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Bezahlte Lobbyisten in Bundesministerien - 2. Sendung am 21.12.2006
http://www.wdr.de/tv/monitor/beitragsuebersicht.phtml
MONITOR Nr. 556 am
21. Dezember 2006 - 21.45 h - 22.15 h, ARD
Wiederholungen am
22. Dezember:
05:00 Uhr - ARD
11:45 Uhr - WDR
10:45 Uhr -
Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB)
Vorbericht
Bezahlte Lobbyisten in Bundesministerien: Wie die Regierung die
Öffentlichkeit täuscht
Bericht: Florian Bauer, Kim Otto
Vor zwei Monaten hat MONITOR eine besonders dreiste Form des Lobbyismus
enttarnt: Mitarbeiter, bezahlt von privaten Unternehmen, sitzen in
mehreren Bundesministerien und arbeiten sogar an Gesetzesentwürfen
mit. Damals gab die Bundesregierung 30 Fälle zu. Mittlerweile
steht fest, dass dies nur die halbe Wahrheit war: Nach Anfragen der
Opposition räumt die Regierung jetzt ein, dass rund 100
Lobby-Mitarbeiter in den Ministerien saßen. MONITOR fand heraus:
Die Regierung täuscht die Öffentlichkeit noch immer. Denn
mittlerweile sind weitere Lobby-Fälle bekannt. Nun will der
Bundesrechnungshof im nächsten Jahr alle Ministerien nach
versteckten Lobbyisten durchsuchen. Er fragt sich, ob die
Bundesregierung noch unabhängig arbeitet.
[mehr ...] auf
besonderer Seite
http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=848&sid=156
MONITOR Nr. 556 am
21. Dezember 2006
Bezahlte Lobbyisten in
Bundesministerien: Wie die Regierung die Öffentlichkeit
täuscht
Bericht: Florian Bauer, Kim Otto
Sonia Mikich: "Vor ein paar
Wochen entdeckten wir eine neue Variante des Lobbyismus. In fast allen
Bundesministerien fanden wir Leiharbeiter aus den wichtigsten deutschen
Unternehmen. Sie sitzen Tür an Tür mit Beamten, schreiben
sogar an Gesetzen mit und werden von der Wirtschaft bezahlt. Fragt
sich, wer davon profitiert. FDP und Grüne starteten nach unserem
Bericht Anfragen an die Bundesregierung und jetzt sind die Antworten
da. Aber nicht vollständig und auch nicht richtig. Florian Bauer
und Kim Otto haben sich durch ein richtiges Dickicht gekämpft. Ein
Dickicht aus Schlampigkeit und Falschinformation der Bundesregierung!"
Lobbyisten als Mitarbeiter in Bundesministerien, bezahlt von
Unternehmen. Real existierender Lobbyismus, Fraport-Mann im
Ministerium, Politiker hören auf Unternehmen. Ein Thema macht
Schlagzeilen. Die Folge: Eine Fragestunde im deutschen Bundestag,
Rückblick:
Volker Beck (Bündnis 90 / Die
Grünen) 25.10.2006: "Es gab letzte Woche einen
MONITOR-Bericht, der verschiedene Fälle da bekannt gemacht hat,
und wir wollen wissen, in welchen Häusern, in welchen Abteilungen
das ist. Das geht aus der Frage auch unzweideutig hervor."
Peter Altmaier (CDU), Parl.
Staatssekretär BMI, 25.10.2006: "Ihre Aussage, Herr
Kollege, würde unterstellen, dass die Aussage von MONITOR richtig
ist. Wir werden dem nachgehen und werden Sie schriftlich in den
nächsten Tagen darüber informieren."
Eben jene Antwort zeigt, die Praxis hat System. Siemens oder
DaimlerChrysler, die Lufthansa oder die Deutsche Bank, fast alle
Großen sind dabei und haben ihre Mitarbeiter in so gut wie allen
Ministerien sitzen. Insgesamt 100 aus unterschiedlichen Unternehmen und
Verbänden, gesteht die Bundesregierung jetzt ein. Und das alleine
in den letzten vier Jahren. Und damit steht jetzt noch etwas fest. Die
Bundesregierung hat falsch informiert. Und nicht nur einmal, sie nannte
MONITOR auf Anfrage bereits im August nur einzelne Leiharbeiter aus
Unternehmen und Verbänden, doch es wurden plötzlich ganz
viele. Jetzt sind es 100 und nach MONITOR-Recherchen immer noch nicht
alle, Beispiel Bundesverkehrsministerium.
Hier standen die Türen in den letzten vier Jahren für
Lobbyisten weit offen. Auch für einen Mitarbeiter von
DaimlerChrysler. Und der wurde von der Bundesregierung gegenüber
MONITOR und den Parlamentariern verschwiegen. Er hatte 2002 einen
eigenen Schreibtisch im Ministerium und offenbar Zugang zu internen
Dokumenten. Das bestätigt uns Nils Ehlers. Der Politologe
arbeitete zur gleichen Zeit im Verkehrsministerium an verschiedenen
Projekten und das nicht allein."
Nils Ehlers: "Also ich
saß da einem Mitarbeiter von der Firma DaimlerChrysler
gegenüber, der hat sich häufiger Unterlagen kommen lassen.
Viele davon nur für den internen Gebrauch bestimmt und auch
kopiert. Und offensichtlich auch mit nach Hause genommen."
Der Mitarbeiter war kein gewöhnlicher, sondern bei DaimlerChrysler
Leiter der Abteilung Konzernstrategie - Verkehrspolitik. Nützlich,
dass er bezahlt von DaimlerChrysler im April und Mai 2002 im
Verkehrsministerium saß, denn genau dort wurde zu diesem
Zeitpunkt der Milliardenauftrag für die LKW-Maut vergeben und
DaimlerChrysler gehörte zu einem Bewerberkonsortium, genau das
bekam den Auftrag. Schriftlich teilt uns DaimlerChrysler mit:
Zitat: "Es war damals klar
vereinbart, dass Herr … nichts mit dem Thema Lkw-Maut zu tun haben
würde.
Herr ... hat nach unseren Informationen eine ihm überlassene
Telefonliste und Unterlagen kopiert."
Anders die schriftliche Antwort des Ministeriums. Hier heißt es:
Zitat: "Im Rahmen seines
Aufenthalts hat er auch mit dem damals für die Lkw-Maut
zuständigen Referatsleiter gesprochen.
Uns liegen ebenfalls keinerlei Informationen vor, dass Herr … interne
Dokumente kopiert und mitgenommen haben soll."
Nils Ehlers hat das anders erlebt.
Nils Ehlers: "Ich hab auch
mitbekommen, wie er telefoniert hat und dann solche Dinge gesagt hat,
dass wir das und das offenbar nicht durchbekommen."
Reporter: "Das heißt, er
hat Informationen aus dem Ministerium an DaimlerChrysler weitergegeben?"
Nils Ehlers: "Also meiner
Meinung nach ja."
Beispiel 2: Auch hier im
Gesundheitsministerium gingen die Lobbyisten ein und aus. Wieder nannte
die Bundesregierung auf Anfrage weder MONITOR noch den Abgeordneten
einen externen Vertreter, der mehrere Monate hier arbeitete, mit
eigenem Büro und Kopierer. Operation Kopieren und Weitergeben -
keineswegs überraschend. Er kopierte Dokumente und gab sie an
seinen wirklichen Arbeitgeber - die Deutsche Angestellten-Krankenkasse
- weiter. Fest steht, diese waren nicht für die
Öffentlichkeit gedacht - streng vertraulich, nur für den
Dienstgebrauch. Das Gesundheitsministerium musste den Lobbyisten
entlassen und gesteht erstmals Fehler ein.
Klaus Vater, Bundesministerium
für Gesundheit, 27.11.2006: "Es ist eine unerquickliche
Geschichte, eigentlich dürfte sie nicht vorkommen. Wir gehen davon
aus, dass das ein Einzelfall ist. Ich füge aber auch hinzu: sollte
sich herausstellen, dass dieser Mitarbeiter, der nun nicht mehr
für das Bundesgesundheitsministerium tätig ist ... sollte das
... sollte sich herausstellen, dass das nicht der einzige Fall gewesen
ist, dann werden wir eine erneute Prüfung vornehmen."
Nur zwei konkrete Beispiele. Die Parlamentarier wollen es genauer
wissen. Denn diese falsche Informationspolitik der Bundesregierung
macht sie stutzig.
Volker Beck (Bündnis 90 / Die
Grünen): "Wenn es sich erweisen sollte, dass Presse wie
Parlament unrichtig und nicht nur unvollständig unterrichtet
wurden, und das womöglich sogar vorsätzlich geschehen ist,
dann wäre das ein Skandal und dem werden wir jetzt in den
Ausschüssen des Parlamentes auch noch mal nachgehen, weil die
Beantwortung, so wie wir sie bekommen haben, ist auf jeden Fall nicht
zufrieden stellend."
Rainer Brüderle, FDP: "Man
kann die Bundesregierung nur ermahnen ihre Auskunftspflicht
gegenüber dem Parlament, aber auch gegen den Medien ernster zu
nehmen und klar und korrekt Antwort zu geben."
Von MONITOR auf die Informationshäppchen der Bundesregierung
aufmerksam gemacht, wird der Bundesrechnungshof jetzt handeln:
Michael Reinert, Bundesrechnungshof:
"Wir werden die Ergebnisse der laufenden parlamentarischen Anfragen
sorgfältig prüfen und auswerten. Ich denke, ich kann aber
jetzt schon sagen, dass wir im Jahr 2007 das Thema zum Gegenstand einer
Prüfung des Bundesrechnungshofes machen werden. Dabei werden zwei
Punkte im Vordergrund stehen. Der eine Punkt: Wer bezahlt die Personen,
die in den Ministerien, zum Beispiel an Gesetzen mitarbeiten? Der
zweite Punkt, ist die Neutralität des Verwaltungshandelns
gewährleistet oder bestehen hierfür Risiken, zum Beispiel in
den Fällen, dass Personen an Gesetzen mitarbeiten und von
Verbänden oder Unternehmen bezahlt werden."
Nicht nur Risiko, sondern Tatsache: Die Bundesregierung gesteht
inzwischen ein, dass vier externe Mitarbeiter direkt an Gesetzen
mitschreiben. Das ist besonders schwerwiegend. Und, besonders pikant:
Zwei weitere sind sogar als Referatsleiter eingesetzt, also weit oben
in der Entscheidungskette.
Stand heute: mehr als 100 Lobbyisten in den Ministerien - falsche und
unvollständige Auskünfte der Bundesregierung. Scheibchenweise
kommt die Wahrheit ans Licht.
© WDR 2006
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