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US-Steuerbehörde blickt neugierig nach Sankt Augustin (20.01.2004)

Geplantes Cross-Border-Leasing-Geschäft mit kommunalem Abwasserkanal lässt IRS-Repräsentantin Susan Stanley aufhorchen

VON WERNER JUNG

So intensiv hat sich der US-amerikanische Fiskus wohl noch um keinen der beliebten Steuerspar-Deals gekümmert: In Sankt Augustin bekam ein Mitglied der Bürgerinitiative gegen ein geplantes Cross-Border-Leasing (CBL) mit dem städtischen Abwassersystem kürzlich Post von Susan Stanley. Die Repräsentantin des Internal Revenue Service (IRS) in Berlin bat die Gegner um Kopien von Verträgen oder Stadtratsprotokollen. Das Motiv für das ungewöhnliche Interesse: Die Finanzbehörden seien "verpflichtet, die Verschlechterung der US-Besteuerungsgrundlage durch Förderung und Verkauf von Praktiken zur Verhinderung steuerlicher Belastungen zu stoppen". Möglicherweise ein Indiz dafür, dass der IRS bei den auch in den USA umstrittenen Geschäften eine härtere Gangart einschlägt. Schließlich zahlt der dortige Steuerzahler die Zeche, wenn sich US-Investoren und deutsche Städte den bei einem CBL-Geschäft anfallenden Profit teilen. Der IRS hatte die Leasinggeschäfte schon wiederholt scharf kritisiert.

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Cross-Border-Leasing

US-Investoren schließen mit Städten im Ausland einen langfristigen Leasingvertrag über Infrastruktur-Einrichtungen (etwa das Kanalsystem) ab. Wegen der langen Laufzeit des Kontrakts (meist 99 Jahre) gelten sie beim US-Fiskus als wirtschaftliche Eigentümer und dürfen diese Investitionen abschreiben und so Steuervorteile erzielen. Die Kommunen pachten die Objekte umgehend zurück. Die Steuerersparnis wird geteilt. rju

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Die genauen Hintergründe des Briefs bleiben allerdings nebulös. Eine Anfrage der FR blockte ein IRS-Beschäftigter in Berlin ab: "Wir haben dazu nichts zu sagen." Ähnlich wortkarg soll sich Stanley gegenüber dem Fraktionschef der Grünen im Sankt-Augustiner Stadtrat geäußert haben, die das Kanal-Leasing ablehnen. Bürgermeister und CBL-Befürworter Klaus Schumacher (CDU) will dagegen in einem Telefonat von der IRS-Beamtin erfahren haben, sie werde ihre Recherchen einstellen, sobald sie zusätzliche Informationen zum geplanten Geschäft erhalten habe. Viele CBL-Experten verweisen darauf, dass das Risiko bei Verschärfungen des amerikanischen Steuerrechts allein bei den Investoren liege. Deutsche Kommunen müssten keine Schadenersatz-Ansprüche fürchten, wenn die US-Trusts deshalb geringere Vorteile erzielten als ursprünglich berechnet. Das nordrhein-westfälischen Innenministerium, das die Rechtsaufsicht über etliche Kommunen mit Cross-Border-Verträgen hat, warnt allerdings vor neuen Engagements - denn dem US-Senat liegt ein Gesetz-Entwurf vor, der CBL verbieten soll. Ob er mehrheitsfähig ist, muss abgewartet werden. Ein Ministeriumssprecher sieht in der Debatte um die Steuersparmodelle immerhin "eine neue Qualität erreicht. Wir mahnen zur Vorsicht".

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 16.01.2004 um 19:04:08 Uhr
Erscheinungsdatum 17.01.2004