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Gastbeitrag

Der Staat ist der Verlierer

Wenn eine Stadt ihr Rathaus verkauft und wieder anmietet, gehen Steuereinnahmen verloren

Gewinner beim Sale-and-lease-back-Verfahren sind Kommunen, Landkreise und Investoren: Sie verdienen Geld damit. Doch es gibt auch Verlierer bei diesem Steuersparmodell "Kaufen und wieder zurückmieten": Der Staat muss mit Steuerausfällen rechnen. Und das Innenministerium als Aufsichtsbehörde der Kommunen hat auch Bedenken. Deshalb ist dieses Finanzierungsmodell aus gesamtwirtschaftlicher Sicht abzulehnen, sagt Ulrich Fried. Der FR-Gastautor ist Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Hessen e.V.

Von Ulrich Fried

WIESBADEN. Keine Frage, die Kommunen in Deutschland befinden sich in einer schwierigen finanziellen Lage. Das gilt auch für die hessischen Landkreise, Städte und Gemeinden. Selbst wenn einige ihre Haushalte noch ausgleichen können, steigt die Zahl derer, die dazu nicht mehr in der Lage sind und beängstigend hohe Defizite vor sich herschieben. Da ist es verständlich, dass nach Wegen gesucht wird, aus der Finanzklemme herauszukommen. Dabei haben sich in den vergangenen Jahren den Kommunen neue, innovative Formen der Mobilisierung von Finanzmitteln eröffnet. Neben dem Cross-boarder-Leasing ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Sale-and-lease-back-Verfahren zu nennen.

Der Vorgang lässt sich vereinfacht so darstellen: Eine Kommune verkauft ein ihr gehörendes Wirtschaftsgut (Gebäude oder Anlage) an einen privaten Investor. Dieser stellt das Wirtschaftsgut umgehend der Kommune gegen ein Entgelt wieder zur Verfügung. Der Verkaufserlös verschafft der Kommune liquide Mittel, die dann für den Haushaltsausgleich oder für Investitionen eingesetzt werden können.

Eines der ersten Sale-and-lease-back-Geschäfte, das bundesweit für Aufsehen sorgte, war der Verkauf des Frankfurter Technischen Rathauses. 1994 wurde es für 148 Millionen Mark verkauft und gleichzeitig für zwölf Jahre von der Stadt zurück gemietet. Gleichzeitig war der Rückkauf nach Ablauf dieser Frist für 135 Millionen Mark vereinbart worden. Den Barwertvorteil, der sich für die Stadt aus der Differenz zwischen den Zinsen für einen Kommunalkredit und den niedrigeren Leasingraten ergibt, bezifferte der damalige Kämmerer auf 11,2 Millionen Mark. Möglich ist dies durch eine ganz legale Gestaltungsmöglichkeit im Steuerrecht, in dem Immobilienvermögen geringer besteuert wird als Geldvermögen. Kapitalkräftige Investoren oder vermögende Stiftungen kommen als Erwerber in Frage und können damit Steuern sparen.

Seit Frankfurt den Reigen für diese Art von kommunaler Geldschöpfung eröffnet hat, sind im Laufe der Jahre zahlreiche andere Kommunen dem Beispiel gefolgt. Und zurzeit geht es Schlag auf Schlag. Der Vogelsbergkreis will Schulen und Verwaltungsgebäude verkaufen und wieder zurückmieten. Der Kreis Waldeck-Frankenberg will mit dem Verkauf von rund 100 Liegenschaften an frisches Geld kommen, und im Landkreis Limburg-Weilburg wird an den Verkauf von Schulen, Turnhallen und Verwaltungsgebäuden im Wert von über 300 Millionen Euro gedacht. Da die Erlöse auf Treuhandkonten geparkt werden, von denen die Leasingraten bedient und die vorab vereinbarten Rückkaufpreise gezahlt werden können, gibt es aus Sicht der Veräußerer bei diesen Geschäften keinerlei Risiken.

SALE- AND-LEASE-BACK

Beim Steuersparmodell "Verkaufen und zurückmieten (Sale and lease back)" profitieren große Stiftungen und andere Geldgeber auf der einen Seite sowie Städte und Landkreise, die ihre Immobilien befristet verkaufen, auf der anderen. Die Stiftungen wollen bei dem Geschäft Erbersatzsteuer sparen und die Kommunen Geld verdienen. Stiftungen sind auf Dauer angelegt. Um zu verhindern, dass nur einmal Erbschaftsteuer anfällt, legt der Gesetzgeber alle 30 Jahre den fiktiven Erbfall zu Grunde – so, als würde die Stiftung vererbt und deshalb Steuer fällig. Um diese Steuerbelastung zu verringern, nutzen Stiftungen den Vorteil des Bewertungsgesetzes, nach dem Immobilien niedriger taxiert werden als Barvermögen: Sie steigen bei Objektgesellschaften der Kommunen als stille Teilhaber ein. Die Kommunen verkaufen nun ihre Schulen und Verwaltungsgebäude an diese Gesellschaften. Das Geld aus dem Verkauf wird bei der Bank hinterlegt. Aus diesem Vermögen finanzieren die Kommunen Miete und Rückkauf der Immobilien nach zehn oder fünfzehn Jahren. Dafür brauchen sie nur 97,5 bis 98 Prozent der Verkaufssumme – die restlichen zwei bis zweieinhalb Prozent stecken die Kommunen schon bald nach dem Verkauf wieder in die Stadtkasse. Experten schätzen das Risiko dieses Modells als gering ein. Abhängig vom Vertrag trage die Stiftung das Risiko, die Steuerersparnis geltend machen zu müssen – und nicht die Kommune. schu

Aber wie überall gibt es auch bei sale and lease back Gewinner und Verlierer. Gewinner sind in diesem Fall die Investoren und die Kommunen, die sich den Gewinn teilen. Verlierer ist der Staat, der auf Steuereinnahmen verzichten muss. Da die Erbschaft- und Schenkungsteuer ausschließlich den Bundesländern zusteht, gehen dem hessischen Finanzminister durch solche Geschäfte Steuereinnahmen verloren. Verständlich, dass er von diesen Finanzierungsmodellen nicht begeistert ist. Auch der Innenminister als Aufsichtsbehörde der Kommunen hat seine Bedenken und legt bei der Genehmigung von Leasingfinanzierungen enge Grenzen an. Nach einem Erlass aus dem Jahr 1997 werden Sale-and-lease-back-Geschäfte grundsätzlich nicht genehmigt, wenn sie ausschließlich oder überwiegend der Geldbeschaffung dienen und nicht Investitionen durch den Leasinggeber zum Ziel haben.

Für die Steuerzahler ergeben sich aus dieser zwiespältigen Sichtweise mehrere Konsequenzen: Wenn der Steuergesetzgeber Steuersparmodelle wie das Sale-and-lease-back-Verfahren zulässt, dann hat die kommunale Aufsichtsbehörde darauf zu achten, dass die Risiken solcher Geschäfte begrenzt werden und nicht zu Lasten der Kommunen gehen. So ist etwa bei der Vertragsgestaltung zu beachten, dass das steuerliche Risiko ausschließlich beim Investor liegt oder dass die Kosten der Gebäudeinstandhaltung nicht bei den Kommunen hängen bleiben. Auf keinen Fall sollten mit den neuen Finanzmitteln Löcher im Verwaltungshaushalt der Kommunen gestopft werden. Der entstehende Barwertvorteil ist entweder für Investitionsvorhaben zu verwenden oder zur Schuldentilgung einzusetzen. Dadurch werden längerfristig wieder größere finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen.

Fazit: Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sind solche Finanzierungsmodelle abzulehnen, da es weder wirtschafts- noch ordnungspolitische Begründungen dafür gibt und da Steuerausfälle vorprogrammiert sind. Aber solange der Gesetzgeber nicht einschreitet, kann man es den Kommunen nicht verdenken, dass sie davon Gebrauch machen. Auf jeden Fall sollte aber die Öffentlichkeit über Art und Umfang der Immobilien-Leasing-Geschäfte informiert sein. Denn die Leasingverträge verpflichten über Jahre hinweg zu hohen Geldzahlungen. Deshalb sollte im Haushaltsplan eine besondere Aufstellung über diese Geschäfte zwingend verankert werden.

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Dokument erstellt am 27.08.2003 um 23:57:45 Uhr
Erscheinungsdatum 28.08.2003 | Ausgabe: D2 | Seite: 24