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Die Zeitschrift der GEW Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung (HLZ) dokumentiert in ihrer Juli/August Nr. 2004 (57. Jahr, Heft 7/8) im Wortlaut  die Aufgaben der GmbH für Bildungsstruktur in Bremen und die dagegen gerichtete Stellungnahme der Gesamtpersonalräte der Verwaltung und der Lehrerinnen und Lehrer, der GEW und Ver.di. (11.07.2004)

Mit beschränkter Haftung

Mit einem Etat von 25 Millionen Euro soll in Bremen eine "Gesellschaft für Bildungsinfrastruktur mit beschränkter Haftung" gegründet werden und wesentliche Aufgaben der staatlichen Bildungsverwaltung übernehmen (siehe Kasten). Die Gesamtpersonalräte der Verwaltung und der Lehrerinnen und Lehrer und die Landesvorstände von GEW und ver.di lehnen das vorgelegte Konzept ab. Angesichts zahlreicher Parallelen zu aktuellen Vorhaben in Hessen, im Rahmen der Neuen Verwaltungssteuerung Schulen und Unterstützungssysteme zu privatisieren, dokumentiert die HLZ ihre gemeinsame Stellungnahme im Wortlaut:

GmbH für Bildungsinfrastruktur..

Das Konzept der Unternehmensberatung Putz Et Partner für eine Bildungsinfrastrukturgesellschaft liegt vor. Die Bedenken der "betroffenen Gewerkschaften, Personalräte, Schwerbehindertenvertrauensleute und Frauenbeauftragten sind nicht ausgeräumt worden: Der Abschlussbericht geht nicht über die bisher bekannten Ideen hinaus. Nach wie vor ergeben sich die folgenden Kritikpunkte:

... verstößt gegen den öffentlichen Auftrag

Die notwendige finanzielle Ausstattung des Bildungshaushaltes über die Haushaltseckwerte findet nicht statt. Dafür sollen Aufgaben des Bildungsbereiches an eine private Gesellschaft, die Gesellschaft für Bildungsinfrastruktur, übertragen werden. Für die Wahrnehmung dieser Aufgaben wird die Gesellschaft dann mit Krediten und Mitteln aus dem Bildungshaushalt versorgt. Die Gesellschaft soll auch Personal für den Bildungsbereich rekrutieren und bezahlen. Damit werden Kredite für laufende Lohn- und Gehaltszahlungen, also konsumtive Ausgaben, eingesetzt. Durch diese Finanzierung über eine GmbH kommt der Bildungssenator dem verfassungsmäßigem Auftrag, das gleiche Recht auf Bildung für jedermann durch öffentliche Einrichtungen zu sichern, nicht nach. Bremen geht damit einen Schritt in die Privatisierung des Bildungswesens, wie er bisher in der Bundesrepublik einmalig ist.

.....ist nicht wirtschaftlich

Die Bildungsinfrastrukturgesellschaft ist unter finanziellen Gesichtpunkten eine fragwürdige Konstruktion. Sie verursacht erhebliche Kosten. Neben dem Gehalt des Geschäftsführers sind die nicht unerheblichen Kreditkosten zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist die GmbH für ihre erbrachten Leistungen steuerpflichtig. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer summieren sich jährlich auf ca. 205.000 Euro.

Mit der Zuführung von 25 Millionen Euro über die GmbH in den Doppelhaushalt 2004/05 des Bildungsbereiches sind die finanziellen Probleme nicht gelöst, da selbst wenn die unrealistische Sparvorgabe von 8 Millionen Euro pro Jahr eingehalten werden kann, im Haushalt 2006/07 eine neue Finanzierungslücke auftritt. Ursprünglich war vorgesehen, dieses Defizit durch eine außerplanmäßige Kreditaufnahme der GmbH zu decken. Nunmehr wird das Problem schlicht verdrängt. Im so genannten Business-Plan wird davon ausgegangen, dass die Gesellschaft ihre Kosten ab 2006 vollständig durch Umsatzerlöse, das heißt durch von ihren Auftraggebern erhaltene Entgelte aus dem Bildungshaushalt und den Schulen zur Verfügung stehenden Budgets decken kann. Damit wird das ungelöste Finanzierungsproblem wieder in den Bildungshaushalt zurückverlagert. Allein im Jahr 2O06 müssten nicht ß Millionen Euro, sondern mehr als 20 Millionen Euro eingespart oder durch zusätzliche Kredite gedeckt werden, um der Gesellschaft ausreichende Einnahmen gewährleisten zu können.

Die Finanzierung dieser Summe von 25 Millionen Eure soll über so genannte Effizienzgewinne "erwirtschaftet" werden. Bei der Darstellung der Effizienzgewinne bleibt die Unternehmensberatung bezeichnenderweise

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Im Wortlaut:

Die GmbH für Bildungsinfrastruktur

"Die Gesellschaft für Bildungsinfrastruktur soll über abzuschließende Ziel- und Leistungsvereinbarungen, einschließlich Controlling und Berichtswesen, den ,Prozess Schule' steuern, eine größere Transparenz über den Ressourceneinsatz in den Schalen erreichen, eine größere Transparenz über die Leistungserbringung der Schulen herstellen und Service und Unterstützungsleistungen für die Schulen und für den Senator für Bildung erbringen, damit diese sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.

Die von der Gesellschaft zu erbringenden Leistungen für die Schu-
len umfassen ein Volumen von zurzeit rund 32 Millionen Büro. Hierzu gehören:
• Organisation und Abwicklung der Zuwendungen für die Lehrerfeuerwehr
• Einkauf von unterrichtsergänzendem Personal
• Organisation und Abwicklung der Zuwendungen für das persönliche Assistenzprogramm
• Organisation und Abwicklung der Zuwendungen im Bereich Sonderschu-ien/Förderzentren
• Einkauf von Beförderungsleistungen für alle Schüler mit Anspruch auf Beförderungsleistungen
• Organisation und Abwicklung der Mittagessenversorgung in den Schulen
• IT-Uflterstützung für die Schulen
• Zuwendungen für den Schulsport
• Organisation der Betreuungsleistungen für die verlässliche Grundschule und für die Ganztagsschule
• Bearbeitung und Bezahlung der Ver- und Entsorgungsleistungen für die Schulen
• Bearbeitung und Bezahlung sonstiger Fremdleistungen; Fremdreinigung inklusive Glas-, Rohr- und Kanalreinigung sowie Wartung der Schulen.
Darüber hinaus ergibt sich für die Gesellschaft für Bildungsinfrastruktur ein zu steuerndes Volumen von rund 70 Millionen Eure, das sich aus Personal- und Sachausgaben für die zu steuernden Einheiten zusammensetzt."
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sehr unscharf. Hier wird von möglichen, noch zu prüfenden Kürzungen gesprochen. Tatsächlich quantifiziert werden nur 1,5 Millionen Euro. Die Landeshaushaltsordnung schreibt dagegen vor, die möglichen Vorteile einer mit der Übernahme öffentlicher Aufgaben beauftragten GmbH vorab in einer Wirtschaftlichkeitsberechung darzulegen. Das ist bis heute nicht geschehen. Damit fehlt der Nachweis, dass die GmbH kostengünstiger als die senatorische Behörde arbeiten wird.

....macht keine bessere Schule

Da die Sachhaushalte der Bremer Schulen kaum mehr zu kürzen sind, liegt es auf der Hand, dass die "Effizienzgewinne" aus den Personalhaushalten zu erzielen sind.

Es soll künftig mit Personal gearbeitet werden, das tariflich nicht an den BAT gebunden ist. Damit betreibt der Bremer Senat Tarifflucht.

Erklärtes Ziel ist es, Lehrkräfte in vielen Bereichen durch anders qualifiziertes und schlechter bezahltes Personal zu ersetzen. Die pädagogische Qualifikation wird damit als nebensächlich angesehen, der ganzheitliche schulisch-pädagogische Prozess wird zerstückelt.

Bei den Anrechnungsstunden sollen Einsparungen vorgenommen werden. Das ist aber genau der Bereich, aus dem die Schulen für ihre Leitungsund Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Gleichzeitig sollen den Schulen weitere umfangreiche Aufgaben übertragen werden. Eine Kürzung wäre widersinnig.

Im ersten Schritt sollen den Berufsschulen, der Erwachsenenschule und dem Landesinstitut für Schule (Abteilung Aus- und Fortbildung) - später auch den allgemein bildenden Schulen - Globalbudgets zugewiesen werden, die von den Schulen selbstständig verwaltet werden. Unter Kostendruck sollen Schulen dazu bewegt werden, zum Beispiel freie Stellen nicht mehr zu besetzen oder mit Zeit- oder Honorarverträgen zu arbeiten. Von den frei werdenden Mitteln sollen 15 % in den Bildungshaushalt zurückfließen. Zudem verschiebt der Senator die politische Verantwortung für fehlende Finanzmittel an die Schulen.

.... zerstört demokratische Strukturen

Die GmbH ist ein bürokratisches Hindernis im Prozess der Verselbststän-digung von Schulen. Zurzeit erarbeiten fünf Berufsschulen als Pilotschulen im Projekt "Regionale Bildungszentren" unter Einbeziehung der Kollegien die verschiedenen Aspekte einer selbstständigen Schule. Der prozesshafte Charakter dieser Entwicklung, in den viel Motivation und Arbeitsbereitschaft einfließen, würde zerstört werden, wenn man den Schulen - wie von Putz Et Partner empfohlen - gegen ihren Willen Ziel- und Leistungsvereinbarungen aufdrücken würde. Begleitet werden soll diese Entwicklung durch eine Veränderung des Schul- und Schulverwaltungsgesetzes, die zur Entmachtung demokratisch gewählter Gremien und zu steileren Hierarchien in den Schulen führen würde. Schule würde damit einen Teil ihres kollegialen und demokratischen Charakters verlieren. Die bisherige Politik, Hierarchien abzubauen, wird ins Gegenteil verkehrt.

.... ist inhaltlich überflüssig

Der größte Teil der Aufgaben, die der GmbH übertragen werden sollen, zum Beispiel die Organisation und Abwicklung der Zuwendungen für die Lehrerfeuerwehr, werden bis heute von der Behörde problemlos und gut wahrgenommen. Darüber hinaus sollen nach dem vorliegenden Gutachten weitere Verwaltungstätigkeiten aus der Behörde in die GmbH verlagert werden wie Organisation und Abwicklung der Zuwendungen für einige Schulen, Einkauf von Leistungen (Beförderung von Schülerinnen und Schülern) und LT-Unterstützung für die Schulen, Betreuungsleistungen für die verlässliche Grundschule und Ganztagsschule sowie Bearbeitung der Ver- und Entsorgungsleistungen für die Schulen.

Diese Tätigkeiten sind bisher ebenfalls von der Bildungsbehörde nach sachlichen und fachlichen Gesichtspunkten als Serviceleistung durchgeführt worden. Offensichtlich stellt der zuständige Senator die Kompetenz und Arbeitswilligkeit seiner Beschäftigten in Frage, um die Gründung der GmbH auch mit der Notwendigkeit von mehr Kompetenz begründen zu können. Der effizientere Einsatz der modernen Steuerungsinstrumente des öffentlichen Dienstes zur Haushaltsbewirtschaftung und Personalführang wäre jedenfalls sinnvoller gewesen, als jetzt eine GmbH aus der Taufe zu heben. Die Zwischenschaltung einer weiteren Bürokratie ist völlig überflüssig und schafft neben Kosten zusätzliche Reibungsverluste. Die beteiligten Personalräte lehnen die Bildung einer Gesellschaft für Bildungsinfrastruktur ab.

Erziehung und Bildung unserer Kinder und Jugendlichen sind Kernaufgabe des demokratischen Sozialstaates und von entscheidender Bedeutung für die künftige Entwicklung unserer Gesellschaft. Die erfolgreichen skandinavischen Länder haben gezeigt, zu welchen Leistungen ein gut ausgestattetes staatliches Bildungswesen in der Lage ist. Bei uns dagegen will der Staat die Verantwortung an eine GmbH abgeben unter dem Vorwand, die Selbstständigkeit der Schulen zu fördern. Eigenständige Schulen mit einer hohen Qualität lassen sich aber nur mit gut ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen und Verwaltungskräften betreiben.

Freie Hansestadt Bremen: Die Gesamtpersonalräte der Verwaltung und der Lehrerinnen und Lehrer, die Landesvorstände von GEW und ver.di