaffenen und noch zu erwartenden steuerlichen
Ausnahmetatbestände für die „ÖPP – Variante“ der eigentlich
öffentlichen Aufgabenerfüllung.
Nutznießer der „ÖPP – Variante“ sind primär Konzerne der
Bauindustrie, Banken, Finanzierungsgesellschaften, Großkanzleien, Unternehmens-
und Steuerberatungsfirmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Auf der kommunalen Ebene sind Landräte, Oberbürgermeister und
Bürgermeister Nutznießer solcher ÖPP-Deals, behalten sie doch ihre Bezüge,
obwohl ganze Abteilungen profitorientierten Unternehmen überantwortet werden.
Ja sie und andere entscheidende Politiker können sogar ihre Einkünfte
kumulieren – von daher so beliebt - , nämlich über Mitgliedschaft in
Aufsichtsgremien und Beiräten in privatrechtlich organisierten Gesellschaften,
die extra zur Abwicklung solcher ÖPP-Geschäfte installiert werden.
Zu den Verlierern gehören zweifellos die kleinen und mittleren
Unternehmen des Bau- und Handwerksbereichs. Sie sind aufgrund ihrer
Eigenkapitaldecke und mangelnder Kreditwürdigkeit bei den Banken nicht in der
Lage, als PPP - Unternehmen in den Markt zu gehen. Diese Unternehmen werden zu
Opfern der Marktmacht weniger Großunternehmen, können sie doch selbst als
Subunternehmen den Renditeansprüchen der Großkonzerne nicht genügen. (So
bezweifelt sogar die IHK Frankfurt neue Marktchancen für diese Unternehmen
durch PPP). Die Folgen werden Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste in hoher
Zahl sein, wenn Aufträge von der öffentlichen Hand ausbleiben.
Auch der öffentliche Dienst wird im Rahmen von ÖPP Stellenabbau erfahren,
nicht zuletzt wegen der Verschiebung einer erheblichen Zahl von Angestellten in
privatrechtlich organisierte ÖPP – Projektgesellschaften. Damit werden
tarif- und arbeitsrechtliche Standards des öffentlichen Dienstes zur
Disposition gestellt. Arbeitsplatzverluste sind vorprogrammiert.
Die „ÖPP - Variante“ führt besonders auf der kommunalen Ebene zur
langfristigen Bindung von Haushaltsmitteln (15 – 30 Jahre) und damit zur
Verkleinerung des politischen Gestaltungsspielraumes. Besonders gravierend ist
es, dass Amts- und Mandatsinhaber mit solchen ÖPP- Deals zur massiven
Entziehung demokratischer Kontrolle eigentlich öffentlicher Angelegenheiten
beitragen und so der Säule Demokratie unseres Staates erheblichen Schaden
zufügen.
In der Begründung zum ÖPP – Beschleunigungsgesetz heißt es, mit
Öffentlichen Privaten Partnerschaften werde eine dauerhafte, in beiderseitigem
Vorteil liegende, dem Gemeinwohl dienende Kooperation zwischen öffentlichen
Händen und Privatwirtschaft angestrebt. Insofern stellten ÖPP einen wichtigen
Baustein zur Modernisierung des Staates dar(Quelle: SPD>dokumente Nr.
03/05).
Wenn nun bei der „ÖPP – Variante“ wichtige Aufgaben der
eigentlich öffentlichen Daseinsvorsorge privatem Gewinnstreben unterworfen
werden mit den Konsequenzen eines verstärkten Personalabbaus und der Absenkung
der Einkommens- und Sozialbedingungen, wenn mit dieser „ÖPP –
Variante“ demokratische Entscheidung und Kontrolle über Infrastruktur und
der damit verbundenen Verpflichtungen über Jahrzehnte ausgehebelt werden, wer
dann noch von einer dem Gemeinwohl dienenden Kooperation zwischen öffentlichen
Händen und Privatwirtschaft spricht und ÖPP als einen wichtigen Baustein zur
Modernisierung des Staates bezeichnet, pervertiert die eigentliche Bedeutung
von Gemeinwohl und Demokratie. Politische Ö(P)PP – Vollstrecker handeln
also im Interesse von Konzernen und ihren Geldgebern und nicht im Interesse des
Allgemeinwohls.
Eine breite Allianz der Bevölkerung, Gewerkschaften und Parteien ist daher
notwendig, um ÖPP- Projekte schon in der Anfangsphase zu stoppen. Gleichzeitig
muss Druck auf den Gesetzgeber gemacht werden, über eine überfällige
Steuerreform die Staatsfinanzen so zu sanieren, dass alle Ebenen unseres
Gemeinwesens wieder handlungsfähig werden.