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HLZ 5/2004, Seite 13
Fortbildung : Auf dem Weg zur Börse ?

Parallel zu litaneihaft vorgetragener Kritik an mangelnder Fortbildungsbereitschaft von Lehrerinnen und Lehrer wird das Fortbildungsangebot in öffentlicher Verantwortung und Trägerschaft demontiert. Zeitgleich mit der Etablierung einer gesetzlichen Fortbildungspflicht für Lehrerinnen und Lehrer wird das Hessische Landesinstitut für Pädagogik (HeLP) als Nachfolgeinrichtung des Hessischen Instituts für Lehrerfortbildung (HILF) liquidiert. Unter Zuhilfenahme von Zitaten aus dem Entwurf der Landesregierung für ein Lehrerbildungsgesetz und eine Änderung des Schulgesetzes und von Fortbildungsangeboten aus dem Internet entstand das folgende Gesprächsprotokoll:

Schulleiter : Herr Müller, ich habe Sie zu diesem Mitarbeitergespräch gebeten, da ich aus Ihrer Personalakte, Ihrem lückenhaften Qualifizierungsportfolio und der entsprechend geringen Zahl von Leistungspunkten auf eine ausgeprägte Fortbildungsresistenz schließen muss. Bedauerlich, das muss ich leider sagen, ist auch die Hartnäckigkeit, mit der Sie immer noch antiquierte Overhead-Folien bei Ihrer Präsentation des Wahlpflichtbereichs auf dem Elternabend einsetzen.

Kollege Müller : Sie wissen doch, dass ich mich schon drei mal für einen GEW-Lehrgang zum Thema "Das politische Lied" angemeldet habe. Und jedes Mal haben Sie die Dienstbefreiung abgelehnt.

Schulleiter : Das zeigt doch nur Ihre Weigerung, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Die Fortbildung soll schließlich in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden. Und außerdem handelte es sich nicht um eine akkreditierte Fortbildung. Natürlich sollten Sie über Ihre Fortbildung in eigener Verantwortung entscheiden, aber aus meiner Gesamtverantwortung muss ich von meinem Recht Gebrauch machen, Sie zur Wahrnehmung bestimmter Fortbildungsmaßnahmen zu verpflichten.

Kollege Müller : An was dachten Sie denn dabei?

Schulleiter : Zunächst habe ich Ihnen hier die Unterlagen für den Power-Point-Lehrgang herausgesucht, ganz hier in der Nähe bei PC Spektrum EIC in Groß-Gerau. Als Last-Minute-Bucher sparen Sie sogar noch 46 Euro und bezahlen nur 184 Euro.

Kollege Müller : Das heißt, ich soll das selbst bezahlen?

Schulleiter : Zu dem Intel-Kurs wollten Sie nicht, weil Sie dahinter Machenschaften internationaler Medienkonzerne vermuteten. Meine erheblichen Zweifel an Ihrer Fortbildungsbereitschaft können Sie mit dieser Frage auf jeden Fall nicht ausräumen. Natürlich steht unserer Schule nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes ein Fortbildungsbudget zu. Aber mir geht es ja auch nicht besser als Ihnen. Ich musste schließlich beim Schulamt einen Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an aufgaben- und funktionsbezogenen Fortbildungsveranstaltungen vorlegen, da dieser Voraussetzung für die Übernahme von Funktionsstellen in Schule und Bildungsverwaltung ist. Ich habe mich für das Seminar "Vom Kollegen zum Vorgesetzen" entschieden (Gesellschaft für Management-Entwicklung). Da ich die Fahrtkosten zum Schloss Krickenbeck in Nettetal selbstverständlich selbst bezahlt habe, wurden mir die Seminarkosten von 2.200 Euro aus dem Schulbudget erstattet. Schließlich kommt meine Führungskräftequalifizierung doch Ihnen allen zu Gute.

Kollege Müller : Ich muss Ihnen mal ehrlich sagen, dass ich bei 29 Stunden Unterricht froh bin, wenn die Woche rum ist. Natürlich würde ich gern mal was anderes mitkriegen...

Schulleiter : Ich ahne ja schon länger, dass Sie an den Grenzen Ihrer Belastbarkeit angelangt sind. Wie wäre es dann mit zwei Tagen zum Thema „Stress- und Zeitmanagement" bei Thiel Ö Partner (Personel Development), noch dazu in Berlin für schlappe 399 Euro, "Ruheinseln im Hurrikan" eingeschlossen.

Kollege Müller : Supervision, darüber habe ich schon öfter mal nachgedacht. Das würde mir vielleicht helfen. An wen könnte ich mich denn da wenden?

Schulleiter : Das Staatliche Schulamt gestaltet die regionale Lehrerfort- und Weiterbildung. Aber dafür, fürchte ich, haben die auch kein Geld. Schauen Sie doch mal in eine Ihrer GEW-Zeitungen. Da finden Sie ja nicht nur die vielen Anzeigen für die Rehabilitation von ausgebrannten Lehrerinnen und Lehrern, sondern auch diesen sonstigen Psychokram. Hier, das könnte doch was für Sie sein : "Ziel der Fortbildung ist es, dass die Teilnehmerinnen die Schule wieder als achtungsvollen Ort der Begegnung, des Lehrens und Lernens erleben." Sechs Blockseminare ä drei Tage für 1710 Euro, das musste doch bei Ihrem Einkommen drin sein. Und da bekommen Sie eine neue "Einstellung zur Schule als Berufsfeld an sich."

Herr Müller : Ich danke Ihnen für das Gespräch und Ihre fürsorgliche Laufbahnberatung. Art und Umfang der Teilnahme an entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen sollten wir gelegentlich in Zielvereinbarungen niederlegen.