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Westfalenblatt vom 22.05.2007 : http://www.westfalenblatt.de/nachrichten/generator/reg_show.php?id=6611&TB_i
Hinter
diesen Gebäuden vermutet der Bund demokratischer Wissenschaftler ein »Netzwerk
der Macht«. In einem neuen Buch fragen sie, wer die Bertelsmann Stiftung
glaubwürdig kontrolliert von Stephan Rechlin Gütersloh (WB).
Der Bund demokratischer Wissenschaftler hat in Gütersloh ein »Netzwerk der
Macht« aufgespürt - so lautet der Titel des neuen Buches über die Bertelsmann Stiftung.
34 Autoren beziehen darin Front gegen die 30 Jahre alte Stiftung.
Das Ergebnis steht im Vorwort fest. Die Bertelsmann Stiftung ist ein
neoliberaler »Think Tank« (politischer Beratungskonzern), der Erkenntnisse aus
dem betriebswirtschaftlichen Rechnungswesen auf alle gesellschaftlichen
Bereiche überträgt. Die Autoren streben an, die privaten Interessen hinter dem
angeblichen Gemeinwohlinteresse aufzudecken.
Der Anspruch ist legitim. Nun müssten Beiträge mit Quellenangaben und
Schlussfolgerungen dieses Ergebnis nur noch nachvollziehbar stützen. Doch daran
hapert es an vielen Stellen. Frank Böckelmann, der gemeinsam mit Hersch
Fischler das Enthüllungsbuch »Bertelsmann - Hinter der Fassade des
Medienimperiums« geschrieben hat, fand angeblich heraus, dass in den
Gütersloher Stammbetrieben Unmut und Verachtung gegenüber der Konzernleitung
schwelen. Wen er dazu befragt hat, bleibt offen - die jüngsten
Mitarbeiterbefragungen kommen zu anderen Resultaten.
Über drei Seiten erstreckt sich seine Liste jener Politikfelder, auf denen die
Stiftung erfolgreich Einfluss auf Reformprojekte und Gesetzes- Initiativen
genommen haben soll. Träfen die Fälle zu, wäre der Stiftungsvorstand vermutlich
erfreut. Bisher dürfte ihn eher die Sorge geplagt haben, zu viel beschriebenes
Papier nur für die Schublade produzieren zu lassen.
Die Töchter CAP und CHE, Schlaganfall-Stiftung, Kultur-Stiftung, die hohe Zahl
von Projekten, die Nähe der Stiftung zu den Führungskräften aus Politik,
Wirtschaft und Medien, die unbekümmerte Vermischung zwischen Bertelsmann AG und
Stiftung in den Führungsgremien - immer wieder stellen die Autoren die Frage,
wer diesen unübersichtlichen Komplex eigentlich kontrolliert, glaubwürdig
kontrolliert. Eine Vermutung, wie das System funktionieren könnte, stellt
Rudolph Bauer an.
Der Medienapparat Bertelsmann AG puscht gesellschaftliche Probleme, die
Stiftung schlägt neoliberale Lösungen vor, die dann wieder über die Medienmacht
des Konzerns und informelle Kanäle in den Regierungsapparat einfließen. Professoren
wie Werner Weidenfeld werden eingebunden und zu »servilen Hilfskräften« der
Stiftung.
Doch mit Auszügen aus Geschäftsberichten, Sekundärliteratur und aus
bertelsmannkritischen Internetforen lassen sich solche Verschwörungs-Theorien
nicht beweisen. Besser ist das Buch an Stellen, an denen weniger hoch gezielt
wird. Ein Beitrag etwa spießt die mitunter abstrusen Ranking-Verrenkungen der
Stiftung auf, ein anderer stellt die medienpolitische Arbeit der Stiftung in
Beziehung zum Geschäftsgebaren der Bertelsmann AG. Diese Beziehungen zielen auf
einen wunden Punkt der Stiftung - den der Berechtigung von
Steuervergünstigungen aufgrund von Gemeinnützigkeit.
Wernicke, Jens, Bultmann, Torsten: Netzwerk der Macht - Bertelsmann. Marburg
2007.
Westfalen-Blatt