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Europa in schlechter Verfassung

- Stellungnahme von Attac Deutschland zum "Entwurf des Vertrags über eine Verfassung für Europa"

Verabschiedet auf dem Attac-Ratschlag in Essen, 7.-9.5.2004

Attac tritt ein für ein friedliches, soziales, ökologisches und demokratisches Europa!

Attac Deutschland widersetzt sich dem Verfassungsentwurf und ruft alle Menschen dazu auf, das Inkrafttreten dieses Vertragwerkes zu verhindern. Dieser Entwurf erfüllt nicht die grundlegenden Anforderungen an eine demokratische Verfassung. Er schreibt konsequent und alternativlos das neoliberale Wirtschaftsmodell mit unbeschränktem Wettbewerb in den EU-Staaten fest. Daran hat die deutsche Bundesregierung maßgeblichen Anteil.

Auch das grundlegende Demokratiedefizit der EU wird mit dem neuen Vertrag nicht beseitigt. Auf EU-Ebene werden immer mehr und weitreichendere Entscheidungen ohne ausreichende demokratische Kontrolle getroff en. Ist eine Entscheidung erst mal gefallen, ist es fast unmöglich, sie wieder umzukehren. Der Entwurf gefährdet die in den Mitgliedsstaaten über Jahrhunderte erkämpften sozialen und demokratischen Grundrechte, statt sie ausreichend zu schützen. Während die "unternehmerische Freiheit" ein vertraglich geschütztes Grundrecht werden soll (II-16), das durch die Bestimmungen zum Binnenmarkt und zur Handelspolitik fast überall Vorrang genießt, gibt es keinen gleichwertigen Schutz für die sozialen Rechte der in der EU lebenden Menschen. Oft werden weitreichende Liberalisierungsvorschriften im Handel mit Gütern und Dienstleistungen in allen Lebensbereichen, insbesondere der öffentlichen Versorgungseinrichtungen, mit qualifizierten Mehrheiten herbeigeführt. Die Festlegung von sozialen und steuerlichen Mindeststandards wird durch die zumeist geforderte Einstimmigkeit faktisch blockiert.

Die komplette Verlagerung der Kompetenz in Fragen der Handels- und Investitionspolitik auf EUEbene führt zu einer weiteren Entdemokratisierung der Handelspolitik (III-217). Schon heute stehen die Verhandlungspositionen der EU in der Welthandelsorganisation WTO und in bilateralen Handelsabkommen im direkten Widerspruch zu den Anrechten vieler Menschen im Norden und Süden auf gerechte Teilhabe am erwirtschafteten Wohlstand. Wenn die nationalen Parlamente die Handelsverträge in Zukunft nicht mehr ratifizieren müssen, hat die Zivilgesellschaft noch weniger Möglichkeiten, diese Politiken mitzugestalten.

Die gemeinsamen außenpolitischen Handlungsfelder werden den Zielen der Europäischen Außen und Sicherheitspolitik untergeordnet. Mit dem Vertrag über eine Verfassung werden die Mitgliedsstaaten darauf verpflichtet, ihre "militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern".

(I-40). Durch die vertragliche Festschreibung der bereits beschlossenen Rüstungsagentur wächst in der EU ein militärisch-industrieller Komplex heran, der sich zudem einer demokratischen Kontrolle weitgehend entzieht. Der Name "Verfassung für Europa" ist eine Anmaßung gegenüber allen Menschen in Europa, die nicht in einem Mitgliedsstaat der EU leben. Nach wie vor würde es mit dieser Verfassung keine hinreichenden Rechte für alle in den Grenzen der EU lebenden MigrantInnen geben. Die Festung EU wird ausgebaut.

Deshalb fordert Attac:

-  Die Verhandlungen über die EU-Verträge müssen unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft ergebnisoffen neu aufgenommen werden.

- Stellung des Europäischen Parlaments gestärkt werden, als ersten Schritt durch ein allgemeines Initiativ- und Mitentscheidungsrecht.

- Alle Kompetenzen der Union müssen konsequent darauf überprüft werden, ob sie nicht besser auf kommunaler, regionaler oder nationalstaatlicher Ebene getroffen werden können.

- Es müssen EU-weite anspruchsvolle Mindeststandards für Steuern und Sozialleistungen eingeführt werden. Auch höhere Standards in einzelnen Mitgliedsstaaten dürfen durch die Politik der EU nicht gefährdet werden.

- Die Militarisierung der EU im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik muss sofort gestoppt und durch Maßnahmen der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung ersetzt werden.

- Der Euratom-Vertrag muss aus dem Entwurf gestrichen werden. Die EU muss sich stattdessen zu einer nachhaltigen Energiepolitik unter Nutzung erneuerbarer Energien  und unter Verzicht auf Atomenergie einsetzen.

- Die Ziele der deutschen EU-Politik müssen Frieden, die Bewahrung sozialer Grundrechte und ökologische Nachhaltigkeit sein.

- Keine politischen Erpressungsversuche der Bundesregierung gegenüber allen Staaten, die diesem untauglichen Verfassungsentwurf nicht zustimmen wollen.