Zurueck zur Homepage
Zurueck zur Vorseite


24.05.2007  ;Handelsblatt
Mediawatcher 

 

Hans-Peter Siebenhaar in medias res

 

1. Folge

Autoren greifen Bertelsmann Stiftung an :

 http://mediawatcher.blogg.de/eintrag.php?id=77  (Blog vom Handelsblatt; an der Diskussion konnte man sich auch beteiligen) (Hier Darstellung auf eigener Homepage)

Der Bund demokratischer Wissenschaftler hat in Gütersloh ein »Netzwerk der Macht« aufgespürt - so lautet der Titel des neuen Buches über die Bertelsmann Stiftung. 34 Autoren beziehen darin Front gegen die 30 Jahre alte Stiftung.

Das Ergebnis steht im Vorwort fest. Die Bertelsmann Stiftung ist ein neoliberaler »Think Tank« (politischer Beratungskonzern), der Erkenntnisse aus dem betriebswirtschaftlichen Rechnungswesen auf alle gesellschaftlichen Bereiche überträgt. Die Autoren streben an, die privaten Interessen hinter dem angeblichen Gemeinwohlinteresse aufzudecken.

Der Anspruch ist legitim. Nun müssten Beiträge mit Quellenangaben und Schlussfolgerungen dieses Ergebnis nur noch nachvollziehbar stützen. Doch daran hapert es an vielen Stellen. Frank Böckelmann, der gemeinsam mit Hersch Fischler das Enthüllungsbuch »Bertelsmann - Hinter der Fassade des Medienimperiums« geschrieben hat, fand angeblich heraus, dass in den Gütersloher Stammbetrieben Unmut und Verachtung gegenüber der Konzernleitung schwelen. Wen er dazu befragt hat, bleibt offen - die jüngsten Mitarbeiterbefragungen kommen zu anderen Resultaten.

Über drei Seiten erstreckt sich seine Liste jener Politikfelder, auf denen die Stiftung erfolgreich Einfluss auf Reformprojekte und Gesetzes- Initiativen genommen haben soll. Träfen die Fälle zu, wäre der Stiftungsvorstand vermutlich erfreut. Bisher dürfte ihn eher die Sorge geplagt haben, zu viel beschriebenes Papier nur für die Schublade produzieren zu lassen.

Die Töchter CAP und CHE, Schlaganfall-Stiftung, Kultur-Stiftung, die hohe Zahl von Projekten, die Nähe der Stiftung zu den Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Medien, die unbekümmerte Vermischung zwischen Bertelsmann AG und Stiftung in den Führungsgremien - immer wieder stellen die Autoren die Frage, wer diesen unübersichtlichen Komplex eigentlich kontrolliert, glaubwürdig kontrolliert. Eine Vermutung, wie das System funktionieren könnte, stellt Rudolph Bauer an.

Der Medienapparat Bertelsmann AG puscht gesellschaftliche Probleme, die Stiftung schlägt neoliberale Lösungen vor, die dann wieder über die Medienmacht des Konzerns und informelle Kanäle in den Regierungsapparat einfließen. Professoren wie Werner Weidenfeld werden eingebunden und zu »servilen Hilfskräften« der Stiftung.

Doch mit Auszügen aus Geschäftsberichten, Sekundärliteratur und aus bertelsmannkritischen Internetforen lassen sich solche Verschwörungs-Theorien nicht beweisen. Besser ist das Buch an Stellen, an denen weniger hoch gezielt wird. Ein Beitrag etwa spießt die mitunter abstrusen Ranking-Verrenkungen der Stiftung auf, ein anderer stellt die medienpolitische Arbeit der Stiftung in Beziehung zum Geschäftsgebaren der Bertelsmann AG. Diese Beziehungen zielen auf einen wunden Punkt der Stiftung - den der Berechtigung von Steuervergünstigungen aufgrund von Gemeinnützigkeit.

Wernicke, Jens, Bultmann, Torsten: Netzwerk der Macht - Bertelsmann. Marburg 2007.


2. Folge

Mediawatcher

 

Hans-Peter Siebenhaar in medias res

 

Donnerstag, 24.05.2007

Autoren greifen Bertelsmann Stiftung an

Die Bertelsmann Stiftung ist eine mächtige Institution. Nun haben sich auf 440 Seiten 30 Wissenchaftler mit dem politischen und gesellschaftlichen Rolle der Stiftung auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist ein lesenswertes Buch "Netzwerk der Macht - Bertelsmann. Der medial-politische Komplex aus Gütersloh", das für preiswerte 15 Euro auf den Markt kommt. Die Vorwürfe des Herausgebers Jens Wernicke wiegen schwer: "Uns stimmt es  bedenklich, wenn zunehmend private Interessen Einfluss auf die Definition des Gemeinwohls haben".  Stiftungs-Vize Liz Mohn gibt sich gelassen. Nach außen behauptet Sie, der Sammelband enthalte nichts Neues. Das lässt sich Wernicke nicht gefallen. Kritik am Buch lässt Wernicke nicht gelten. "Zum ersten  Mal unternimmt es den Versuch einer wissenschaftlich fundierten sowie systematischen Darstellung der „Macht“ dieses Konzerns. Andererseits: Sollte Frau Mohn wirklich meinen, was sie sagt, macht dies doch nur auf die Definition des Gemeinwohls erhalten. Fast kaum jemandem im Land dürfte diesbezüglich bekannt sein,wie umfangreich Bertelsmann an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt ist und welche Methoden hierbei unter anderem zum Einsatz gelangen", warnt der Autor im Gespräch mit "Neuen Westfälischen".  Es werde "allzu deutlich, wie weit Bertelsmann inzwischen schon in politisch-gesellschaftliche Strukturen vorgedrungen sein muss – wenn selbst das, was unser Buch nun offenbart, der Gütersloher Konzernherrin bereits als „Old School“ erscheint", sagte Wernicke in einem Interview mit dem Lokalblatt.

In Gütersloh tobt wegen des neuen Bertelsmann-Buches bereits der Bär. Die Stiftung ließ sogar eine langatmige Stellungnahme in der "Neuen Westfälischen" abdrucken. So richtig überzeugt, klingen die beschwichtigenden Worte aber nicht. Der westfälische Konzern tut sich wieder mal mit der öffentlichen Meinung schwer. Doch an derartige Bücher wird man sich gewöhnen müssen. Schließlich ist Bertelsmann Europas größter Medienkonzern. Das ist Macht und sehr viel öffentliche Aufmerksamkeit - selbst wenn man nicht an der Börse notiert ist.

 

hpsiebenhaar um #00:10 in  2 Kommentare |

Kommentare und Trackbacks

 

Joachim F. Linder kommentiert:

In der Tat hat die Bertelsmann-Stiftung ein faktisches Monopol und erhebt natürlich auch einen Monopolanspruch, Treiber der Veränderung zu sein.

Die Bertelsmann-Stiftung ist eigentlich nicht mehr als ein simpler Interessenvertreter, ein ungetarnter und vielleicht auch umso gefährlicher Lobbyist, denn sie tritt mit einem massiven, keineswegs immer gerechtfertigten Selbstbewusstsein auf.

Wer die Stiftung und ihre Mitarbeiter erlebt hat, der weiß, das Disukssionen und Kritik der "Stiftungsergebnisse" nicht erwünscht sind, und so verhält sich die Stiftung auch.

Alle wirklich an der Zukunft Interessierten sollten daher - auch durch eigenes Tun und eigene Beiträge - die Stiftung auf ihre wahre Rolle als Interessenvertreter wieder reduzieren. Denn mehr ist sie in Wirklichkeit nicht.

Joachim F. Linder | 24.05.2007 - 13:17

 

Steffen Roski kommentiert:

Als an dem Sammelband beteiligter Autor möchte ich Folgendes zu bedenken geben: Der Bertelsmann-kritische, auch investigative Journalismus ist hierzulande nicht gerade an der Tagesordnung. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Man betrachte sich nur einmal, an wie vielen Zeitungen, Zeitschriften und Medienkanälen der Gütersloher Konzern - teils 100 %-ig, teils mehrheitlich, teils mit starker Minderheit - beteiligt ist. Auch im Bereich des Wissenschaftssystems hat sich der Krake über sein Institut CHE (unter Beteiligung der Hochschulrektorenkonferenz) etablieren können, so dass auch im Forschungs-Mainstream die so dringend erforderliche Analyse des bundesdeutschen Stiftungsrechts nicht so recht Raum zu greifen vermag. Geld macht auch WissenschaftlerInnen gefügig. Um so dringend erforderlicher ist die Kritik vom Rand, der Peripherie, der 'guten Gesellschaft'. Mir scheint, dass mit dem Sammelband "Netzwerk der Macht - Bertelsmann" mit großer Systematik diese kritische Perspektive Darstellung gefunden hat. Und die Reaktionen der "Gütersloher" kommen recht unbeholfen-holprig daher: Man sei ja vom Finanzamt als 'gemeinnützig' anerkannt. Ja, ja, aber genau darin liegt doch das gesellschaftlich-politische Problem! Dem Buch ist es, so denke ich in aller (Un-)Bescheidenheit sagen zu können, gelungen, die neolibral-blumigen Sprachwelten, die die Bertelsmannschen Aktivitäten umwölken, als das herauszustellen, was diese tatsächlich sind: Nebelkerzen auf dem Kampffeld der sogenannten 'Reform'-Politik.

Steffen Roski | 24.05.2007 - 16:44