Zurueck zur Homepage
Zurueck zur Vorseite
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,461408,00.html vom 28.01.2007
PRIVATE VERWALTUNG
Die Rathaus GmbH
Von Anselm Waldermann
Im Gladbecker Rathaus hat der Bürgermeister nur noch politisch das
Sagen. In der nordrhein-westfälischen Stadt hat der Baukonzern
Hochtief die Geschäfte der öffentlichen Verwaltung
übernommen - eine Premiere in Deutschland. Doch die Manager des
Unternehmens wollen noch mehr.
Hamburg - Für Gladbeck war Hochtief der Retter in der Not.
Bei einem Schuldenstand von mehr als 80 Millionen Euro hätte sich
die Stadt ein neues Rathaus eigentlich gar nicht leisten können.
Doch die beiden alten Verwaltungstürme aus den sechziger Jahren
waren hochgradig mit PCB verseucht. "Der Druck für die Stadt war
hoch", sagt Holger Schoen, der zuständige Niederlassungsleiter von
Hochtief PPP Solutions.
----------------------
Stadt Gladbeck
:Neues Rathaus in Gladbeck: Die Stadt spart pro Monat knapp 40.000 Euro
(Bild)
----------------------
In dieser Situation war das "Rundum-sorglos-Paket" des Konzerns genau
das Richtige für Gladbeck. Planung, Bau und Finanzierung des neuen
Rathauses - das alles hat das Unternehmen den Verwaltungsbeamten
abgenommen. Vor allem aber ist Hochtief für den Betrieb des
Gebäudes zuständig: In den nächsten 25 Jahren hat hier
der Konzern das Sagen.
Jeden Monat 184.830 Euro - diese Summe hätte Gladbeck für ein
eigenes Rathaus aufbringen müssen, wie zwei Unternehmensberatungen
im Auftrag der Stadt errechnet haben. Zu teuer, befand der Stadtrat. In
seltener Eintracht beschloss das Gremium deshalb über
Parteigrenzen hinweg eine Ausschreibung. Von den vier Bewerbern setzte
sich Hochtief durch: Das Unternehmen verlangt von der Stadt nur 147.000
Euro im Monat - plus Preissteigerungen im Zuge der Inflation.
Im Preis inbegriffen ist neben den Baukosten der gesamte Betrieb des
Rathauses. Um die Instandhaltung des Gebäudes und die
Energieversorgung muss sich die öffentliche Hand keine Gedanken
mehr machen, ebenso wenig um den Hausmeister, die Toiletten und die
Fassadenreinigung. "Wir wollten uns auf unsere Kernaufgabe
konzentrieren", sagt Amtsleiter Bernhard Schlüter, der das Projekt
von Seiten der Stadt betreut. Schließlich habe man in Gladbeck
ein "modernes Staatsverständnis".
Bis zum Jahr 2010 rechnet die deutsche Baubranche allein bei Schulen,
Verwaltungsgebäuden und Krankenhäusern mit
öffentlich-privaten Projekten (ÖPP) im Wert von 10 bis 20
Milliarden Euro. Selbst Gefängnisse können mittlerweile von
Privatunternehmen betrieben werden. Für Hochtief ist das Rathaus
deshalb nur ein Anfang. "Wir sehen Gladbeck als wichtige Referenz",
sagt Schoen. Einen Vertrag wie dort könne der Konzern "jeder
anderen Kommune in Deutschland als Standard-Produkt anbieten".
Die Baupläne für das Gladbecker Rathaus hat Hochtief in
Eigenregie entworfen, nicht einmal die Größe des
Gebäudes hat die Stadt vorgegeben. Die Möbel hat ebenfalls
Hochtief besorgt. Sollten in Zukunft Schreibtische kaputt gehen, muss
sie das Unternehmen ersetzen. "Das Risiko liegt bei uns", erklärt
Manager Schoen. Entsprechend effizient ist das Unternehmen vorgegangen:
Die Baukosten wurden um keinen Cent überschritten, die
Inbetriebnahme des Gebäudes erfolgte auf den Tag genau am 21.
Oktober 2006 - so wie geplant.
Topfpflanzen dürfen die
Mitarbeiter nicht aufstellen
Bei der Gestaltung des Gebäudes ging es für Hochtief um
Funktionalität. Fünf Stockwerke hoch erstreckt sich der rote
Backsteinbau in der Gladbecker Innenstadt, eingerahmt von Dresdner
Bank, Karstadt und McDonald's. Innen ist der Boden mit grün-grauen
Fließen bedeckt, die weißen Wände sind kahl, von der
Decke strahlen Energiesparlampen. "Es ist ja nur ein
Verwaltungsgebäude", entschuldigt sich Amtsleiter Schlüter.
Auch die für Büros sonst so typischen Topfpflanzen fehlen.
"Wenn jeder der 320 Mitarbeiter eine Palme aufstellen würde,
wäre die Reinigung zu teuer", erklärt Schlüter.
Bei der Raumplanung hat Hochtief sogar direkt in die Arbeit der
Verwaltung eingegriffen. "Unser Ziel war es, die Abläufe zu
optimieren", erklärt Manager Schoen. "Abteilungen, die
zusammenarbeiten, haben wir zusammengelegt." Die Wege für
Mitarbeiter und Bürger seien nun kürzer, was die Kosten
senke. Ob so auch Planstellen eingespart würden, lasse sich aber
noch nicht sagen, erklärt Schoen.
Wenn es nach ihm ginge, dann hätte Hochtief auch weitere Aufgaben
übernommen. So ist das Unternehmen bisher nur für die
Verkabelung des Gebäudes zuständig, die Computer hingegen
bleiben in den Händen der Verwaltung. "Wir haben zum Beispiel
keinen Zugang zu den Passwörtern", sagt Schoen. Generell
würde Hochtief bei öffentlich-privaten Projekten aber gerne
auch die Verantwortung für die IT-Systeme übernehmen. "Da hat
die öffentliche Hand den entscheidenden Schritt noch nicht
gewagt", klagt Schoen.
Auch Sekretariatsarbeiten möchte
Hochtief übernehmen
Ähnlich ist es bei der Besetzung von Stellen in der Verwaltung.
Bisher beschränkt sich Hochtief darauf, die Namensschilder
für neue Mitarbeiter an deren Türen zu befestigen. In Zukunft
möchte der Konzern aber schon bei den Bewerbungsgesprächen
mit am Tisch sitzen. "Wir würden gerne auch die
Sekretariatsarbeiten erledigen", sagt Schoen. "Aber so weit ist die
öffentliche Hand leider noch nicht."
Tatsächlich gehen der Stadtverwaltung solche Pläne zu weit;
mit dem bisherigen Konzept der Öffentlich-privaten Partnerschaft
ist sie allerdings zufrieden. "Ich würde ÖPP jederzeit wieder
machen, auch bei anderen Projekten", sagt Amtsleiter Schlüter.
Auch für Hochtief lohnt sich das Geschäft. "Natürlich
machen wir Gewinn", sagt Schoen. "Sonst würde das Ganze keinen
Sinn machen." Die genaue Höhe will er zwar nicht nennen,
angestrebt werde aber die konzernübliche Eigenkapitalrendite von
14 Prozent. "Es gibt viele kleine Stellschrauben, wo sich etwas
einsparen lässt", erklärt Schoen. "Über die gesamte
Laufzeit rechnet sich das."
Der Konzern ist 14 Prozent effizienter
als die Stadt
Aus Sicht der Stadt hat der private Investor einen Effizienzvorteil von
14 Prozent gegenüber einem Betrieb in öffentlicher Regie.
"Hochtief ist ein Weltkonzern", sagt Amtsleiter Schlüter. "Auf der
Einkaufsseite kriegen die ganz andere Preise als die kleine Stadt
Gladbeck." Darüber hinaus könne das Unternehmen
Synergieeffekte nutzen, weil es auch andere Immobilien betreut.
"Außerdem gelten für Hochtief andere Tarifverträge",
sagt Schlüter. Das drücke die Lohnsumme.
Rein rechtlich ist die Stadt Gladbeck die Eigentümerin von
Grundstück und Gebäude geblieben, das Nutzungsrecht wiederum
hat Hochtief. Allerdings darf der Konzern das Gebäude an niemand
anderen als an die Stadt vermieten. Zwei Aktenordner dick ist der
Vertrag, kündigen darf ihn keine der beiden Parteien. "Wir sind
für 25 Jahre miteinander verheiratet", sagt Manager Schoen.
Außerdem darf Hochtief seine Rechte nicht an ein anderes
Unternehmen abtreten. "Es ist sicher gestellt, dass wir nicht bei
irgendeiner anonymen Gesellschaft aus Hongkong landen", sagt Amtsleiter
Schlüter. Nach Ende der Laufzeit geht das Gebäude dann
vollständig in den Besitz der Stadt über.
Richtigen Streit gab es nach den Erfahrungen der ersten drei Monate
noch nicht. Nur einen "kleinen Dissens", wie es Schlüter nennt.
Hochtief ist nämlich auch für den Betrieb der Kantine
zuständig. Diese Aufgabe hat der Konzern an einen Pächter
delegiert, und der hat sich für seinen gastronomischen Betrieb den
Namen "Kartoffelfabrik" einfallen lassen. "Das gefiel uns
überhaupt nicht", erzählt Schlüter. Rein rechtlich
hätte die Stadt nicht eingreifen dürfen, aber nach einem
Gespräch mit Hochtief konnte das Problem "auf partnerschaftlichem
Weg" gelöst werden. Jetzt hat die Kantine den eher traditionellen
Namen "Ratsbistro".
© SPIEGEL ONLINE 2007