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US-Kongress stoppt Cross-Border-Leasing-Geschäfte -

Risiken für beteiligte deutsche Kommunen unklar / Investoren könnten versuchen, aus Verträgen auszusteigen / Kämmerer gelassen

Das US-Repräsentantenhaus hat mit einem Steueränderungsgesetz künftige Cross-Border-Leasing-Geschäfte für illegal erklärt. Umstritten ist, was mit bestehenden Verträgen geschieht. Auch deutsche Kommunen finanzieren Teile ihrer Infrastruktur mit CBL.

VON CORELL WEX UND RAINER JUNG

Nürnberg / düsseldorf · 21. Juni · Beim Cross-Border-Leasing (CBL) mietet ein US-Trust Anlagen wie U-Bahnen, Messehallen oder Kläranlagen und vermietet diese an die Kommune zurück. Weil der Investor seine Kosten bei diesem Geschäft abschreiben darf, kann er seine Steuerlast beim US-Fiskus mindern. Von dieser Ersparnis gibt er einen Teil an die beteiligte Kommune ab. Mehr als 150 CBL-Verträge sind in den vergangenen Jahren abgeschlossen worden, obwohl es in vielen Städten Proteste und Bürgerbegehren gegen die Geschäfte gab.

Nach dem US-Senat hat jetzt auch das Repräsentantenhaus dafür gestimmt, das Steuerschlupfloch für US-Bürger zu schließen. Die Entscheidung in Washington verhindert allerdings nicht nur künftige CBL-Geschäfte, sondern könnte auch bereits bestehende Verträge gefährden. Zwar gilt die Gesetzesänderung in den USA nicht rückwirkend. Das heißt: Bereits abgeschlossen Kontrakte zwischen Investoren und deutschen Kommunen bleiben gültig.

Zwischen Senat und Repräsentantenhaus ist allerdings derzeit noch umstritten, ob die amerikanischen Investoren die aus laufenden Verträgen für die Zukunft eingeplanten Steuervorteile noch geltend machen können. Der Senat will bestehende Abkommen schützen, während die Republikaner im Repräsentantenhaus die Steuerminderung aus den Geschäften, die in den USA den Fiskus um Milliardenbeträge bringen, sofort stoppen möchten.

Investoren könnten deshalb versuchen, vorzeitig aus den in aller Regel langfristig abgeschlossenen Kontrakten heraus zu kommen. Der Berater Arnd Bühner von Ernst & Young fürchtet deshalb, dass der "steuerlich frustrierte amerikanische Partner dem deutschen Partner einen Vertragsverstoß nachzuweisen" versucht. Auf der sicheren Seite seien die Städte, die ihre Verträge sauber abgeschlossen und ihre Verpflichtungen gewissenhaft erfüllt hätten.

Malte Kreutzfeld von der globalisierungskritischen Organisation Attac prophezeit den Kommunen bereits "das große Zittern". Er fordert, dass die Verwaltungen die Abkommen offen legen, damit die Öffentlichkeit erfährt, ob sie anfechtbar sind.

Die Kassenwarte deutscher Städte mit CBL-Engagement winken dagegen ab. "Nach gegenwärtigem Kenntnisstand sind wir weder unmittelbar noch mittelbar von den Änderungen betroffen", sagt Rainer Kampmann, Kämmerer von Gelsenkirchen. Gelassen gibt man sich auch in der Finanzabteilung der Stadt Düsseldorf, die unter anderem ihr Kanalnetz in CBL-Deals eingebracht hat: "Wir sehen nicht, wo es Probleme geben könnte."

Die Verwaltungen vertrauen auf eine doppelte Absicherung. Erstens betreffe die Neuregelung nach der aktuellen Formulierung nur Verträge, die nach März 2004 geschlossen worden seien, sagt Kampmann. Zu diesem Zeitpunkt war CBL aber bereits praktisch tot, weil Investoren das Gesetzgebungsverfahren abwarteten. Die Geschäfte in Gelsenkirchen und Düsseldorf datieren aus 2002. Aber selbst mit einer rückwirkenden Regelung wäre man auf der sicheren Seite, meint Kampmann. Grund: Die CBL-Kontrakte wiesen das Risiko einer Änderung der US-Steuergesetze allein dem Investor zu. "Alle Verträge, von denen ich gehört habe, regeln das ganz eindeutig", bestätigt Manfred Busch, Kämmerer im niederrheinischen Wesel, wo ein CBL-Geschäft im Stadtrat scheiterte.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 21.06.2004 um 17:48:07 Uhr
Erscheinungsdatum 22.06.2004

Dazu der Kommentar ( FR vom 22.06.2004) :

Alarmierend

VON RAINER JUNG

Gespannt in ihre Post gucken dürften sie schon, jene Stadtkämmerer, die ihr Heil und etliche Millionen Büro in Cross-Border-Leasing-Deals suchten.

Nicht ohne Grund: Unklar ist noch, wie ihre US-Partner auf die Initiativen des Kongresses reagieren werden, den globalen Pachtgeschäften künftig einen Riegel vorzuschieben. Mcht ausgeschlossen, dass mancher frustrierte Investor versuchen wird, seinem Gegenüber in old Europe Druck zu machen. Und so lange noch kein Rechtsstreit in Sachen CBL vor Gericht gelandet ist, bleibt ein Restrisiko.

Das heißt aber auch: Es gibt vorläufig keinen Anlass für Horrorvisionen, die oft kritisierten Geschäfte könnten demnächst deutsche Städte in die Pleite treiben. Wenn Berater und Anwälte fehlerfrei gearbeitet haben, ist es wahrscheinlich, dass sich die betreffenden Kommunen ohne Reue an ihrem Gewinn erfreuen können. Und was die Zukunft angeht: Cross-Border-Lea-sing ist für geplagte Kassenwarte längst nicht mehr das Maß aller Dinge. Die Gewieften unter ihnen hantieren schon mit anderen - kaum leichter zu durchschauenden - Finanzierungsinstrumenten.

Damit ist man beim eigentlichen Dilemma: Viele moderne Techniken zur Geldbeschaffung stellen die demokratische Kontrolle durch kommunale Laienpolitiker beinahe zwangsläufig in Frage. Mehr denn je müssen Stadträte darauf vertrauen, dass die Finanzexperten in den Verwaltungen wissen, worauf sie sich einlassen. Keine leichte Sache, vor allem wenn die Kämmerer gleichzeitig unter Druck stehen,, ihre leeren Kassen irgendwie zu füllen.

Das absehbare Aus für die gegenwärtige Form des Cross-Border-Lea-sings dürfte nicht nur Globalisierungs-Tcritiker erfreuen. Es ist eindeutig, dass die Finanzprobleme deutscher Kommunen nur von der deutschen Politik und der deutschen Wirtschaft zu lösen sind. Um so alarmierender, dass so viele Praktiker in den Rathäusern darauf setzten, sich mit umstrittenen Deals in Übersee Luft zu verschaffen.