Zurueck zur Vorseite
Zurueck zur Homepage
Katerstimmung nach dem Sparen

Aus fuer "Cross Border Leasing"-Modell. Schadenersatzforderungen in dreistelliger Millionenhoehe  fuer betroffene Kommunen moeglich

                           Corell Wex

"Ich  gehe davon aus, dass die Vertragspartner sich an die eingegangenen Vertraege halten und wir daher auch kein Problem haben werden." So der Nuernberger Stadtkaemmerer Wolfgang Koehler. Wenn er sich da mal nicht taeuscht. Dr. Ulrich Eder, Steuerfachanwalt und selbst Berater bei Dutzenden Cross-Border-Leasing-Geschaeften (CBL), sieht grosse Risiken auf die Staedte zukommen: "Bisher haben die US-Investoren stillgehalten, aber jetzt sind keine Neuabschluesse mehr moeglich, und man muss keine Ruecksicht auf negative Presse nehmen. Damit wird man versucht sein, sich aus diesen Vertraege mit Schadenersatzforderungen herauszuklagen."

Das endgueltige Aus fuer das Cross-Border-Leasing-Steuersparmodell ist seit Freitag beschlossen. CBL ist das Verleasen von kommunalem Eigentum an einen US-Investor, der daraus Steuervorteile zieht. Anschliessend mietet die Kommune das verleaste Eigentum, sei es eine Klaeranlage oder U-Bahnroehren, wieder zurueck, um es selbst zu betreiben.

Im Rahmen einer grossen Steuergesetzgebung, dem sogenannten Job Creation Act of 2004, wurde in den USA das zukuenftige Eingehen von Cross Border Leasings rueckwirkend zum 12. Maerz 2004 verboten. Der ausgehandelten Kompromissvorlage haben Senat und Repraesentantenhaus zugestimmt, am letzten Freitag unterschrieb Praesident George W. Bush das Gesetz. Doch nicht nur die steuerliche Abschreibung fuer Neuvertraege wird nicht mehr anerkannt. Gleichzeitig bekommt die oberste Steuerbehoerde Internal Revenue Service (IRS) mehr Handlungsmoeglichkeiten, die laufenden Leasings zu ueberpruefen, wie Eder betont.

Zwar traegt das Risiko einer Steuerrechtsaenderung prinzipiell der US-Partner. Im Falle einer Betriebspruefung kann es jedoch sein, dass das Risiko einer Versagung der Steuervorteile an der Stadt haengenbleibt, wie Eder hervorhebt. Das kann dann geschehen, wenn der zirkulaere Charakter der Finanzaktion auffaellt. Bei einer Anfrage des IRS wuerde man in die Zwickmuehle geraten: Entweder man wuerde angeben, dass man das kommunale Eigentum verkauft hat – was man nach den meisten deutschen Kommunalverfassungen gar nicht darf. Oder aber man wuerde dem IRS gegenueber bestaetigen, dass man mit der Mietsache wie ein Eigentuemer umgeht – was zur Versagung des Steuervorteils fuehrt. Lapidar bemerkt Eder, Geschaeftsfuehrer der Due Finance, dazu: "In derartigen Faellen besteht fuer die Investorenseite der unmittelbare wirtschaftliche Anreiz, die Schuld fuer das steuerliche Verungluecken der Gestaltung auf den Vertragspartner zu schieben, um sich von ihm den Profit zu holen, den er aus US-Steuervorteilen nicht erzielen kann". Das bayerische Innenministerium fuehlt sich bestaetigt: "Genau deshalb haben wir ja immer wieder vor dem CBL gewarnt", erklaerte Sprecher Michael Ziegler. Auch Attac-Sprecher Malte Kreutzfeldt sieht die Ablehnung "solcher windiger Konstrukte" durch die Buerger bestaetigt.

Durch derzeit laufende Betriebspruefungen koennen alle bisherigen Transaktionen in Frage gestellt werden. Damit kann der jeweilige US-Partner Schadenersatzforderungen in dreistelliger Millionenhoehe an die Staedte herantragen. Derzeit erhalten viele Kommunen Post aus den USA vom IRS, das ihre Leasingdeals unter die Lupe nimmt, wie Wirtschaftspruefer Arnd Buehner von Ernst & Young bestaetigt. Fuer Clemens Stoffers von der Stadtkaemmerei Essen sind solche Betriebspruefungen auch "kein ungewoehnlicher Vorgang".

Schon das ganz normale Vertragsmanagement enthaelt genug Fallstricke, wie der Fall Essen zeigt. Dort waere eine "winzige Katasterverschiebung" im Zuge einer Neuvermessung der Messe der Stadt beinahe zum Verhaengnis geworden. Diese haette zuerst mit dem US-Vertragspartner, der die Messe geleast hat, abgestimmt werden muessen. Ansonsten koennte dieser mit Schadenersatz bis zu 30 Prozent des Transaktionsvolumens drohen – in Essen waeren das 130 Millionen Euro. Bei einem Schuldenstand von ueber 300 Millionen Euro fast gleichbedeutend mit dem wirtschaftlichen Tod. Besonders pikant: Der Gerichtsstand ist jeweils New York. Schliesslich sind die USA bekannt fuer hohe Schadenersatzforderungen.
 

Den Artikel finden Sie unter:
http://www.jungewelt.de/2004/11-01/018.php

(c) Junge Welt 2004
http://www.jungewelt.de