Landkreise scheitern mit Steuersparmodell
Die Landesbank Hessen-Thüringen springt ab / Landräte sind verärgert über Finanzminister Karlheinz Weimar
Die geplanten Sale-and-lease-back-Geschäfte hessischer Landkreise sind geplatzt: Die Landesbank als Vermittlerin ist abgesprungen. Die Kreise verlieren damit mehr als 22 Millionen Euro Einnahmen. Attac begrüßt das Scheitern des Geschäftes. Finanzminister Karlheinz Weimar hatte das Leasing-Modell abgelehnt.
Von Carla Ihle-Becker
FRANKFURT / WIESBADEN. Das Land hat dem zu Grunde liegenden Steuersparmodell, bei dem ein Kapitaleigner durch Immobilienerwerb seine Steuerlast verringert, seine Zustimmung verweigert. Obwohl die Transaktion den Bestimmungen der Steuergesetze entspricht, wollten die Finanzämter auf Weisung ihres Dienstherrn dem Investor den Steuervorteil nicht vorab bescheinigen. Daraufhin hat die Landesbank Hessen-Thüringen, die mit ihrer Tochter "Hannover Leasing-Gesellschaft" das Geschäft abwickeln wollte, ihr Angebot kurzfristig zurückgezogen.
Der Landrat des Vogelsbergkreises, Rudolf Marx (CDU), ist verärgert,
dass ausgerechnet sein Parteifreund Finanzminister Karlheinz Weimar für
das Scheitern des Geschäftes verantwortlich ist. Zwar habe Weimar
zugegeben, dass rechtlich gegen das Steuersparmodell nichts einzuwenden
sei. Dennoch habe er eine regelrechte "Kampagne" dagegen unternommen. Weimar
habe in einem Gespräch mit ihm gesagt, dass mit dem Ausnutzen des
Steuervorteils die Kreise den öffentlichen Haushalten und der Steuermoral
schadeten. "Bei dieser Moralkeule verschlägt es mir die Sprache."
Schließlich würden dem Land keine Steuergelder vorenthalten,
sondern lediglich umverteilt: Denn alle vier Landkreise hätten mit
dem Erlös von rund 2,5 Prozent der Verkaufssumme ihrer Verwaltungsgebäude
nicht an der Börse spekulieren wollen, sondern das Geld in Sanierungsmaßnahmen
für Schulen investieren wollen. Zu bedauern sei sein Amtskollege Helmut
Eichenlaub (CDU), Landrat im Kreis Waldeck-Frankenberg, der in der Abwicklung
des Geschäftes die größte Vorarbeit geleistet habe. Sein
Abschluss sei am weitesten gediehen und bereits unterschriftsreif gewesen,
sagte Marx.
Cross-border-Leasing und sale and lease back
Zwei sperrige Begriffe haben in den vergangenen Monaten Bürger
und Politiker gleichermaßen bewegt. Die Begriffe stehen für
legale, wenngleich umstrittene Steuersparmodelle, bei denen Städte
oder Landkreise ihre Immobilien verkaufen und zurückmieten. Im ersten
Fall verkaufen die Kommunen an amerikanische Geldgeber, im zweiten Fall
investieren etwa deutsche Stiftungen Geld, um Erbersatzsteuer zu sparen.
Ein Teil des Geldes kommt den Kommunen zugute, die unter extremer Finanznot
leiden. Doch die Meinungen über die Steuersparmodelle gehen auseinander:
Während Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly nur geringe
Risiken beim grenzüberschreitenden Leasing sieht, äußert
sich der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler in Hessen, Ulrich Fried,
skeptisch über die innerdeutsche Variante des Steuersparmodells.
Sein Kollege aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf, Landrat Robert Fischbach (CDU), ist wütend über das gescheiterte Geschäft. "Schließlich sind wir jetzt die Dummen." Die Finanzminister der Länder hätten nicht nur den Kreisen, sondern auch sich selbst mit ihrer Verweigerung gegen die Anerkennung des Sparmodells einen Bärendienst erwiesen. "Jetzt bekommen sie ihr Geld doch auch nicht, denn der Investor wird stattdessen Filmrechte in Hollywood kaufen", sagt Fischbach. Diese Spekulation bestätigt ein Sprecher der Landesbank Hessen-Thüringen. Amerikanische Filmfonds und -rechte seien wegen der Steuervorteile bereits überwiegend in deutscher Hand. Sicher habe die Debatte der Abwicklung des Sale- and lease-back-Geschäftes geschadet. "Engstirnig, kaltschnäuzig und unüberlegt" nennt der Landrat des Kreises Limburg-Weilburg, Manfred Fluck (SPD), die Haltung Weimars. Das führe dazu, dass der Kreis im nächsten Haushaltsjahr rund zehn Millionen Euro weniger in Schulbaumaßnahmen investieren könne und "wohl wieder an der Kreisumlage-Schraube drehen" müsse. Noch vor kurzem habe sich Weimar aufgeschlossen für Finanzmodelle dieser Art geäußert und Kreise und Gemeinden geradezu ermuntert, neue Einnahmequellen zu erschließen, um der Finanznot entgegenzusteuern.
Attac Marburg und Alsfeld begrüßten das Scheitern. Sale-and-lease-back-Geschäfte seien nur ein Beispiel, wie sich Konzerne, Stiftungen und Besserverdienende ihrer Steuerpflicht entzögen. "Es ist ein Skandal, dass Großunternehmen immer weniger Steuern bezahlen müssen, während die Steuerbelastung für Arbeitnehmer zunimmt und die Gemeinden immer weniger Mittel haben, ihre Aufgaben zu erfüllen", sagte Attac-Sprecher Timm Zwickel. Finanzminister Weimar (CDU) hatte es ausdrücklich abgelehnt, den Kommunen und Leasingfirmen vorab verbindlich zuzusagen, dass die Sale-and-lease-back-Verträge steuermindernd anerkannt werden. Dahinter steckte die Überlegung, dass nur einige Kommunen, findige Anwälte und Finanzunternehmen an diesen "Schein-Geschäften" verdienten, während die Allgemeinheit durch niedrigere Steuereinnahmen geschädigt werde. Beim Cross-border-Leasing seien die Verträge so komplex, dass viele Kommunalpolitiker nicht mehr in der Lage seien, die Risiken der Geschäfte komplett zu übersehen, hatte Innenminister Volker Bouffier (CDU) gesagt.
[ document info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau online 2003
Dokument erstellt am 27.08.2003 um 23:57:59 Uhr
Erscheinungsdatum 28.08.2003 | Ausgabe: S | Seite: 33