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Das Projekt Wowereit

VON BERNHARD HONNIGFORT UND ROUVEN SCHELLENBERGER

BERLIN. Natürlich fand sich am Montag kein wichtiger Sozialdemokrat, der Klaus Wowereit Recht gab. Nicht einmal die Parteilinke Andrea Nahles oder der Chef der linken SPD-Abgeordneten, Ernst Dieter Rossmann, mochten sich der Forderung von Berlins Regierendem Bürgermeister nach einer Enttabuisierung von Rot-Rot im Bund anschließen. Dennoch wurde Wowereit in der Sitzung des Präsidiums für seinen Vorstoß nicht gerügt. Auch wenn viele denken, dass da einer ein Spiel spielt. Laut sagen mag es keiner.

Generalsekretär Hubertus Heil blieb es überlassen, das Schweigen als Beweis für Einigkeit anzuführen. Im Präsidium gebe es eine breite Übereinstimmung, dass auf absehbare Zeit keine Koalition mit der Linkspartei möglich sei, sagt Heil. "Es hat keinen Sinn, jetzt über die Jahre 2013, 2020 oder 2090 zu spekulieren."

Immer weiter hatte sich Wowereit zuletzt rot-roten Optionen auf Bundesebene geöffnet - sehr zum Ärger der Parteispitze. Mit seinem jüngsten Vorstoß torpediert er die SPD-Strategie, der Linkspartei möglichst wenig mediale Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. "Das hilft keinem, auch nicht Wowereit", schimpft einer aus der engsten Parteiführung. Für den Berliner aber ist Rot-Rot im Bund nicht nur kein Schreckgespenst. Es ist seine große Chance für einen parteiinternen Aufstieg, der ihm bislang verwehrt blieb, vermutlich seine einzige Chance.

Objektive Gründe für Wowereits Offensive lassen sich finden: Einzug der Linkspartei in die Bremer Bürgerschaft, Parteigründung der neuen Linken. Doch vor allem gibt es einen Wowereit-spezifischen, die fortschreitende Stabilisierung des Bürgermeisters selbst. Erst kürzlich stand er im Berliner Abgeordnetenhaus und konnte erstmals in seiner Amtszeit sehr erfreuliche Zahlen präsentieren. Sein Berlin, arm, aber sexy, wie er einmal sagte, macht ab 2008 keine neuen Schulden mehr und will sogar bis 2011 drei der rund 61 Milliarden Euro Miesen abbauen. Außerdem beendete er die leidige Affäre um die Berliner Landesbank, indem er sie für über fünf Milliarden Euro an den Sparkassenverband verkaufte. "Berlin hat gute Chancen", protzte ein gutgelaunter Regierender Bürgermeister. Und die Opposition konnte nicht wirklich widersprechen.

Eine anstrengende Berg-und Talfahrt hat dieser Wowereit hinter sich. Sein Herausforderer Friedbert Pflüger (CDU) war bei der Wahl 2006 furchtbar eingebrochen und hatte das schlechteste CDU-Wahlergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg eingefahren. Wowereit, der seit 2002 mit der PDS regiert hatte, war so stark, dass er sich aussuchen konnte, ob er Rot-Rot weitermachen oder mit den Grünen koalieren wollte. Er blieb der PDS treu, mit der er den Berlinern ein hartes Sanierungsprogramm abverlangt hatte.

Doch kurze Zeit nach der Wahl fiel der Sieger in ein Loch. Vom Berliner Sanierer und Partymeister blieb nur der Partymeister übrig und von dem hatten Opposition und Lokalpresse die Nase gestrichen voll. Selbst aus den eigenen Reihen kam Kritik: "Wir können mehr", sagte Fraktionschef Michael Müller. Nachdem Wowereit vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Klage auf eine milliardenschwere Finanzhilfe durch den Bund abgeblitzt war, schien er neben der Spur zu laufen. "Er ist nicht mit sich im Reinen", diagnostizierte Oppositionsmann Pflüger.

Das ist ein gutes halbes Jahr her. Jetzt scheint Wowereit zu seiner stärksten Rolle zurückgefunden zu haben: Er ist der Frontmann innerhalb der SPD für rot-rote Bündnisse. Wer, wenn nicht er, der seit fünf Jahren mit der PDS - heute Die Linke - regiert?

In Mecklenburg-Vorpommern, wo ein rot-rotes Bündnis von 1998 bis 2006 bestand, beendete Ministerpräsident Harald Ringstorff vergangenen Herbst die Liaison mit der PDS. Die Mehrheit wäre zu dünn gewesen. In Berlin kann Wowereit im Alleingang vorexerzieren, wie man mit Rot-Rot regieren und eine Stadt sanieren kann. Die nächsten Wahlen sind erst 2011.

Auch in seiner Personalpolitik verknüpft Wowereit Rot-Rot mit einem bundespolitischen Anspruch. Den Juso-Chef Björn Böhning macht er zu seinem obersten Grundsatzreferent. Jessika Wischmeier, Ex-Bundesgeschäftsführerin der Jusos, leitet sein Büro. Beide sind in der linken SPD-Welt bestens vernetzt .

Tatsächlich ist die rot-rote Option Wowereits einzige Chance auf höhere Funktionen in Partei und Republik. Selbst der damalige Kanzler Gerhard Schröder musste dies im Wahljahr 2005 erfahren, als der Bürgermeister aus Berlin verkündete, SPD, Grüne und PDS seien auch auf Bundesebene eine Möglichkeit. Seither geht das Gerücht, er habe keine rechte Lust mehr im Roten Rathaus.

Freunde wie Gegner in der SPD sagen, dass Wowereit zurzeit seine Position festschreibt. Sie wissen, als künftige Vizechefin der Partei wird Nahles diese Rolle nicht spielen können. Sie ahnen, dass Wowereit sich für den Tag x bereit hält. Sie zweifeln zwar, ob diese Rolle tragen kann über einen langen Zeitraum. Aber dass es ein Projekt Wowereit gibt, daran zweifeln sie nicht.

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Dokument erstellt am 02.07.2007 um 17:48:03 Uhr
Letzte Änderung am 02.07.2007 um 22:39:39 Uhr
Erscheinungsdatum 03.07.2007