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"Bad Orb ist Lachnummer geworden"

Einwohner fürchten nach gescheitertem Deal mit chinesischen Investoren das Image einer maroden Kurstadt

In der Kurstadt Bad Orb wird jetzt eifrig diskutiert, wer die Verantwortung am geplatzten China-Projekt trägt.

Bad Orb - "Der X. hatte die falschen Berater", mutmaßt die Frau in der Altstadtbäckerei. Oder er sei eben doch zu unerfahren. Viele Gespräche in Bad Orb drehen sich um die Verantwortung des CDU-Bürgermeisters und Kurgeschäftsführers beim gescheiterten "Chinesischen Kurparadies". An X. X. scheiden sich die Geister. Viele sehen ihn als Opfer von Intrigen, Polit-Gegnern und Behörden.

Seit 1998 versucht der gelernte Verwaltungsjurist mit wechselnden Strategien und Partnern den widrigen Bedingungen auf dem Gesundheitsmarkt und dem Abwärtstrend in der 10 000-Einwohner-Stadt zu trotzen. Doch weder exotische Projekte wie ein Tiefseeaquarium oder Geschäftsbeziehungen zur Schweizer Bäderszene waren von Erfolg gekrönt. Diesmal endete der Versuch bitter. "Bad Orb ist bundesweit zur Lachnummer geworden", sagt einer. Einheimische schmerzt es, wenn in Berichten stets von einer maroden Stadt die Rede ist. Nun bemühen sich die Projektbeteiligten, wieder zum Ausgangspunkt zu gelangen. Irreparabel ist die Schließung des eigenen Thermalbades. Ein Bus fährt die wenigen Kurgäste nun nach Bad Soden-Salmünster. Dass der einst belächelte benachbarte Klinikstandort über ein moderne "Spessart-Therme" verfügt, verletzt den Stolz etlicher Orber.

Das Model verstaubt in einem Hotel

In Kürze wird das Bauschild aus dem Kurpark verschwinden, das eine neue Ära ankündigen sollte. Das "Chinesische Kurparadies" sollte Wellnesstrends markieren und Geschäftsleute locken. Nun ist vielen bewusst, dass sich in der mit 40-Millionen-Euro verschuldeten Stadt nicht über Nacht alles zum Besseren wendet, weil angeblich ein millionenschwerer Baulöwe aus Shanghai Gefallen an einem in den Spessart eingebetteten Ort gefunden hat. Der Traum vom Kurparadies hat sich auf das reduziert, was er war: ein Modell. Und das verstaubt nun in einem Hotel am Kurpark, das wie viele Häuser mittlerweile geschlossen ist.

Deren Besitzerin, die Akupunkturärztin Jin Mei Wang, hatte vor zwei Jahren mit X. (45) einen Enthusiasmus unter der leidgeprüften Bevölkerung entfacht, der Bedenkenträgern wenig Spielraum ließ. Ohne Wirtschaftlichkeitsberechnung und Bankbürgschaft wurde ein Kurzentrum im Tempelstil samt einer gigantischen Badelandschaft konzipiert und galt fortan als wegweisende Symbiose deutscher und chinesischer Heilkunst. Obgleich sich Kurparadies-Geschäftsführerin Wang mit einem Projektpartner überwarf, fanden sich im November 2005 zwei chinesische Geschäftsleute, die dem Kurparadies durch ein zinsloses Darlehen von 23,1 Millionen Euro finanziell auf die Beine zu helfen versprachen. Doch der dubiose Geldtransfer, obgleich notariell beurkundet, kam nie zustande. Wang und der Rathauschef erweckten dennoch den Eindruck, das Projekt sei durch einen Werkvertrag mit einer chinesischen Baufirma abgesichert. Während in Orb der Vorstandsvorsitzende einer IT- und Immobilienfirma aus Shanghai als Investor präsentiert wurde, baten die Partner aus der Provinz Jiangsu um die "versprochenen Planungsunterlagen samt Baugenehmigung zur Projektkalkulation". Dort staunte die Baugesellschaft, dass über "eine Finanzidee" hinaus kein "Bonitätsnachweis" vorliege. X. tat die Korrespondenzen als nicht autorisiert ab und versicherte, in China würden bereits Teile gefertigt und die Verschiffung vorbereitet. Schließlich wurde der feierliche Spatenstich vollzogen und ein örtliches Bauunternehmen mit der Verlegung neuer Gas-, Strom- und Wasserleitungen beauftragt.

Erst die Aufschreie von Bauunternehmen und Gewerkschaften angesichts des vereinbarten Einsatzes von bis zu 150 chinesischen Bauarbeitern, die die Rohbaukosten des Millionenprojektes deutlich senken sollten, brachten Ungereimtheiten zu Tage. Dabei wurden nie Anträge auf Arbeitserlaubnisse eingereicht. Das Projekt sei vor allem an den Bedenken der Arbeitsagentur gescheitert, heißt es nun vielerorts. Jörg Andersson

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Copyright © FR online 2006
Dokument erstellt am 19.12.2006 um 20:00:05 Uhr
Letzte Änderung am 20.12.2006 um 09:10:29 Uhr
Erscheinungsdatum 20.12.2006