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Oberhessische Zeitung vom 25.02.2006 (Gescannt)

„Eine neue Form der öffentlichen Verschuldung"

Kölner Publizist Werner Rügemer auf Einladung von Attac, ver.di und GEW in Alsfeld - „Widersinn der öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP)"

ALSFELD (pcf). „Sind öffentlich-private Partnerschaften ein gangbarer Weg oder ein Irrweg?", fragte Michael Riese von Attac Aisfeld am Donnerstagabend. Die Antwort des Publizisten Werner Rügemer war unmissverständlich: „Gerade wenn eine Kommune sparen muss, darf sie solchen Projekten nicht zustimmen." Undurchsichtige Verträge, Korruption, überforderte Stadträte, versteckte Kosten -Rügemers Kritikliste war lang.

Auf Einladung der Globalisierungskritiker von Attac und der Gewerkschaften GEW und ver.di berichtete der Kölner Politikwissenschaftler im Hotel „Zur Erholung" über die wachsende Zahl von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP). Seit über zehn Jahren beschäftigt sich Rügemer mit dem Thema und ist inzwischen vom „Widersinn dieser Modelle" überzeugt: In den meisten Fällen würden die Gemeinden draufzahlen, sagte er am Donnerstag.

Die Idee hinter PPP: Sind die öffentlichen Kassen so teer, dass Neubauten oder Sanierungen nicht mehr bezahlt werden können, treten private Investoren auf den Plan und führen die Arbeiten aus; der Staat mietet sich anschließend bei ihnen ein. Immer mehr Kommunen stimmen solchen Projekten zu, weil sie keine andere Möglichkeit sehen, geplante Investitionen umzusetzen. „Die Kommunalaufsicht verbietet den verschuldeten Gemeinden, neue Kredite aufzunehmen", sagte der Publizist. „Deshalb entscheiden sich viele Kommunen für PPP -und die privaten Investoren reiben sich die Hände."

Die Allianzen mit Wirtschaftsunternehmen seien „eine neue, zusätzliche Form der öffentlichen Verschuldung", kritisierte Rügemer. In den meisten Fällen käme die Gemeinden ein normaler Kredit und der Bau in Eigenregie günstiger zu stehen: „Der Effekt von PPP ist also das Gegenteil von dem, was immer behauptet wird." Im Kleingedruckten der Verträge zwischen öffentlicher Hand und privatem Investor gebe es folgenschwere Regelungen, die der Öffentlichkeit vorenthalten blieben: „Wie sich zeigt, kommen die Pferdefüße dieser langfristigen Verträge erst später zutage." So werde den Investoren häufig eine Gewinngarantie samt Risikoprämie eingeräumt.

Mit Beispielen aus bereits umgesetzten Projekten wollte Rügemer deutlich machen, dass PPP einen Nährboden für Korruption und Klüngel bietet: „Kommunalaufsicht und Justiz sind nicht in der Lage, die mit der Privatisierung routinemäßig entstehenden Praktiken zu unterbinden", klagte der Politikwissenschaftler. In den „verschlafenen Amtsstuben der deutschen Kommunalaufsicht" fehle es an Kompetenz, um „gegen die Übermacht der Privaten zu bestehen". Mit Vertrags-abschluss lasse sich die öffentliche Verr waltung auf ein ständiges Gerangel mit den privaten Investoren ein: „Um jede Kleinigkeit, um jedes undichte Fenster mUssen Sie eine Auseinandersetzung mit deren amerikanischen Rechtsanwälten führen."

In der anschließenden Diskussion wurde vor allem der Einfluss der Kommunalpolitiker auf PPP-Verträge lebhaft diskutiert. Rügemer berichtete, dass viele Entscheidungsträger nur Teile des Vertragstextes zu Gesicht bekämen und überdies hilflos seien: „Da muss man ja Volljurist sein, um zu verstehen, worüber man eigentlich abstimmt", hieß es aus dem Publikum, nachdem Rügemer Rechtskonstruktionen wie die „Forfaitierung mit Einredeverzicht" vorgestellt hatte. Von einer Entmachtung der Parlamente sprach Attac-Mitglied Hans-Georg Bodien: „Gute Nacht, Demokratie!" rief er.

Auf die Erfahrungen mit PPP im Vogelsberg zielte der Alsfelder Architekt Herbod Gans ab, als er den Erweiterungsbau der Max-Eyth-Schule in der Krebsbach kritisierte. Bei diesem Neubau, der in öffentlich-privater Partnerschaft entstanden ist, habe es keinerlei Wettbewerb gegeben: „Ob die Baukosten, mit denen argumentiert wurde, realistisch waren, wurde in keiner Weise geprüft." Das örtliche Handwerk sei kaum beschäftigt worden und auch die Qualität der Planung sei ausgesprochen schlecht: „Wenn ein Investor dahintersteht, wird unter der Prämisse geplant, eine wirtschaftliche Baracke zu bauen."

Peter Zielinski, der Mitte März für die Grünen als Landrat kandidiert, wollte in PPP-Vorhaben „kein Allheilmittel hen". Seine Konkurrenten Karl-Heinz Krug (SPD) und Rudolf Marx (CDU) würden öffentlich-private Partnerschaften begrüßen, dem Kreis damit aber keinen Gefallen tun: „Man verschiebt die Verschuldung im Haushalt einfach nur so, dass die Kommunalaufsicht sie nicht mehr beanstandet." Über die Motive der Investoren dürfe man sich keine Illusionen machen: „Ein Privater steckt sein Geld nicht in ein Projekt, weil er so lieb und nett ist, sondern weil er Gewinn machen will."

Simone Wißmer, die für die Linksparte in den Kreistag einrücken will, kündigte an: „Wir werden PPP aus Prinzip nicht zustimmen."