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Ypsilanti rüttelt am Schulsystem

Vorstoß für Gemeinschaftsschule bis Klasse zehn spaltet die Landespolitik / Ideen der SPD-Chefin sind Koch ein Graus

In kaum einem Land ist der Bruch zwischen Grund- und weiterführender Schule so hart wie in Deutschland. Das gegliederte Schulsystem zwingt Eltern und Lehrer sehr früh eine Entscheidung über den weiteren Bildungsweg ab. Viele Jahre schien dies fest gefügt, nun kommt Bewegung in die Sache.

Frankfurt - Lange Zeit haben Hessens Sozialdemokraten das Reizwort gemieden: Gesamtschule. Zu verbraucht schien der Begriff, aufgerieben in den Bildungsdebatten der 60er, 70er und frühen 80er Jahre. In den nächsten Wahlkampf aber zieht die SPD - Andrea Ypsilanti an der Spitze - mit dem Konzept gemeinsamen Lernens bis zur 10. Klasse. Spitzenkandidatin Ypsilanti ist damit exakt auf der Linie, auf der sie sich gegen die Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch und seiner Stellvertreterin Kultusministerin Karin Wolff (beide CDU) profilieren will. Sie bietet, das ist offensichtlich, die klare Alternative.

Gymnasien, Haupt- und Realschulen würden nach dem Willen der SPD-Spitzenfrau in einer Gemeinschaftsschule aufgehen, in der Kinder und Jugendliche vom Schuleintritt bis Klasse 10 gemeinsam unterrichtet werden. Noch ist das Konzept nicht offiziell vorgestellt - klar aber ist, dass es sich in weiten Teilen an skandinavischen Schulmodellen orientiert, die Schüler und Schülerinnen sehr unterschiedlichen Leistungsvermögen sehr lange in einem Klassenverband belassen - und nach Bedarf individuell Schwächen ausgleichen und Stärken fördern.

Ähnliches ist von den Grünen in Hessen schon länger zu hören, sie sehen in der Vielfalt der Schüler eine Chance und wollen die Prinzipien, die in der Grundschule gelten, auch auf die Mittelstufe ausgeweitet sehen.

Roland Koch und seiner Kultusministerin ist dies ein Graus. Zwar pflegen auch sie die Rede vom individuellen Fördern - einen wesentlichen Teil dieser individuellen Förderung sehen sie aber in der (richtigen) Einsortierung der Jungen und Mädchen in die dem Leistungsvermögen angemessene Schulform. Sie liegen damit mit der FDP weitgehend auf einer Linie. Die Idee der "Gemeinschaftsschule" kommentiert Koch als "Weg zur ideologischen Einheitsschule, hinter der die Ideologie vom Einheitsmenschen" stehe. Wolff hält es für unmöglich, "völlig unterschiedliche junge Leute in einem Klassenverband" bis zum Ende der Klasse 9 oder 10 zusammenzuhalten, ein neues Nachdenken über die Schulstrukturen sei "vollkommen reizlos". CDU-Schulpolitiker Hans-Jürgen Irmer hat aufgrund Ypsilantis Idee eines längeren gemeinsamen Lernens bereits einen "extremen Linksruck" in der hessischen SPD und einen Generalangriff auf die Bildungsqualität ausgemacht.

Bildung ist Wahlkampfthema

Bildung und damit die Debatte über das richtige Schulsystem wird eines der bestimmenden Themen im Landtagswahlkampf 2008 werden - neben der Frage, welche Art der Energieerzeugung und -nutzung für Hessen die richtige sei: Atomkraft oder regenerative Energien aus Sonne und Wind.

Wie sich die Wähler und Wählerinnen am 27. Januar des nächsten Jahres auch entscheiden werden - schnelle Veränderungen im Schulsystem sind davon kaum zu erwarten. 2000 Schulen und 50 000 Lehrer sind nur mit größter Mühe und langem Atem (um)zusteuern. Die Qual der richtigen Schulwahl wird also auch künftigen Schülerjahrgängen und deren Eltern und Lehrern noch lange erhalten bleiben. Peter Hanack

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Copyright © FR online 2007
Dokument erstellt am 12.01.2007 um 20:04:02 Uhr
Letzte Änderung am 15.01.2007 um 15:18:46 Uhr
Erscheinungsdatum 13.01.2007