Herrn
Gerhard Schröder
Bundeskanzler
10557 Berlin
Offener Brief :
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Schröder,
Ende diesen Monats soll der EU-Verfassungsvertrag,dessen Inhalt bisher
nur wenig bekannt und öffentlich diskutiert wurde,durch die Staats-
und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der EU unterzeichnet werden.Wir
fordern Sie auf,die Unterzeichnung zu verweigern,entsprechen viele Punkte
dieser Verfassung nach unserer Einschätzung doch nicht dem Anspruch
unseres Grundgesetzes.Die EU-Verfassung in ihrem jetzigen Wortlaut ist
in vielerlei Hinsicht unsozial,undemokratisch und militaristisch.So wird
zum Bespiel auf die Sozialbindung des Eigentums verzichtet,Wettbewerb und
Wachstum werden über soziale und ökologische Belange gestellt.Der
Neoliberalismus soll also Verfassungsrang erhalten.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,besonders offenkundig ist die
Aushebelung des Grundgesetzes,was die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
angeht.So schreibt die vorliegende Verfassung die EU auf eine Militärunion
fest und verpflichtet dieMitgliedstaaten auf eine verstärkte Aufrüstung
- zur Freude der Rüstungsindustrie.Auch fördert sie die „Strukturierte
Zusammenarbeit“ militärisch besonders ambitionierter Staaten.Diese
Zusammenarbeit ebnet den Weg zu einer Integration der britischen und französischen
Atomwaffen in eine Atommacht EU.EU-Streitkräfte sollen zu >Kamfeinsätzen
im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden
schaffender Maßnahmen< eingesetzt werden.Mit dem EU-Verfassungsvertrag
wird die Militarisierung der Europäischen Union bis zur globalen
Kriegsführungsfähigkeit vorangetrieben.Militärische Interventionsmöglichkeiten
werden so erweitert bis hin zu Abrüstungskriegen.Über militärische
Einsätze entscheidet nach dieser Verfassung der Ministerrat,nicht
das EU-Parlament,ein besonders eklatantes Defizit an Demokratie dieser
EU-Verfassung.Neben dem Neoliberalimus soll also auch die Militarisierung
Verfassungsrang erhalten.
Die Prinzipien unseres Grundgesetzes wie das Verbot eines Angriffkrieges
- Art.26 - oder das unmissverständliche Verfassungsgebot in Art.87a(Absatz
1u. 2),dass der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt
und diese Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt
werden können,soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt,würden
durch diesen EU-Verfassungsvertrag zur Makulatur.Die Unterzeichnung und
die danach notwendig werdende Ratifikation durch das Parlament wären
nach unserer Einschätzung verfassungswidrig.
Wir fordern Sie daher dringend auf,den vorliegenden EU-Verfassungsvertrag
nicht zu unterzeichnen und sich für seine Änderung dahingehend
einzusetzen,dass er den Ansprüchen des Grundgesetzes in allen Belangen
genügt.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Georg Bodien
für ATTAC Alsfeld /Vogelsberg