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Geldquelle für deutsche Kommunen in Gefahr

US-Senator will Cross-Border-Leasing unterbinden / Gesetzentwurf hat Chancen / Konsequenzen für hiesige Städte und Gemeinden noch unklar

Rund zehn Milliarden Dollar Steuereinnahmen entgehen dem US-Fiskus dank der trickreichen Cross-Border-Leasing-Geschäfte (CBL), von denen in Deutschland viele klamme Kommunen profitieren. Das ist zu viel Geld, findet Senator Charles Grassley.

VON JOCHEN BÜLOW

Köln · 6. Januar · Der Republikaner will deshalb die Kreislaufgeschäfte per Gesetz verbieten. Hier zu Lande fällt das Echo darauf unterschiedlich aus. "Ich glaube nicht daran, dass dieser Gesetzentwurf irgendeine Chance hat", glaubt Ulrich Eder von der Düsseldorfer Beratungsfirma "Due Finance". "Ich denke,dass die öffentliche Diskussion in den USA dazu führt, dass wir von März oder April an auf einer sicheren Basis arbeiten - wenn nämlich die Senatsmehrheit die Leasing-Gesetzgebung lässt, wie sie ist".

Alleine die Tatsache, dass mit einem CBL-Verbot mächtige Global Player wie Banken und international agierende Wirtschaftsprüfer wie KPMG und Pricewaterhouse Coopers betroffen wären, spräche nicht dafür, dass sich Grundsätzliches ändern wird.

Der Mann könnte sich irren: Im Gegensatz zum vergangenen Frühjahr, als eine ähnliche Grassley-Gesetzesinitiative von der Senatsmehrheit abgelehnt wurde, ist die Diskussion über missbräuchliche Steuersparmodelle, in den USA in Fahrt gekommen. Denn dadurch sind alleine unter der jetzigen Regierung 85 Milliarden Dollar Steuereinnahmen verloren gegangen hat das vom Senat mit der Prüfung von Finanz- und Steuerfragen beauftragte "General Accounting Office" festgestellt.

Wir werden diesen Krämern das Handwerk legen", versprach Grassley denn auch bei einer Senats-Anhörung. Damit spielte der Senator aus Iowa darauf an, dass längst nicht mehr nur einige Finsterlinge windige Steuersparmodelle ausnutzen: "Rechtsanwälte, Steuerberater und große Wirtschaftsprüfungsunternehmen verkaufen solche Modelle für viel Geld - Enron war kein Einzelfall". Ein Hinweis mit Öffentlichkeitswirkung: Mit dem skandalumwitterten bankrotten Energieunternehmen will niemand in Verbindung gebracht werden.

Nach der Anhörung, in der ehemalige Angestellte der genannten Beraterfirmen und steuerpflichtiger Unternehmen berichteten, ihnen sei gekündigt worden, weil sie eindeutig illegale Geschäfte nicht planen und realisieren wollten, sprachen fachkundige Beobachter davon, dass "der Branche jede Moral abhanden gekommen" sei.

CBL habe lange funktionieren können, weil die Steuerfahndung weder über genug Personal, noch über speziell ausgebildete Experten für solche Deals verfüge: "In 20 Jahren Tätigkeit hat mich noch niemand nach illegalen Leasing-Modellen gefragt. Alle interessieren sich nur für die Quittungen über Geschäftsessen und bestenfalls für privat genutzte Firmenwagen", lästerte ein Steuerberater über die Fähigkeiten und Möglichkeiten der staatlichen Steuerfahnder.

Aber weil auch die USA mit Haushaltsproblemen kämpfen, scheinen viele US-Senatoren nicht länger bereit zu sein, über Steuerschlupflöcher hinweg zu sehen. Eine Entscheidung steht in diesem Frühjahr an.

Kommunen, die noch schnell einen CBL-Vertrag schließen wollen, warnt nicht nur der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) "eindringlich": Denn Grassleys Gesetzentwurf sieht vor, dass nach dem 17. November 2003 geschlossene Verträge nicht anerkannt werden sollen. Dennoch soll es derzeit einige amerikanische Investoren geben, die die schlechte Finanzlage und eine mögliche Torschlusspanik deutscher Kommunen ausnutzen möchten: Immerhin kassieren sie zwischen 15 bis 20 Prozent des Vertragsvolumens über Steuervorteile wieder ein. Im Vertrauen auf eine finanzmarktfreundliche Senatsmehrheit seien sie, betont Eder, auch jetzt noch zu Abschlüssen bereit.
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Cross-Border-Leasing

US-Investoren schließen - etwa - mit Kommunen einen langfristigen Leasingvertrag über Infrastruktur-Einrichtungen (Schwimmbäder, U-Bahn-Netze) im Ausland ab. Wegen der langen Laufzeit des Kontrakts (meist 99 Jahre) gelten sie beim US-Fiskus als wirtschaftliche Eigentümer und dürfen diese Investitionen in Europa abschreiben und so Steuervorteile erzielen. In einem zweiten Vertrag pachtet die Kommune das Objekt postwendend zurück. Dieses Abkommen läuft über 25 bis 30 Jahre. Danach kann die Gemeinde das Geschäft beenden - gegen Zahlung eines "Optionspreises". Nach deutscher Auffassung bleibt sie stets Eigentümerin. rju

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Was ein CBL-Verbot für deutsche Kommunen mit bestehenden Verträgen bedeuten könnte, ist unklar: Die Kämmerer behaupten, es gebe überhaupt keine nachteiligen Folgen. Viele Kritiker bezweifeln dies: "Das wird sicher sehr interessant: 30 Jahre an einen Partner gebunden zu sein, der nach einem Vorwand sucht, um per Vertragsstrafe seinen entgangenen Steuervorteil wieder hereinzuholen", sorgt sich etwa Jörg Detjen von der Kölner PDS-Ratsfraktion. Ihm zufolge hat vor allem der öffentliche Protest bei Bürgerbegehen gegen CBL in Kulmbach, Bergisch-Gladbach und Frankfurt am Main für Aufsehen in den USA gesorgt. Minister Behrens stellt schon mal klar, eine Rechtsänderung in den USA dürfe "nicht zulasten der deutschen Kommunen gehen".

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 06.01.2004 um 18:04:06 Uhr
Erscheinungsdatum 07.01.2004