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Gastbeitrag

Risiken sind beherrschbar

Cross-border-leasing: Horrorszenarien nicht eingetreten

Die Risiken des Cross-border-Leasings sind in Nürnberg geschildert, bewertet, vertraglich ausgeschlossen oder geregelt worden, sagt Oberbürgermeister und FR-Gastautor Ulrich Maly. Und weist in seinem Gastbeitrag darauf hin, dass trotz der 150 Fälle, in denen Leasing-Geschäfte über die deutsche Grenze vereinbart worden sind, keine Katastrophe eingetreten sei – ob Bankenkrise oder Flutkatastrophe. Sozialdemokrat Maly ist Volkswirt, hat über Wirtschaft und Umwelt in der Stadtentwicklungspolitik promoviert und war Kämmerer der Stadt Nürnberg. Seit 1. Mai vergangenen Jahres ist Maly Oberbürgermeister.

Von Ulrich Maly

NÜRNBERG. Die Stadt Nürnberg hat in den vergangenen Jahren drei US-Leases vereinbart, eines für die Kläranlage, eines für das Kanalnetz und eines für die Straßenbahnen. Alle diese Geschäfte waren aus der Not geboren und nicht etwa aus einer bei uns besonders ausgeprägten Lust am Zocken. Das hat (nicht nur) in Nürnberg einige Fragen aufgeworfen: Kann man es moralisch verantworten, den US-Fiskus zu schröpfen? Dazu muss man wissen: Ursprünglich entstanden diese Modelle, damals nach zwei Senatoren "Pickle-Dole-Lease" genannt, sehr bewusst und wurden in das US-Steuerrecht aufgenommen, um per steuerlicher Erleichterung den Verkauf von (US-)Investitionsgütern dadurch zu erleichtern, dass gleich noch eine günstige Finanzierung dazugeliefert wurde und so z.B. Boeing-Flugzeuge einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Airbussen hatten. So viel zur Moral - der sich das Steuerrecht ohnehin schlecht zuordnen lässt.

Die Amerikaner haben übrigens keine vergleichbaren moralischen Bedenken, wenn sie deutsche Steuergelder via steuersubventionierte Filmfonds zur Finanzierung von Hollywood-Streifen einsetzen. Die Gesetzgeber beiderseits des Atlantiks müssen entscheiden, welches Steuerrecht sie für sinnvoll und eventuell auch moralisch erachten. Den Anwender von seit Jahren existierenden Gesetzen mit der Moralkeule zu schlagen, halte ich für unfair.

Kann man die Risiken beherrschen? Ich meine, ja. Man kann sie nicht ausschließen, aber wohl beherrschen. Das ist aber bei allem politischen Handeln so, das ja tunlichst zukunftsgerichtet sein sollte: Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, hat Karl Valentin erkannt. Also enthält politisches Handeln immer Risiko, das man nach den Regeln der jeweiligen Kunst analysieren und bewerten muss. Haben wir eine sehr alte Brücke, fragen wir Ingenieure, ob sie hält und andere Ingenieure, ob das Urteil der ersten Ingenieure stimmt. Wenn ich dann als Oberbürgermeister entscheide, verlasse ich mich auf die Fachleute, deren Rat und Bewertung - natürlich im Risiko, dass sie Unrecht haben könnten.

CROSS-BORDER-LEASING

Klär- und Wasserwerke, Talsperren, Müllverbrennungsanlagen und öffentliche Gebäude im Eigentum der Städte und Kreise werden vornehmlich im Osten und Westen Deutschlands mittlerweile mittels Cross-border-leasing ("über die Grenze vermieten") zu Geld gemacht. Etwa 150 Kommunen haben deutschlandweit bereits einen solchen Vertrag abgeschlossen. Das Prinzip ist immer dasselbe: Eine Kommune vermietet das Objekt an einen großen US-Investor für 99 Jahre und mietet es, meist für 28 Jahre, als eine Art Untermieter wieder zurück. Den Vertrag schließt die betreffende Stadt mit einem Trust ab, den der Investor eigens wegen dieses Geschäftes bildet. Das US-Unternehmen kann durch die Transaktion Steuervorteile geltend machen. Denn ein US-Gesetz fördert auf diese Weise die Bildung von Eigentum im Ausland, auch langfristige Mietverträge fallen darunter. Die Kommune profitiert aus dieser Transaktion mit einem "Barwertvorteil".

In Frankfurt soll nach dem Wunsch von CDU, Grünen und FDP das U-Bahn-Netz mittels Cross-border-leasing für 99 Jahre vermietet werden. Erhofft wird ein Barwertvorteil von rund 100 Millionen Euro. Kritiker warnen allerdings vor den Risiken eines so langfristigen Geschäftes. Dazu gehören die Unwägbarkeiten, falls die Veränderung der betreffenden Immobilie ansteht, der Gerichtsstand USA sowie Änderungen der Steuergesetze. Befürworter argumentieren, dass diese Risiken mittels der meist 1000 Seiten starken Verträge beherrschbar seien. ox

Nicht anders ist es beim US-Lease. Da wird man von einer amerikanischen und (in unserem Fall) zwei großen deutschen Kanzleien beraten - am Ende entscheiden muss die Politik. Sie tat es in Nürnberg in Kenntnis einer umfangreichen Analyse und Bewertung der Steuerrechtsänderungs-, Zins-, Währungs-, technischen Ausfall- und aller möglichen anderer Risiken. Diese wurden geschildert, bewertet, vertraglich entweder ausgeschlossen oder so geregelt, dass sie im Falle ihres Eintretens handhabbar sind, also z.B. die Frage, wie lange man nach dem berühmten Flugzeugabsturz aufs Klärwerk Zeit hat, ein Neues zu bauen. Im übrigen muss zur Kenntnis genommen werden, dass die in mehr als 150 Fällen von deutschen Kommunen abgeschlossenen Leasing-Geschäfte Bankenkrise, politische Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und USA und sogar die Flutkatastrophe in Ostdeutschland mit der Überflutung von verleasten Kläranlagen ohne Schaden überstanden haben. Die viel bemühten Horrorszenarien wie frühzeitige Vertragsbeendigung gegen hohe Schadenersatzzahlung oder die Übernahme unserer Kläranlagen durch die Amerikaner haben auch unter außergewöhnlichen Umständen nicht stattgefunden. Eines nur am Rande: Lustigerweise droht uns derzeit ein Risiko, mit dem zunächst keiner gerechnet hatte: eine Verschlechterung des Ratings der Bayerischen Landesbank, die als Finanzpartnerin aufgetreten ist. Da hat dann der Freistaat Bayern, der US-Lease ablehnt, mit seiner Medienpolitik (Kirch) einen netten Beitrag im Sinne einer self fulfilling prophecy geleistet.

Kann man jetzt alles, was nicht niet- und nagelfest ist, verscherbeln? Nein, sicher nicht. Wegen der lang laufenden Verträge und der Verpflichtung, die jeweiligen Objekte für die Gesamtlaufzeit bestimmungsgemäß betreiben zu müssen, eignen sich nur solche Infrastrukturen, bei denen wir uns sicher sind, dass wir sie auch in 25 Jahren noch haben werden. Das heißt wenn jetzt einer die Pille erfindet, mit der das Altwasser ohne Weiteres zu sauberem Quellwasser wird, dann haben wir tatsächlich Pech gehabt. Das Risiko halte ich aber für so gering, dass man es eingehen kann.

Was kann man mit dem Geld machen? Sofort verjubeln würde ich es nicht. Für den unwahrscheinlichen, aber nicht unmöglichen Fall, dass doch etwas passiert mit dem Vertrag, ist es nicht schlecht, wenn man den Barwertvorteil aufs Kapitalkonto legt und zunächst vielleicht nur die Zinsersparnis genießt, dann ist man auch hier auf der sorgfältigen Seite.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2003
Dokument erstellt am 27.08.2003 um 23:57:46 Uhr
Erscheinungsdatum 28.08.2003 | Ausgabe: D2 | Seite: 24