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GESAMTTEXT BERTELSMANN UND PPP
Auszug aus dem Buch "Netzwerk der Macht - Bertelsmann", Seiten 371 - 392)

Wilhelm Ruehl, Arno Klönne

1. Bertelsmann und Private-Public-Partnership

Seit Mitte der 90er Jahre etwa hat sich in Deutschland für eine bestimmte Form der Modernisierung öffentlicher Institutionen die Bezeichnung »Private Public Partnership« (PPP) eingebürgert. Das klingt freundlich — und in jedem Fall besser als >Privatisierung<. Scheinbar bleibt der öffentliche Einfluss gewahrt: eine win-win-Situation für beide beteiligten >Partner<? Wilhelm Ruehl und Arno Klönne argumentieren dagegen und belegen, dass PPP eine Form der Enteignung und der Entdemokratisierung ist.

Seit Jahren schon befindet sich die Bundesrepublik Deutschland in einem Prozess des gesellschaftlichen, von den wirtschaftlichen Machteliten programmierten und von der politischen Klasse systematisch umgesetzten Umbruchs, dessen Ziel es ist, den deutschen Kapitalismus aus den Zügelungen zu lösen, die ihm durch die nach dem Zweiten Weltkrieg für einige Jahrzehnte in Westdeutschland prägenden sozialstaatlichen Regulierungen auferlegt waren. Dieser Wandel der Gesellschaftsordnung vollzieht sich zu einem wesentlichen Teil als Privatisierung«, d. h. als Verlagerung bisher öffentlich oder gemeinnützig betriebener Dienstleistungen in die Verfügungsgewalt kommerzieller Unternehmen. Der profitorientierten Kapitalverwertung ist damit ein riesiges neues Geschäftsfeld eröffnet. Es liegt nahe, dass ein solcher Umbruch auf Widerstände stößt; auch deshalb setzt die Politik der Privatisierung auf Zwischen- und Übergangslösungen. In diesem Zusammenhang haben Konzepte und Projekte der >Public Private Partnership< (PPP) hohe Bedeutung. Die Bertelsmann AG und die Bertelsmann Stiftung wirken als einflussreiche Antriebskräfte bei der Durchsetzung von PPP. Dies betrifft sowohl die ideologische Wirkung, die von der Bertelsmann Stiftung als dem führenden deutschen Politikberatungsunternehmen ausgeht, als auch die modellartige Praxis, mit der die Arvato Aktiengesellschaft als Teil des Bertelsmann-Konzerns aufwartet.

Aus der Arvato AG (Gütersloh), die sich vollständig im Besitz des Konzerns befindet und in 27 Ländern auf vier Kontinenten Dienstleistungen unterschiedlichster Art anbietet, sind es im ersten Schritt die Bereiche Informationstechnologie im Internet und Wissensmanagement (Arvato-Systems), die geschäftsmäßig auch für kommunale Dienstleistungen genutzt werden können, wobei sogar (wie in England) die Übernahme ganzer Kommunalverwaltungen möglich ist, was bereits Mitte 2005 geschehen ist (s. u.). Gerade hier ist die Verbindung zwischen >Diskurspolitik< der Bertelsmann Stiftung und der Anwendung des Public Private Partnership Projekts zwecks Erzielung eines kommerziellen Gewinns bei der Bertelsmann AG deutlich erkennbar.

Was ist Public Private Partnership (PPP)?


Public Private Partnership (Abkürzung PPP), eingedeutscht Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP), ist ein Sammelbegriff für jegliche Art des ökonomischen Zusammenwirkens von öffentlichen Akteuren mit privaten Wirtschaftssubjekten. PPP geht in der Regel mit einer Teil-Privatisierung von öffentlichen Aufgaben einher. Reine Finanzierungsgeschäfte werden aber nicht als PPP bezeichnet. PPP ist somit nach heutigem, funktionalem Begriffsverständnis die meist «langfristig vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, bei der die erforderlichen Ressourcen (z. B. Know-how, Betriebsmittel, Kapital, Personal etc.) von den Partnern zum gegenseitigen Nutzen in einem gemeinsamen Organisationszusammenhang eingestellt werden.
PPP wird überwiegend als eine besondere Art der funktionalen Privatisierung angesehen. Im Unterschied zur materiellen Privatisierung zieht sich der Staat hier nicht vollständig von einer bislang öffentlich wahrgenommen Aufgabe zurück. Im Rahmen der funktionalen Privatisierung werden private Wirtschaftssubjekte bei der staatlichen Aufgabenerfüllung hinzugezogen. Die hoheitliche Erfüllungsverantwortung bleibt dabei unangetastet. Hier werden vertragliche Konstruktionen geschaffen, die in den unterschiedlichsten Formen ausgestaltet sein können.(1)

PPP-Projekte können unterschiedliche Formen haben, diese reichen vom Leasing über das Betreibermodell bis zur Übertragung der Konzession an private Unternehmen. Der Anreiz für die öffentlichen Hände, sich auf PPP-Konstruktionen einzulassen, liegt zumeist in einem Zufluss- oder Entlastungseffekt für die jeweilige öffentliche Kasse bzw. den öffentlichen Haushalt, der aber in aller Regel nur kurzfristig eintritt und mit dem über die längerfristigen Verluste oder Belastungen für die öffentlichen Etats hinweggetäuscht wird. PPP- oder ÖPP-Projekte betreffen zur Zeit vornehmlich infrastrukturelle Einrichtungen (Schulen, Straßen, Versorgungsbetriebe, Krankenhäuser, Turnhallen, Sportplätze) und eben ansatzweise auch ganze Verwaltungskomplexe. Dabei werden den beteiligten Privatunternehmen auch steuerliche Begünstigungen gegeben, so u. a. durch das »ÖPP-Beschleunigungsgesetz«.

Wie Bertelsmann ins PPP-Spiel kam

Die Bertelsmann Stiftung setzt sich nach ihren eigenen Angaben für das Gemeinwohl ein. Dabei sind nach ihrem Selbstverständnis Wettbewerb und bürgerschaftliches Engagement wesentliche Grundlagen für den gesellschaftlichen Fortschritt. Entsprechend der Werbung auf Ihrer Homepage will sie »frühzeitig gesellschaftliche Herausforderungen identifizieren sowie exemplarische Lösungsmodelle entwickeln und verwirklichen.«

In diesem Sinne versucht sie, mit Hilfe ihrer PR-Arbeit die Politik der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen und dabei auch die Geschäftspolitik der Bertelsmann AG zu unterstützen. Sie arbeitet dabei, neben der Verbindung mit Politikern, auch mit anderen Stiftungen der gesellschaftlichen Gruppen (Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden usw.) zusammen, wobei auch hier die Interessen ihres Konzerns sicherlich nicht außer Acht gelassen werden.

Dabei war PPP kein ursprüngliches Projekt von Bertelsmann. Die Stiftung arbeitet zur Zeit an über 60 Projekten. PPP ist aber keins dieser Projekte. Es war interessanter Weise in den insgesamt über 200 Projekten auf der Homepage von Bertelsmann, die den Projekten gewidmet ist, der Begriff »Public
Private Partnership (PPP)« noch nicht einmal zu finden.

Allerdings hat die Stiftung schon seit Jahren relativ großen Einfluss in der Politik ausgeübt und dabei (besonders in NRW) Kooperationen mit staatlichen Stellen gefunden, ohne die Begriffe PPP (dieser Begriff stammt wohl aus den angelsächsischen Ländern) oder OPP (er wurde erst später von der SGK, d. h. der Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik, geprägt) zu verwenden.
Es ist wohl auch davon auszugehen, dass der Begriff »PPP« aus dem wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich des Bertelsmann-Konzerns in den angelsächsischen Ländern (z. B. über die Arvaro AG) in den Blickpunkt der Stiftung gekommen und dann von ihr in den öffentlichen Diskurs in der Bundesrepublik mit eingebracht worden ist.

Ideologisch wurde PPP an das Projekt E-Government (= Elektronische Verwaltung) angeschlossen. So las man von Bertelsmann aus Gütersloh am 30.06.2003 folgende Pressemeldung:

E-Government finanzieren - Public Private Partnership als Lösungsansatz

Der Reformbedarf des öffentlichen Sektors ist ungebrochen, die finanziellen Mittel
für diese Aufgaben werden knapper. Finanzierung durch Kooperationen lautet ein möglicher Lösungsansatz, der in der neuen Studie >Public Private Partnership im E-Government< der Bertelsmann Stiftung vorgestellt wird. Public Private Partnerships (PPPs) werden auch in Deutschland immer häufiger als sinnvolle Methode zitiert, um die Strukturreform der Verwaltung mit dem Know-how der Wirtschaft zu verbinden und finanzierbar zu machen. Das Wissen um die verschiedenen Rechtsformen, Organisation und Management von solchen Partnerschaften ist vielerorts aber noch nicht verbreitet. Die neue Studie, die im Projekt >Balanced E-Governnient< in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel entstanden ist, möchte praxisorientierte Hilfestellungen für die Entscheider in Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Verbänden bieten. Die Online-Publikation ist Teil der Reihe >PPP für die Praxis<, die die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit der Initiative D21 und der Sozietät Clifford Chance Pünder initiiert hat.

Ähnlich wurde im Editorial der 2003 und 2004 erschienenen speziellen Veröffentlichungen zum Thema PPP argumentiert. Dort hieß es u. a.: »Um der wachsenden Bedeutung des Themas und dem gleichzeitigen Erfahrungsdefizit gerecht zu werden, haben die Initiative D2l, die Bertelsmann Stiftung und Clifford Chance Pünder gemeinsam die Reihe >PPP für die Praxis< aufgelegt.[...]«

Die Bertelsmann-Stiftung widmet sich seit fast 10 Jahren dem Thema Staat und Verwaltung aus unterschiedlichen Blickwinkeln und hat hier mit dem Projekt >E-Government< einen besonderen Schwerpunkt gesetzt. Die Sozietät Clifford Chance Pünder verfügt über langjährige Erfahrung als Berater in PPP-Projektcn. Gemeinsam, so die Motivation zu dieser Reihe, können die drei Partner dazu beitragen, dass keine einsamen Wissensinseln geschaffen werden, sondern eine umfassende, vernetzte und praxisorientierte Handreichung zum Thema entsteht, die aufzeigt, was sich hinter der Formel PPP verbirgt.

Um 2002 war mit dem Bertelsmann-Projekt »Balanced E-Government« (= Ausgeglichenes Elektronisches Regieren bzw. Verwalten) begonnen worden. Es soll zur stärkeren Nutzung der neuen elektronischen Medien für politische Zwecke beitragen, z. B. auch im Sinne von elektronischer Bürgerorientierung bzw. -beteiligung unter dem Begriff »E-Democracy«.

E-Government (Elektronisches Regieren bzw. Verwalten) und E-Democracy (Elektronische Bürgerbeteiligung) wurden dabei als wesentliche Modernisierungsschritte öffentlicher Verwaltungen dargestellt. Diese beiden Projekte sollen als Instrumente eingesetzt werden, um den gewachsenen Ansprüchen von Bürgern und Unternehmen nach einer effizienten und transparenten Erfüllung von politischen Dienstleistungen besser gerecht zu werden.

Das klingt idealistisch - aber es ist einsatzfähig für realistische Geschäftspolitik.

PPP wird zum Geschäft

Nachdem Bertelsmann das Dienstleistungs-Unternehmen Arvato übernommen hatte, reifte hier der Plan, zum Zweck einer angeblich besseren Wirtschaftlichkeit als Dienstleistung auch die Übernahme von »öffentlichen Verwaltungen« in die unternehmerische Tätigkeit einzubeziehen. Die Bertelsmann Stiftung warb auf ihren Webseiten für eine neue Symbiose von öffentlicher Verwaltung und Kommerz:

[...]Es sind in den Verwaltungen oft nur dürftige Kenntnisse über Wesen und Ausgestaltungsmöglichkeiten von derartigen Partnerschaften vorhanden. Hier möchte diese Studie eine praxisorientierte Hilfestellung für alle Interessierten aus Verwaltung, Politik und Verbänden anbieten. Sie soll einen Beitrag dazu leisten, Verwaltungsbedienstete, Führungskräfte, politische Entscheidungsträger sowie Verbands- und Vereinsrepräsentanten auf dem Weg zum PPP-finanzierten E-Government-Projekt zu begleiten. (Auszug aus dem 1. PPP-Papier von 2003)

So wurde der Gedanke der PPP, der sich in den angelsächsischen Ländern aus der neoliberalen Propagierung des >schlanken Staates< und der daraus hergeleiteten Privatisierung entwickelt hatte, mit Hilfe von Wirtschaftsberaterbüros in Deutschland von Bertelsmann ins Spiel und ins Geschäft gebracht. Eine Arbeitsteilung von Democracy (Legislative) beim Bürger und Government (Exekutive) bei der Wirtschaft erweckt den Anschein einer Gewaltenteilung; tatsächlich aber wird die Öffentliche Verwaltung um ihre Substanz gebracht.

Wenn etwa die privaten Rechtsformen von AG (mit Vorstand), KG (mit Komplementär und Kommanditist) und GmbH (mit Geschäftsführer) eingeführt werden, entscheidet auch formal das Governrnent(=Exekutive).

Wie so etwas praktiziert wird, zeigt beispielhaft der Gesellschaftsvertrag der Firma KIG II Kreisimmobiliengesellschaft Waldeck-Frankenberg mbH & Co. KG für ein sog. Sale-and-lease-back-Modell.(3) Dieser wurde von der 50 %igen Helaba (Hessische Landesbank)-Tochter Hannover Leasing GmbH entworfen. Möglicherweise hatte damit indirekt auch die Bertelsmann Stiftung etwas zu tun. (4)

Hier entscheidet ein Banker als geschäftsführender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft (KG), der Verträge mit atypischen Stillen Gesellschaftern abschließen kann. Kommanditist ist der Kreis. Politiker als gewählte Vertreter nehmen nur in einem Beirat beratend teil. Sogat eine formale Aufsicht des Unternehmens ist hier ausgeschaltet, da ja bei einer KG kein Aufsichtsratsorgan vorgeschrieben ist.

PPP als Steuersparmodell

Die erste Veröffentlichung in Sachen PPP durch die Bertelsmann-Stiftung erfolgte im Juni 2003: mit dem Titel PUBLIC PRIVATE PARTNERSHIP und E-GOVERNMENT- EINE PUBLIKATION AUS DER REIHE PPP FÜR DIE PRAXIS im Internet.

In dieser Studie wurden in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel verschiedene Formen, Instrumente und Entwicklungsschritte PPP dargestellt.

Etwa um die gleiche Zeit, als das 1. PPP-Papier der Bertelsmann Stiftung im Internet erschien, wurde in den hessischen Kreisen Waldeck-Frankenberg, Weilburg-Limburg, Marburg-Biedenkopf und dem Vogelsbergkreis das Bestreben einer großen nordrhein-westfälischen Stiftung bekannt, hier eine besondere Art der PPP, nämlich das Sale-and-lease-back (SLB) mit >Sparen< (oder besser: Entziehen) von Erbschafts- bzw. Erbschaftsersatzsteucr einzuführen. Dabei wollte die Stiftung ihr hoch zu versteuerndes Geldvermögen in dem weniger zu versteuernden Grundvermögen der Kreise (Schulen, Verwaltungsgebäude) anlegen (>investiercn<). Die Kreise sollten dann einen kleinen Teil der Steuerersparnis als sog. >Barvorteil< erhalten.(5)

Diese Übernahme der Immobilien von vier hessischen Kreisen zwecks Entziehung wesentlicher Teile der Erbschaftsersatzsteuer durch eine nordrhein-westfälische Stiftung mit dem SLB-Verfahren kam nicht zustande, weil diese Stiftung die öffentliche Diskussion über ein solches >Steuerschlupfloch< scheute, das sogar die Kritik des hessischen Finanzministcrs (u. a. als Kreistagsmitglied im Kreis Limburg-Weilburg) provoziert hatte.

Obwohl in dreien dieser Kreise der Grundsatzbeschluss für SLB mehrheitlich gefasst wurde, in zwei Kreisen sogar Verträge zum Zug kamen, konnten wegen der Rechtsform der beteiligten >atypischen stillen Gesellschafter< auch die beschließenden Abgeordneten nicht erfahren, um welche große Stiftung aus NRW es sich hier handelte. Von Anfang an war aber hier die Bertelsmann Stiftung im Gespräch.

Zu dieser Zeit lief in Frankfurt/Main ein Bürgerbegehren, welches dort zur Abwendung eines Cross-Border-Leasing-Projekts (CBL) bei der Frankfurter U-Bahn führte. Diese kritische Diskussion über das CBL wirkte sich im hessischen Raum negativ auch auf die Bewertung des SLB-Projekts aus. Man nannte damals u. a. auch das SLB ein »deutsches CBL< (CBL = Leasing >über die Grenzen hinweg«, meist um den niedrigeren ausländischen Steuersatz auszunutzen).

Dagegen wurde etwa gleichzeitig ein Betreiber-Modell zur Sanierung und Gebäudebewirtschaftung der Schulen des Kreises Offenbach verwirklicht, das in seiner PPP-Form keine Vermögens- und Steuerangelegenheiten, sondern nur Dienstleistungen berührte.

Wie aus PPP eingedeutscht ÖPP wurde

Auf Initiative der SPD waren bereits vorher in NRW PPP-Pilotprojekte begonnen worden, die in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung realisiert wurden.

Die SGK (Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik) brachte das PPP-Konzept eingedeutscht als ÖPP (Öffentliche Private Partnerschaft) in die Partei ein. Auf dem 2003er SPD-Bundesparteitag wurde dann ohne jegliche Diskussion der folgende Passus beschlossen, der in den dort vorliegenden Antrag A l (Leitantrag) »Unser Weg in die Zukunft« eingefügt war:

Neue Finanzierungswege für Zukunftsaufgaben


Der Finanzierungsbedarf öffentlicher Haushalte auf der einen Seite, das hohe Leistungsniveau des Staates und der erhebliche Bedarf an modernen Infrastrukturen auf der anderen Seite zwingen uns dazu, neue Finanzierungswege zur Bereitstellung von öffentlichen Leistungen zu gehen, die zukünftige Generationen nicht weiter belasten. Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) sind ein neuer Weg zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen und ein wichtiger Baustein bei der Modernisierung unseres Staatswesens. Mit ÖPP können öffentliche Leistungen nicht nur mit geringeren Kosten schneller und früher, sondern auch in höherer Qualität bereitgestellt werden.(6)

In der SPD kursierte ein ÖPP-Papier als ein Wegweiser für Kommunen, welche »Partnerschaften zwischen Staat und Privatwirtschaft in einem dritten Weg zwischen traditionellen Methoden und Öffentlicher Leistungserstellung und der Privatisierung staatlicher Vermögenswerte eröffnen« sollten. Herausgegeben wurde das Papier von Franz Müntefering, MdB und damals Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.(7)

Der Begriff »Bertelsmannisierung« kommt auf

Die 2. Veröffentlichung über PPP von Bertelsmann erschien 2004 mit einem praktischen Leitfaden, herausgegeben in Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Beamten, Anwälten usw. (sog. Initiative D21). Die betreffenden Personen versicherten ausdrücklich, damit ihre Privatmeinung auszudrücken, was in der Veröffentlichung besonders vermerkt war.

Im Vorwort wurde daraufhingewiesen, dass in Deutschland im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern, wo man pragmatischer handle, öffentliche Zwecke bzw. öffentliche Angelegenheiten nur von öffentlichen Bediensteten durchgeführt würden.

Im Unterschied zum angloamerikanischen Raum und einigen anderen Staaten setzten sich daher Public- Private- Partnership- Projekte in Deutschland erst allmählich durch. Das hängt sicherlich mit den Unterschieden in den Rechtssystemen, aber auch in Kultur und Mentalität zusammen.

Weiter heißt es darin: Die zunehmende Finanzknappheit der öffentlichen Hand auf allen drei Ebenen - Bund, Länder und Kommunen - habe jedoch zu einem Umdenken geführt.

Im Mai 2004 hatte die Bertelsmann Stiftung zusammen mit dem Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen ein Papier über Zukunftsstrategien vor Ort heraus gebracht. Es soll ein »Leitfaden für die Praxis« sein.

Hierin war von PPP und ÖPP unmittelbar nicht die Rede. Lediglich am Schluss war vermerkt:

Zu dem Themen-Schwerpunkt »Strategien für die Zukunft vor Ort erscheint bis zum Herbst 2004 außerdem: u. a  [...]. Public Private Partnership und E-Government.

Weiterhin war dort angegeben:

Alle Titel stehen nach Erscheinen auch als Downloads zur Verfügung unter http;//www.zukunftsstrategien-vor-ort.de.

Das dann von diesem Link herunter zu ladende neue Papier »Public Private Partnership und E-Government« enthielt nach einer Einführung in »Balanced E-Government - Herausforderungen heute« den Text des ersten Bertelsmann- PPP-Papiers mit einem Hinweis auf das zweite.

Diese so herunter zu ladende Schrift war offenbar nun die ministeriale Fassung (Richtlinie) für PPP in NRW, die durch eine Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung zustande gekommen war. Diesen Vorgang der Zusammenarbeit von Ministerium und Bertelsmann Stiftung bezeichneten später Kritiker als »Bertelsmannisierung« der Politik.

Handfeste Geschäfte

Die Bertelsmann AG war dann das erste Unternehmen, das mit seiner Tochterfirma Arvato im Rahmen der PPP öffentliche Verwaltungen als private Dienstleistungsbetriebe übernahm. Dazu liegen folgende Berichte vor:

In seinem Artikel im Mindener Tageblatt (26.2.05) »Arvato will Prozesse optimieren - Privater Dienstleister übernimmt Verwaltungsaufgaben in England« berichtet Michael Donhauser aus Gütersloh u. a. folgt :

Man könne zwar keine politischen Entscheidungen treffen, habe Rolf Buch geäußert, aber bestehende Vorgaben glaube man sehr gut umsetzen zu können. Gleichzeitig habe sich Arvato verpflichtet, in der Region hunderte neuer Arbeitsplätze zu schaffen.

Buch sehe im Dienstleistungsgeschäft mit der öffentlichen Hand einen schlafenden Riesen. Es würden Gespräche mit weiteren Interessenten in England geführt. Später ziele man natürlich auch auf Deutschland. Frühestens nach zwei bis drei Jahren rechne man hier mit ersten Gehversuchen.

Auch für den Deutschen Städtetag sei das Outsourcing &me Möglichkeit, kommunale Verwaltung effektiver zu machen. Ob eine solche Entscheidung angezielt werde, müsse jedoch im Einzelfall entschieden werden, habe ein dortiger Sprecher gesagt. Wichtig sei, dass die Qualität der kommunalen Dienstleistung nicht leidet.(8)
 
Die Internetseite http://www.german-foreign-policy.com vom 05.04.2005 enthielt den Bericht »Unter deutscher Verwaltung«. Hier wird darüber informiert, dass die deutsche Bertelsmann AG, Europas größter Medienkonzern, in Großbritannien hoheitliche Aufgaben übernommen habe. Ein Bertelsmann-Tochterunternehmen werde ab Juli 2005 den Großteil der öffentlichen Verwaltungsarbeit einer britischen Gemeinde erledigen. Das Vorhaben gelte der deutschen Firma als »Pilotprojekt von strategischer Bedeutung« zur Expansion in einen milliardenschweren Markt. Europaweit wolle Bertelsmann im Rahmen der »Public Private Partnership« in die z. Z. noch unter nationalstaatlicher Kontrolle stehenden Bereiche vordringen und Tätigkeiten des öffentlichen Gemeinwesens übernehmen.(9)

Lange musste man dann im Internet suchen, bis man etwas darüber fand, ob und wie dieses PPP-Geschäft zur Übernahme der »Kommunalen Verwaltung* verwirklicht worden ist. Endlich konnte man etwas finden:

So berichtete die Junge Welt (4.10.2005) über folgenden Vorfall:

Es sei kaum bekannt, dass die Arvato seit Juli den Großteil der öffentlichen Verwaltungsarbeit einer britischen Gemeinde erledige. Für mindestens acht Jahre habe die Bertelsmann-Tochter die Verwaltung der Gemeinde East Riding in Yorkshire übernommen. Rund 500 Mitarbeiter der Verwaltung würden zu Arvato wechseln. Ein deutsches Unternehmen erledige damit hoheitliche Verwaltungsaufgaben, die bisher dem britischen Staat unterstanden. Arvato manage die Gemeinde, erhebe Gebühren und ziehe Steuern ein. East Ridings Bürgermeister Stephen Parnaby sei voller Optimismus.

Für den Arvato- Chef Hartmut Ostrowski sei dieser Dienstleistungsvertrag ein Pilotprojekt von strategischer Bedeutung, ein »Schaukasten« für weitere Interessenten, nicht zuletzt für deutsche »Manager der öffentlichen Verwaltung«. Die deutsche Sektion des Europaverbandes der Selbständigen (BVD) erkenne in der Verwaltung der englischen Kleinstadt durch ein Bertelsmannunternehmen bereits ein zukunftsweisendes Modell. Nach Meinung des BVD-Präsidenten Kuni Both würden »die weiterwuchernden Personalkosten in uneffektiven öffentlichen Verwaltungen Deutschland endgültig in den Bankrott treiben«. Den Deutschen Städtetag kritisiere Both dabei aber zu Unrecht. Denn dieser halte das Outsourcing für eine von vielen Möglichkeiten, die kommunale Verwaltung effektiver zu machen, habe nur etwas gegen eine »komplette« Privatisierung, wie Both sie fordert, einzuwenden.

Durch Stiftungsprojekte und Kooperationen mit diversen Behörden und Institutionen forciere die Bertelsmann Stiftung seit Jahren die Umkrempelung des öffentlichen Dienstes in Service-Agenturen.

Das neue Tätigkeitsfeld sei für die Konzerntochter bei Bertelsmann ein beispielhaftes Vorzeigeprojekt. Man hoffe in diesem neu geschaffenen Markt auf viele neue Kunden und viele neue, in die Kassen von Arvato- Bertelsmann fließenden Mittel.

Arvato- Servicemanager Rolf Buch erblicke im Dienstleistungsgeschäft an Stelle der Öffentlichen Verwaltung »einen schlafenden Riesen«. Das schlummernde Marktvolumen belaufe sich allein in Großbritannien auf über acht Milliarden Euro pro Jahr. So sei es nicht verwunderlich, dass der Konzern den Einstieg in bisher öffentliche Dienste auch anderer europäischer Staaten auf dem Wunschzettel habe.

Mit den Public Private Partnerships wolle Bertelsmann also in die noch unter Öffentlicher, nationalstaatlicher Kontrolle stehenden Verwaltungsbereiche eindringen.(10)

In einem Interview vom 23.03.2005 hatte Hartmut Ostrowski, Arvato-Vorstandsvorsitzender, schließlich erklärt, hoheitliche Aufgabe des Staates sei es in heutiger Zeit vor allem, für Strukturen und Gesetze zu sorgen. Wie diese letztlich umgesetzt würden, sei keine Frage, mit der sich der Staat beschäftigen müsse.

Anfang 2006 erkläre Ostrowski gegenüber dem Hamburger Informationsdienst new bustness (www.new-business.de), dass Arvato eigens für sein neues Aufgabenfeld einen neuen Produkt-Bereich namens »Government Services« einrichten werde.(11)

Die Bertelsmann-Tochter Arvato gab dazu bekannt, in absehbarer Zukunft auch in Deutschland in das Geschäft der Übernahme kommunaler Dienstleistungen einsteigen zu wollen. Dazu gehöre auch das Eintreiben von Steuern und das Auszahlen von Beihilfen. Es gebe bereits Gespräche mit »drei deutschen Mittelstädten» (Ostrowski).(12)

So will also Ostrowski den Gesetzgebungsprozess immerhin dem Staat überlassen - gewiss unter völlig unabhängiger Beratung durch die Bertelsmann Stiftung und mit freundlicher, nur dem Gemeinwohl verpflichteter Begleitung durch die Bertelsmann-Medien. Willkommen in der BRD - Bertelsmanns Republik Deutschland.

Maßnahmen zur Durchsetzung von PPP: SPD vorn


Bei der Durchsetzung des PPP-Konzepts in der Bundesrepublik hat sich insbesondere die SPD-Führung hervorgetan, eine Aussage von Andreas Henke (Pressesprecher der Bertelsmann Stiftung) bestätigend: »Die Stiftung legt Konzepte auf den Tisch, die Politik setzt die Dinge um.« Die SPD-Politiker Wolfgang Clement und Peer Steinbrück sind energische Verfechter der >Öffentlich-Privaten Partnerschaft< . Auf der Ebene der Bundesministerien und in den Ministerialverwaltungen von Bundesländern sind eigene PPP- >task forces< tätig. PPP-Kompakt — Monatlicher Informationsbrief für Entscheide gibt Einblick in die umfangreichen >beratenden< Aktivitäten, die PPP-Vorhaben zum politischen Erfolg verhelfen.

Auf der EU-Ebene ist hier das GRÜNBUCH ZU ÖFFENTLICH-PRIVATEN PARTNERSCHAFTEN UND DEN GEMEINSCHAFTLICHEN RECHTSVORSCHRIFTEN FÜR ÖFFENTLICHE AUFTRÄGE UND KONZESSIONEN in den Blick zu nehmen.(13)

Dieses von der Europäischen Union herausgegebene Papier will gesamteuropäische Probleme der ÖPP klären. Die Verwendung des eingedeutschten Begriffes Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) lässt vermuten, dass die Initiative dazu von der damaligen deutschen (rotgrünen) Bundesregierung kam.

Juristische Unterstützung für PPP

Für die Bundesrepublik gilt das »Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlichen Privaten Partnerschaften und zur Verbesserungen gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften», in Kraft getreten am 08.09.2005.(14)

Dieses Gesetz wurde im vorhergehenden Bundestag noch vor seiner Auflösung am 30.06.2005 beschlossen. Nur sechs MdBs der Grünen kritisierten in einer Erklärung die zu hastige Beratung des Gesetzentwurfs, insbesondere das Fehlen einer öffentlichen Anhörung von Fachleuten in dem federführenden Ausschuss.

Klaus Brandner (SPD-MdB aus Gütersloh) kommentierte in der Debatte um das PPP-Beschleunigungsgesetz die Übernahme von Verwaltungen durch Private positiv. Am 30.06.2005 gab er u. a. dazu bei der zweiten Lesung die folgende Erklärung ab:

[...] Rolf Böhme, der frühere Oberbürgermeister von Freiburg, hat neulich in einem Zeitungsbeitrag dazu geschrieben: Die Entwicklung zu einer Gewährleistungsgemeinde, die nicht mehr selbst über ihre Ämter plant, ausführt und bewirtschaftet, sondern nur noch die Inhalte bestimmt und ihre Gewährleistung gegenüber der Bürgerschaft überwacht, ist vorgezeichnet. Die ÖPP-Modelle würden daher nicht nur Investitionen im öffentlichen Bereich, sondern auch Innovationen für die Struktur der öffentlichen Verwaltung insgesamt auslösen. [...]

Auch der Bundesrat stimmte noch vor Ende der Legislaturperiode am 08.07.2005 dem Gesetz zu.

Demokratieabbau und weniger Informationen

Mit der Unterstützung des PPP verliert die Bertelsmann Stiftung die Glaubwürdigkeit ihres Anspruchs, Demokratie und Informationsfreiheit fördern znterllen, Mit den fortlaufenden Teil-Privatisierungen beim PPP werden die großen internationalen Konzerne, die am ehesten solche langjährigen Verträge abschließen können, durch die Übernahme von bisher öffentlichen Vermögen und öffentlichen Funktionen immer mehr wirtschaftliche und politische Macht erhalten. In den bisher öffentlichen, aber nun bei PPP privaten Rechtsformen (insbesondere1 bei Kapitalgesellschaften) wird die demokratische Mitbestimmung der Bürger und der Beschäftigten beschränkt. Die bereits jetzt schon starke Exekutive (Verwaltung) wird die Legislative (Bürgervertretung) weiter schwächen, was zum Demokratieabbau führt. Die Bertelsmann AG erhält in den von ihr gemanagten »Verwaltungen' mehr Informationen, aber allein schon durch die privaten Rechtsformen gibt es nun mehr Möglichkeiten, Bürgern den Zugang zu Informationen zu verweigern.

Die zusammengeballte Macht von Staat und Wirtschaft (mit Konzernen und Verbänden) wird den Wettbewerb weiter einschränken. Dies gilt besonders für jene öffentlichen Güter und Dienstleistungen, die z. T. wegen ihrer Ortsgebundenheit monopolartigen Charakter haben und oft nur so rationell angeboten werden können. Die bereits früher in diesem Sinne durchgeführten Maßnahmen in der Energiepolitik zeigen dies bereits. Lediglich auf dem Arbeitsmarkt gibt es einen fortschreitenden Wettbewerb, der bei zunehmender Zentralisierung des eingesetzten Kapitals durch die abnehmende Nachfrage nach Arbeitskräften zu fortgesetztem Lohndumping führt.

Wie Kleinaktionäre enteignet werden können

Mit der Anwendung von Squeeze-Out bei AGs gegenüber den Kleinaktionären können große Teile des bisherigen Realvermögens des Staates in gemischtwirtschaftlichen (PPP-) Konzernen zwangsweise (durch >Enteignungen< gegen Bargeld) konzentriert, >kapitalisiert< und anonymisiert werden. Hier sind hauptsächlich Kleinanleger und Mittelständler betroffen.

Auch hier bei der Einführung dieses Verfahrens, das zum 01.01.2002 erfolgte und welches den >Hinauswurf< (Ausquetschen«, >Enteignung<) von den letzten (restlichen) 5 % Kleinaktionären durch den Großaktionär ermöglicht, hatte einer der Berteismänner die Hand im Spiel:

Als »Vater des Squeeze-Out« ist Michael Hoffmann-Becking (60) lt. untenstehender Quelle bekannt. Er »betreut als Anwalt und Ratgeber vor allem Großkonzerne (zum Beispiel RWE) und reiche Unternehmerfamilien. Die Mohns, die Quandts, die Stihls, die Boehringers (Ingelheim) und die Versandhauserbin Madeleine Schickedanz gehören zur feinen Kundschaft des Düsseldorfer Starjuristen. Im Aufsichtsrat des Medienkonzerns Bertelsmann ist Hoffmann-Becking gar dienstältestes Mitglied.(16)

Als Vorsitzender des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hat er mit seinen Kollegen diese neue Regelung vorgeschlagen, die dann auch im deutschen Aktiengesetz festgelegt wurde. 2004 wurde diese Möglichkeit in eine EU-Richtlinie übernommen . Dieses Verfahren kann man als die letzte Stufe der Privatisierung bezeichnen. Hier übernimmt ein großer Kapitalgeber, meist schon eine Kapitalgesellschaft (also keine natürliche Privatperson) zwangsweise die gesamte AG, sodass man den Vorgang schon nicht mehr als »Privatisierung«, sondern als >Kapitalisierung< bezeichnen müsste.(17)


Literatur


Bauer, Rudolph, 2006: »Bertelsmann - Kommerz statt Kommune«, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 7/2006, 863 ff

Rügemer, Werner, 2006: Privatisierung in Deutschland. Von der Treuhand au Public Private
Partnership, Münster

http://www.meinepolitik.de/ppp.htm

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ANMERKUNGEN :
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(1) Definition nach dem Internet-Lexikon Wikipedia, das sich u. a. auch auf das Gutachten des Bundesministeriums Verkehr, Bau, Wohnen MVBW) »PPP im öffentlichen Hochbau«, 2003 II: l beruft.
(2) Auszug aus dem Editorial zum PPP-Papier 1 von Bertelsmann, im Internet unter http://www.begix.de
(3) siehe http://www. meinepolitik.de/gevertra.htm
(4) vgl. dazu unten »Kommunen fördern Steuerentziehung zugunsten reicher Erben einer großen Stiftung aus NRW«.
(5)vgl. Oberhessische Zeitung vom 04.06.2003 mit dem Bericht »Durch Verkauf und Leasing auf einen Schlag Geld in der Kasse — Landesbank informierte Ausschüsse des Kreistags über ihre Vorschläge.«
(6)  vgl. Beschlussübersicht 35, 26 des SPD-Parteitages in Bochum im November 2003
(7)  dokumente Nr. 1/04 - Das Papier ist bzw. war im Internet unter
http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_rubrik/0,,1922,00.htm dokumentiert.
(8)  Der vollständige Artikel ist hier dokumentiert: http://www.meinepoiitik.de/pppberte.htm
(9)  Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/index.php?
lang=de&mode=detailed=search&mcat=archive&string_or=&string_not=&datc_start=
&date_end=&string_and=Bertelsmann&x=6&y=7
(10) Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/10-04/024.php - Thomas Ristow: »Ein Protektorat in Yorkshire - Bertelsmann über alles (Teil 1). Trojaner in England«
(11) lt. Berichten vom 27.03.2006 aus
http://www.presseportal.de/story.htx?nr=803200&search=bertelsmann und
http://www.az-direct.com/site/media/00050729.pdf?t=l144001168896
(l2) Quelle: http://www.handelsblatt.com/pshb/sfn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/
GoArt!200012,201197,1057185/SH/0/depot/0/index.html)
(13) Unter http://www.meinepolitik.de/gruenppp.htm und http://europa.eu.int/comm/internal_market dokumentiert
(14) Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr.56, ausgegeben zu Bonn am 07.09.2005
(15) lt. 17342 Deutscher Bundestag  - 15. Wahlperiode - 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005; vgl. auch http://www.meinepolitik.de/pppbuta2.htm
(16) zitiert aus »DIE 50 MÄCHTIGSTEN - Der Vater des Squeeze-out« von Andreas Nölting vom 10.07.2003 im Manager-Magazin, im Internet zu erreichen unter http://www.manager-magazin.de/unternehmen/maechrigste/0,2828,256576,00.html.
(17) Abschließend soll noch ergänzt werden, dass private Rechtstformen eher zu Korruption neigen, was auch für PPP-Geschäfte gilt. Dazu wird auf folgende Internetadressen hingewiesen:

-  Bericht  »Privatisierung fördert und legalisiert Korruption« unter     http://www.meinepolitik.de/pk3_neu.htm.

- »Atypische Stille Gesellschaft« unter http://www.meinepoutik.de/vertatyp.htm,

- »Immobilien-Gesellschaftsvertrag« unter http://www.meinepolitik.de/gevertra.htm,

- »Das Beiratsunwesen« unter http://de.wikipedia.org/wiki/Beirat.


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Dokument

Kommentar zum ÖPP- Beschleunigungsgesetz (Quelle http://www.meinepolitik.de/oeppges.htm)

von Hans-Georg Bodien (Herbst 2005)

(„Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften“)

 
oder:

Wie in parteiübergreifendem Konsens die politische Elite das Tempo der von der Wirtschaft geforderten >Entstaatlichung< erhöht, damit die Staatstätigkeit als Instrument zur Steuerung des gesamtgesellschaftlichen Gemeinwohls verrät und eigentlich originäre Aufgaben der öffentlichen Hand der profitorientierten Privatwirtschaft  überlässt

Einleitung

Unser Staat ruht auf vier, nach unserem Grundgesetz gleichrangigen Säulen:

Demokratie.  Sozialstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit.

Seit drei Jahrzehnten sind jetzt neoliberal berauschte Eliten aus Wirtschaft und Politik dabei – ihrem fanatischen Credo > mehr Markt, weniger Staat, Privatisierung, Flexibilisierung und Deregulierung folgend< -, die Säulen Sozialstaatlichkeit und Demokratie mit dem Presslufthammer zu traktieren. Die Konsequenzen sind auf der einen Seite schmerzhafte Einschnitte in die Sozialversicherungen, massive Einschnitte in Arbeitnehmerrechte und Massenarbeitslosigkeit, verbunden mit einem steilen Anstieg der Armut, und auf der anderen Seite eine rasante Vermehrung des Reichtums weniger. Weiter ist als Folge dieser Politik ein dramatisches Einbrechen der Steuereinnahmen und damit verbunden ein gigantisches Anwachsen der Staatsverschuldung zu verzeichnen (1,46 Billionen EURO, die daraus resultierende Zinslast beträgt ca. 67,6 Milliarden EURO. Nutznießer dieser Situation sind besonders die vermögenden Bevölkerungsschichten, die als Gläubiger des Staates auftreten).

 Über wahnwitzige Geldbeschaffungsmaßnahmen auf der Grundlage der Beihilfe zum Steuerentzug versucht die öffentliche Hand der finanziellen Mangelsituation zu entfliehen. Cross-Border-Leasing-Deals (CBL) mit irrsinnig langen Vertragslaufzeiten (häufig 99 Jahre) -  und noch nicht abzuschätzenden Folgen für den Steuerzahler einer Reihe großer Städte -  sind dafür ein erschreckendes Beispiel.

 Ein weiteres fragwürdiges Geldbeschaffungsmodell ebenfalls auf der Basis der Beihilfe zum Steuerentzug – welch Defizit an Gesamtverantwortung für unser Gemeinwesen -  sind die Sale-and-lease-back- Geschäfte (SLB) der öffentlichen Hand.

Seit geraumer Zeit heißt nun die Zauberformel für die Lösung öffentlicher Finanznot ÖPP oder PPP. Darunter ist offiziell die Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure beim Planen, Bauen, Finanzieren, Sanieren, Instandhalten und Bewirtschaften öffentlicher Infrastruktur wie Schulen, Turnhallen, Verwaltungsgebäude, Straßen, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Müllentsorgung, Krankenhäuser u.ä. zu verstehen. ( Hier sollte schon einmal erwähnt werden, dass längst private Dienstleister in den Startlöchern stehen, die die Übernahme von Verwaltungsaufgaben anstreben. Zu nennen wäre hier der Dienstleistungskonzern Arvato, eine Bertelsmann – Tochter. Arvato tritt mit dem Slogan auf, Auswüchse der Bürokratie zu beseitigen, und hat in Großbritannien bereits die Verwaltung in der Gemeinde Bast Riding (350000 Einwohner)übernommen.

So sieht Rolf Buch, Vorstandsmitglied des Dienstleistungskonzerns Arvato, im Dienstleistungsgeschäft mit der öffentlichen Hand einen schlafenden Riesen und rechnet mit den ersten Gehversuchen im Inland in zwei bis drei Jahren. (Quelle: Mindener Tageblatt vom 16.02.05).

Die Ö(P)PP-Modelle beruhen auf einem gemeinsamen Konzept von Bund, Ländern und besonders der Bauwirtschaft. Einen eifrigen Verfechter dieser Modelle finden wir seit Jahren in Gerhard Schröder, dem Spitzenkandidat der SPD für die Bundestagswahl am 18.September 2005, dem Ex-Kanzler der rot-grünen Koalition und erklärten Merkel – Wähler am 22. November 2005 und dem Berater des größten Verlagshauses (Ringier) der Schweiz (aktiv ab Januar 2006). So wirbt die Hannover Leasing GmbH und Co. KG  bereits im Juli 02 mit einer Äußerung Schröders , nach britischem Vorbild werde man künftig stärker mit der Privatwirtschaft beim Bau, der Sanierung und Bewirtschaftung von Schulen, Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern u.ä. zusammenarbeiten. Folgerichtig hat dann auch im Herbst 2003 der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stolpe den Zuschnitt des Steuerrechts auf Ö(P)PP gefordert.

Am 8.September 2005 ist nun das ÖPP- Beschleunigungsgesetz in Kraft getreten (am 30.06.05 vom Bundestag bei wohlwollender Enthaltung der Fraktionen von CDU/CSU und FDP beschlossen und am 8.Juli 05 vom Bundesrat durchgewunken). Die SPD-Bundestagsfraktion reklamiert es als ihr Projekt. So heißt es dazu auch in einer überschwänglichen  Erklärung der SPD-MdBs und Mitglieder der Projektarbeitsgruppe „ÖPP- Beschleunigungsgesetz“ Ludwig Stieler, Klaus Brandner und Michael Bürsch vom 07.09.05:

„Beim Gebühren-, Vergabe-, Steuer- und Haushaltsrecht sowie bei den Finanzierungsbedingungen hat das ÖPP- Beschleunigungsgesetz jetzt gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die Hemmnisse und Unklarheiten beseitigen, die die Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) in Deutschland bisher erschwert haben.“

 Schlichter ausgedrückt bedeutet dies nichts anderes, als dass das Gebühren-, das Vergabe- und Vertragsrecht, das Steuer- und Haushaltsrecht zugunsten privater Investoren für ÖPP- Deals passend gemacht wurde.

Zur Entstehung des Gesetzes (Quelle: SPD >dokumente Nr.03/05)

Hierzu wurde von der Bundestagsfraktion der SPD  extra eine Projektarbeitsgruppe „ÖPP- Beschleunigungsgesetz“ mit fünf Kompetenzgruppen installiert. Die Leitung  hatte MdB Dr. Michael Bürsch. Eine riesige Armada von internen und externen Beratern wurde herangezogen, darunter besonders Vertreter verschiedener, teilweise weltweit agierender Unternehmensberatungs-, Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Finanzierungsgesellschaften und Großkanzleien.  Beteiligt waren:

Die PPP-task force im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit ihren Vernetzungen in die entsprechenden Landesministerien von NRW und Rheinland-Pfalz

Mit task force wird im Englischen beim Militär eine Spezialeinheit zur Erledigung einer besonders schwierigen Aufgabe und bei der Polizei eine Gruppe von Spezialisten für die Bekämpfung besonders schwerer Kriminalität bezeichnet. Die PPP-task force ist in Anlehnung daran also ein ministerielles Spezialteam mit besonderem Auftrag, der darin besteht, privatem Kapital den direkten Zugriff auf eigentlich öffentliche Aufgaben zwecks Gewinnmaximierung zu ermöglichen.

Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Berlin

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Berlin

Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, Berlin
Diese Gesellschaft gehört zu 100% dem Bund.

Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands, Berlin

Landesbank Hessen-Thüringen
Die HELABA gehört zu 85 % den Sparkassen Hessens und Thüringens, zu 10% dem Land Hessen und zu 5% dem Land Thüringen. Sie hält 50% der Anteile an der Hannover Leasing GmbH & Co KG. mit Sitz in Bayern.

Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH, Köln
(Diese Gesellschaft ist ein Unternehmen des Bundesverteidigungsministeriums; hier sitzen also die Privatisierungsspezialisten im Bereich der Bundeswehr).

Bundesverband Deutscher Banken, Berlin

Verband deutscher Hypothekenbanken, Berlin

 BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V., Berlin

BWS  GmbH, Freiburg

Pricewaterhouse Coopers, Frankfurt

KPMG Berlin und KPMG Corporate Finance, Frankfurt
Der Beratungs-Multi ist in 142 Ländern vertreten. Er ist laut Eigenwerbung >die weltweit größte Organisation  im Bereich professionelle Dienstleistung<. Auch heißt es auf der Webseite der KPMG – Deutschland : „ ... KPMG bietet Ihnen hochwertige Beratung für die Optimierung Ihrer Steuerbilanzpolitik....Die globale Präsenz hilft Ihnen beim Erkennen steuerlicher Fallstricke – und natürlich auch der Gestaltungsspielräume – in aller Welt...“(Quelle: Hans Weiss / Ernst Schmiederer , Asoziale Marktwirtschaft (Insider aus Politik und Wirtschaft enthüllen, wie die Konzerne den Staat ausplündern), Köln 2005)

Westdeutsche Kommunal Consult GmbH (Sie ist eine 100% Tochter der WestLB)

NORTON ROSE, Brüssel

VBD Beratungsgesellschaft für Behörden mbH, Berlin

Serco GmbH & CO KG, Bonn
Dieses Unternehmen ist auch tätig für das Land Hessen in der ersten teilprivatisierten Justizvollzugsanstalt Hünfeld.

Linklaters Oppenhoff & Rädler, Berlin

Hammonds, Berlin

Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg

Servatius Rechtsanwälte, Hamburg

 Clifford Chance, Frankfurt

 Deloitte & Touche, München.

Nach Auskunft aus der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem BMVBW sollen die externen Berater keine Kosten verursacht und nur ihren Sachverstand eingebracht haben. Dies lässt die Deutung zu, dass sie akquisativ tätig waren in der Gewissheit für lukrative Folgeaufträge.

Zum Gesetz selbst

Das ÖPP- Beschleunigungsgesetz  bringt PPP- freundliche Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Vergabeordnung.

Die Änderung des Fernstraßenbaufinanzierungsgesetzes ermöglicht nun privaten Betreibern beim Ausbau von Bundesfernstraßen die Refinanzierung durch eine private Entgeltregelung.

Die Änderung der Bundeshaushaltsordnung gestattet jetzt die Veräußerung von unbeweglichen Vermögensgegenständen, die zur Erfüllung von Aufgaben des Bundes weiterhin benötigt werden, wenn auf diese Weise die Aufgaben des Bundes nachweislich wirtschaftlicher erfüllt werden können.

Auch ändert das ÖPP- Beschleunigungsgesetz das Grunderwerbssteuergesetz und das Grundsteuergesetz. Die Änderung des Grunderwerbssteuergesetzes sieht die Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei der Übertragung von Grundstücken an PPP – Projektgesellschaften vor, solange sie für hoheitliche Zwecke genutzt werden – unter der Voraussetzung einer Rückübertragung am Ende des Vertragszeitraums.

Die Änderung des Grundsteuergesetzes stellt sicher, dass der der  öffentlichen Hand für einen bestimmten Zeitraum im Rahmen einer ÖPP überlassene Grundbesitz von der Grundsteuer befreit ist. Ohne Bedeutung ist dabei, ob der private Auftragnehmer den PPP – Grundbesitz von der öffentlichen Hand erhalten oder auf dem Grundstücksmarkt selbst erworben hat.
(Nach Auskunft aus der SPD-Fraktion strebt man noch eine möglichst schnelle Änderung des Umsatzsteuerrechts (also eine Befreiung von der Umsatzsteuer für PPP-Beteiligte) an, denn die bisherige Regelung diskriminiere die ÖPP- Variante gegenüber der Eigenerstellung durch die öffentliche Hand).

Die Änderung des Investmentgesetzes eröffnet offenen Immobilienfonds den Zugriff auf Beteiligungen an Ö(P)PP – Projektgesellschaften in der Betreiberphase.

Reaktionen


Auf den Webseiten nicht nur der Bauindustrie jubelt man ob der leeren öffentlichen Kassen und freut sich nun auf einen Boom für PPP-Projekte.

Allerdings geht dem Bundesverband der Deutschen Industrie das ÖPP- Beschleunigungsgesetz nicht weit genug. So heißt es in einer Presseverlautbarung von BDI-Präsident Jürgen R. Thumann vom 08.09.05 dazu: „Die nächste Bundesregierung muss das Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) schnell und umfassend voranbringen. Das aktuelle ÖPP- Gesetz ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr aber leider nicht....

Wenn wir solche Privatisierungsmodelle in Deutschland voranbringen wollen, brauchen wir mehr als dieses legislative Feinjustieren. Uns fehlt eine nationale Strategie, mit der wir Vorfahrt für die Privatisierung oder Teilprivatisierung öffentlicher Leistungen schaffen.“

Und die große Privatisierungskoalition hat ihn erhört (Vergleiche die Koalitionsvereinbarungen „Gemeinsam für Deutschland“, was in diesem Punkt besser „Gemeinsam für das Kapital“ hieße.
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 Zwischenbemerkung: Der ehemalige Ministerpräsident von NRW, Steinbrück (hier bereits ein Verfechter von ÖPP und Verlierer der Landtagswahl als SPD - Spitzenkandidat) und neue Bundesfinanzminister z.B. will bis 2009 Bundeseigentum – hier vor allem Immobilien – im Werte von 54 Milliarden EURO verscherbeln. So war es den Medien zu entnehmen.

Ist dies der Einfluss des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der als Brachialprivatisierer in Hessen  Landesimmobilien im Rahmen Operation „Sichere Zukunft“ verhökert hat und weitere verkaufen will(Behördenzentrum Ffm., Ministerien, Gerichtsgebäude, Polizeipräsidien etc. mit anschließender Zurückmietung mit Mietverträgen bis zu 30 Jahren; Käufer der landeseigenen Immobilien:  Commerzbank Immobilien GmbH, ein Unternehmen der Commerz Leasing und Immobilien Gruppe )? Was hier noch wichtig ist und Rückschlüsse auf eigenwilliges demokratisches Procedere zulässt : Die Veräußerungen wurden notariell getätigt, noch bevor der Landtag zugestimmt hat. So war es in der Zeitung zu lesen. Weiter bereitet Koch den Verkauf der Universitätskliniken Gießen und Marburg vor - unter Ausschluss der Öffentlichkeit, also im Stile eines feudalen Landesfürsten. Verantwortlich ist er einerseits auch für einen nicht verfassungskonformen Haushalt und eine dramatische Verschuldung Hessens, andererseits hat er aber durch den Ankauf eines Schlosses für über 13 Millionen EURO einem Grafen „den besten Deal seines Lebens“ ermöglicht. Auch ist er hauptverantwortlich für das riesige Finanzdefizit der Hessischen Landkreise, das sich inzwischen auf 1,2 Milliarden EURO beläuft .

Nicht nur in diesem Zusammenhang muss dringend einmal hinterfragt werden, ob die Wahl unserer Volksvertreter gleichzeitig eine Legitimation darstellt, öffentliches Eigentum – also das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger – je nach Bedarf zur Manipulationsmasse zu machen. Ist es nicht vielmehr so, dass die gewählten Volksvertreter (sowohl als Parlamentarier als auch Inhaber eines Amtes) mit der Übernahme ihres Mandates zu Treuhändern des Vermögens der Bürgerinnen und Bürger werden, öffentliches Eigentum also verwalten und vermehren sollen? Es darf nicht sein, dass öffentliches Eigentum einen geringeren  Stellenwert besitzt als Privateigentum, das durch das Grundgesetz einen außerordentlich hohen Schutz genießt. Es ist höchste Zeit, dass die dem Gemeinwohl verpflichteten Volksvertreter auf allen Ebenen unseres Gemeinwesens sich wieder mit dem öffentlichen Eigentum identifizieren und es garantieren, vor allem auch in Verantwortung für nachwachsende Generationen.
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Auch verhehlen Großkanzleien, Banken, Finanzierungsgesellschaften, Unternehmensberatungsgesellschaften etc. ihre Genugtuung nicht, eröffnet ihnen doch PPP ein riesiges Geschäft.

Ebenso Seminaranbieter zum Thema Ö(P)PP wittern für sich ein gutes Geschäft. So sehen wir z.B. auf der Seite von >Euroforum Deutschland GmbH<  ein Seminarangebot unter dem Titel > Frischer Wind für Öffentlich-Private Partnerschaften< .

Diese Gesellschaft wirbt für dieses Seminar mit Referenten von  Freshfield Bruckhaus Deringer, Servatius Rechtsanwälte und PricewaterhouseCoopers als Experten aus der Projektarbeitsgruppe „ÖPP- Beschleunigungsgesetz“, die „...die Grundlage des verabschiedeten Gesetzentwurfs geschaffen haben.“ Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Besondere Erwähnung verdient, dass Euroforum Behördenvertretern Sonderpreise für die Teilnahme an ihren PPP-Seminaren einräumt.

 Die IHK(Industrie- und Handelskammer) Frankfurt/M. – die Industrie- und Handelskammern (in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts) sind schlagkräftige Instrumente für privatwirtschaftliche Profitinteressen mit großem Einfluss  auf Gesetzgebung und Kommunalpolitik – sieht in dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz dann auch neuen Rückenwind für Public Private Partnership. So heißt es in einer ersten Stellungnahme dazu, dieses Gesetz  sei „ein weiterer Meilenstein auf einem Weg, der das Entstehen eines finanzträchtigen PPP-Marktes in Deutschland unterstützt.“

Exkurs: ÖPP in der Praxis

Toll Collect ist wohl das bekannteste PPP-Projekt und sicherlich nicht geeignet eine Privatisierungseuphorie auszulösen. Als Berater treffen wir hier schon auf die Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.

Monheim in NRW und der Landkreis Offenbach sind die bekanntesten PPP-Schulprojekte, die schon lange vor dem ÖPP- Beschleunigungsgesetz vereinbart wurden.

Hier soll nur ein kurzer Blick auf den Landkreis Offenbach mit einem CDU-Landrat geworfen werden, wo seit Oktober 04 bzw. Januar 05 ein solches Projekt läuft.

In einem so genannten >Betreibermodell< hat man hier die Sanierung und Bewirtschaftung der Schulen an eine Tochter von >Hochtief< und die > SKE Mannheim< - ein Unternehmen der VINCI- Gruppe Paris – gegeben.> Hochtief< *  und >VINCI< sind weltweit führende Unternehmen in der Bauwirtschaft. Das Gesamtauftragsvolumen liegt bei etwa 800 Millionen EURO. Die Verträge mit einer Preisgleitklausel laufen über 15 Jahre. Der Kreis zahlt über die gesamte Laufzeit ein Nutzungsentgeld von 57 Millionen EURO jährlich. Die Beratungskosten für das Zustandekommen der Verträge werden auf bis zu 30 Millionen EURO geschätzt; eine Summe zwischen 10 und 30 Millionen EURO auf Nachfrage im Landratsamt wurde nicht dementiert. Unter den Beratern war auch hier Freshfield Bruckhaus Deringer. Das Geschäft wird über eine extra installierte Projekt-Gesellschaft abgewickelt, an der der Kreis geringfügig beteiligt ist. Offiziell wird behauptet, dass der Kreis mit diesem Modell 15-20 % Kosten einspare, was nicht nachvollziehbar ist, wollen doch neben den Beratern auch die Betreiber selbst und ihre Geldgeber einen möglichst hohen Gewinn aus einem solchen Deal herausschlagen. Eine sukzessive  durchgeführte Sanierung der Schulen mit billigen Kommunalkrediten wäre sicher billiger gewesen. (* Hochtief ist der weltweit drittgrößte Baukonzern und in Sachen Privatisierung auch international tätig. In Deutschland gilt Hochtief als Marktführer im Bereich PPP. Unter der Überschrift >Hochtief mit Gewinnsprung< liest man in der Süddeutschen Zeitung vom 18.11.05 über den veröffentlichten Nettobarwert der fünf Flughäfen- und zehn PPP-Projekte des Konzerns. Wörtlich heißt es hier dazu: „Deren Wert gibt Hochtief mit 870Millionen EURO an. Bei einem investierten Kapital von 530 Millionen EURO errechnet sich ein Mehrwert von 340Millionen EURO.“)

Der Kreistag hat sich mit der Einwilligung für diesen Deal über drei Legislaturperioden hinweg in Sachen Schulinfrastruktur aus seiner Entscheidungs- und Kontrollgewalt verabschiedet und sich damit selbst entmachtet.

(Böse Zungen behaupten, dass die Zustimmung der SPD-Kreistagsfraktion zu diesem Projekt mit einem hauptamtlichen Kreisbeigeordneten belohnt wurde.)

Fazit


Das ÖPP- Beschleunigungsgesetz  bestätigt einmal mehr die erschreckende Leichtigkeit der politischen Elite, einseitig die Interessen der Wirtschaft ( hier der Großen der Bau- und Finanzwirtschaft) zu bedienen. So erhöht das Gesetz die Attraktivität für Ö(P)PP – Interessenten (s. Reaktionen) nicht zuletzt wegen der geschaffenen und noch zu erwartenden steuerlichen Ausnahmetatbestände für die „ÖPP – Variante“ der eigentlich öffentlichen Aufgabenerfüllung.

Nutznießer der „ÖPP – Variante“ sind primär Konzerne der Bauindustrie, Banken, Finanzierungsgesellschaften, Großkanzleien, Unternehmens- und Steuerberatungsfirmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Auf der kommunalen Ebene sind  Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister Nutznießer solcher ÖPP-Deals, behalten sie doch ihre Bezüge, obwohl ganze Abteilungen profitorientierten Unternehmen überantwortet werden. Ja sie und andere entscheidende Politiker können sogar ihre Einkünfte kumulieren – von daher so beliebt - , nämlich über Mitgliedschaft in Aufsichtsgremien und Beiräten in privatrechtlich organisierten Gesellschaften, die extra zur Abwicklung solcher ÖPP-Geschäfte installiert werden.

 Zu den Verlierern gehören zweifellos die kleinen und mittleren Unternehmen des Bau- und Handwerksbereichs. Sie sind aufgrund ihrer Eigenkapitaldecke und mangelnder Kreditwürdigkeit bei den Banken nicht in der Lage, als PPP - Unternehmen in den Markt zu gehen. Diese Unternehmen werden zu Opfern der Marktmacht weniger Großunternehmen, können sie doch selbst als Subunternehmen den Renditeansprüchen der Großkonzerne nicht genügen. (So bezweifelt sogar die IHK Frankfurt neue Marktchancen für diese Unternehmen durch PPP). Die Folgen werden Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste in hoher Zahl sein, wenn Aufträge von der öffentlichen Hand ausbleiben.

 Auch der öffentliche Dienst wird im Rahmen von ÖPP Stellenabbau erfahren, nicht zuletzt wegen der Verschiebung einer erheblichen Zahl von Angestellten in privatrechtlich organisierte ÖPP – Projektgesellschaften. Damit werden tarif- und arbeitsrechtliche Standards des öffentlichen Dienstes zur Disposition gestellt. Arbeitsplatzverluste sind vorprogrammiert.

Die „ÖPP - Variante“ führt besonders auf der kommunalen Ebene zur langfristigen Bindung von Haushaltsmitteln (15 – 30 Jahre) und damit zur Verkleinerung des politischen Gestaltungsspielraumes. Besonders gravierend ist es, dass Amts- und Mandatsinhaber mit solchen ÖPP- Deals zur massiven Entziehung demokratischer Kontrolle eigentlich öffentlicher Angelegenheiten beitragen und so der Säule Demokratie unseres Staates erheblichen Schaden zufügen.

In der Begründung zum ÖPP – Beschleunigungsgesetz heißt es, mit Öffentlichen Privaten Partnerschaften werde eine dauerhafte, in beiderseitigem Vorteil liegende, dem Gemeinwohl dienende Kooperation zwischen öffentlichen Händen und Privatwirtschaft angestrebt. Insofern stellten ÖPP einen wichtigen Baustein zur Modernisierung des Staates dar(Quelle: SPD>dokumente Nr. 03/05).

Wenn nun bei der „ÖPP – Variante“ wichtige Aufgaben der eigentlich öffentlichen Daseinsvorsorge privatem Gewinnstreben unterworfen werden mit den Konsequenzen eines verstärkten Personalabbaus und der Absenkung der Einkommens- und Sozialbedingungen, wenn mit dieser „ÖPP – Variante“ demokratische Entscheidung und Kontrolle über Infrastruktur und der damit verbundenen Verpflichtungen über Jahrzehnte ausgehebelt werden, wer dann noch von einer dem Gemeinwohl dienenden Kooperation zwischen öffentlichen Händen und Privatwirtschaft spricht und ÖPP als einen wichtigen Baustein zur Modernisierung des Staates bezeichnet, pervertiert die eigentliche Bedeutung von Gemeinwohl und Demokratie. Politische Ö(P)PP – Vollstrecker handeln also im Interesse von Konzernen und ihren Geldgebern und nicht im Interesse des Allgemeinwohls.

Eine breite Allianz der Bevölkerung, Gewerkschaften und Parteien ist daher notwendig, um ÖPP- Projekte schon in der Anfangsphase zu stoppen. Gleichzeitig muss Druck auf den Gesetzgeber gemacht werden, über eine überfällige Steuerreform die Staatsfinanzen so zu sanieren, dass alle Ebenen unseres Gemeinwesens wieder handlungsfähig werden.