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Frankfurter Rundschau vom 19.05.2006  : WIRTSCHAFTS-THEMA PLUS (Gescannter Bericht)

S-Gruppe bläst der Wind ins Gesicht

Auf dem deutschen Bankenmarkt tobt ein harter Kampf/Wettbewerber aus dem In- und Ausland ringen um Anteile

VON MARIO MÜLLER

Im Mai haben selbst Bürokraten ihre lyrischen Momente. „Blütenträume liegen in der Luft" schwärmte kürzlich Jochen Sanio, oberster staatlicher Aufseher über das Finanzgewerbe, und verwies auf den wirtschaftlichen Aufschwung im Geldgeschäft, der „vom Frühling" künde. Tatsächlich deuten die jüngsten Zahlen darauf hin, dass die hiesigen Kreditinstitute die mehrjährige Durststrecke überwunden haben. Vielerorts sprudeln die Gewinne wie in alten Zeiten. Doch für Sanio sowie zahlreiche Branchenvertreter klingeln die Kassen noch immer nicht laut genug. Sie klagen über den harten Wettbewerb und fordern eine „Marktbereinigung" - was im Zweifel zu Lasten der Kunden und gegen Öffentliche Institute wie die Sparkassen geht.

„Deutsche Bank schafft Rekord", „Commerzbank bläst zur Aufholjagd", „Postbank verheißt steigende Gewinne" - die Schlagzeilen der vergangenen Tage und Wochen bestätigen den allgemeinen Befund: Der Wirtschaftszweig sprießt wieder. 2005, sagt Sanio, hätten „alle systemrelevanten Institute" zum ersten Mal seit mehreren Jahren wieder schwarze Zahlen geschrieben. Und der Trend setzt sich vorerst fort. Konzernchef Josef Ackermann spricht vom „erfolgreichsten Quartal in der Geschichte der Deutschen Bank". Der Branchenprimus konnte in den ersten drei Monaten 2006 die Eigenkapitalrendite aufsagenhafte 40 Prozent schrauben.

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Die Wettbewerbssituation der Sparkassen ist alles andere als rosig. Internet-und Autobanken schreiben Erfolgsgeschichten.
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Selbst die Aktionäre der Commerzbank sind voll des Lobes: Aus dem Übernahmekandidaten von einst sei ein „Player geworden, dem man Übernahmen zutraut", hieß es kürzlich auf der Hauptversammlung.

Gleichwohl hält sich auf den Vorstandsetagen der Jubel über den Geldsegen in Grenzen. Was nicht nur daran liegt, dass die Arbeitgeber den Forderungen der Gewerkschaften in den aktuellen Tarifverhand-lungen möglichst wenig Nahrung bieten wollen. Die zurückhaltende Bewertung wird auch mit dem Hinweis begründet, die hiesigen Institute hinkten im internationalen Vergleich noch immer hinterher. Nach wie vor arbeiteten Banken im europäischen Ausland profitabler, meint etwa Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller.

Sanio sieht das genauso. Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) glaubt auch den Grund für den Abstand bei den Gewinnmargen zu kennen: „Der deutsche Markt ist nach wie vor umkämpft, der Konditionenwettbewerb nach wie vor hart."

Was dem naiven Beobachter als Kennzeichen kapitalistischer Wirtschaftsordnung erscheinen mag, ist den Managern der privaten Banken ein Dorn im Auge. Sie reklamieren, dass hier zu Lande kein fairer Wettbewerb herrscht, weil der Staat über öffentlich-rechtliche Sparkassen und Landesbanken die Bedingungen verzerre. Wolle die Bundesrepublik „dauerhaft in der Liga der führenden Finanzplätze mitspielen, müsse die auf drei Säulen - private, genossenschaftliche und öffentliche Institute - ruhende Struktur aufgebrochen werden, fordert Commerzbanker Müller, der nebenbei noch dem Bundesverband deutscher Banken, der Interessenvertretung der privaten Geldhäuser, als Präsident vorsteht.

Tatsächlich bringen die 463 Sparkassen und elf Landesbanken ein erhebliches Gewicht auf die Waage. Zuletzt verbuchte die Gruppe, zu der außerdem diverse Bausparkassen und Versicherungen gehören, mehr als ein Drittel der Bilanzsumme aller hiesigen Banken. In einzelnen Sparten wie dem Einlagengeschäft liegt der Marktanteil noch höher. Und obwohl Landesbanken wie die WestLB mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatten, bleibt reichlich Ertrag hängen. Wie die Bundesbank zuletzt ermittelte, landete vom Jahresüberschuss, den das Gewerbe insgesamt im Jahr 2004 vor Steuern erwirtschaftete, fast die Hälfte in den Kassen der Öffentlichen Institute.

Dabei ist die Wettbewerbssituation der Sparkassen alles andere als rosig. Da immer mehr Bundesbürger über einen Internet-Anschluss verfügen, schreiben die Direktbanken Erfolgsgeschichte. Um Otto Normalverbraucher rangeln auch andere Spezialinsti-tute wie Autobanken mit den Sparkassen. Hinzukommt, dass die deutschen Großbanken den Mittelstand und den gemeinen Privatkunden wiederentdeckt haben und zahlreiche ausländische Finanzinstitute mit Lockangeboten auf dem hiesigen Markt Fuß zu fassen versuchen.

Gleichwohl erwecken die Gewinne der Sparkassen Neid, zumal die Großbanken
nicht nur fette Jahre kennen. Ginge es nach Müller und seinen Mitstreitern, würden Landesbanken und Sparkassen kurzerhand privatisiert und zur Übernahme freigegeben.

Der Nutzen des immer wieder geforderten Konzentrationsprozesses, der unter dem Schlagwort „Konsolidierung" firmiert, ist allerdings äußerst fraglich. Große Kreditinstitute arbeiten nicht automatisch effizienter oder profitabler, wie sich an den Schwierigkeiten ablesen lässt, in die Dresdner, Commerzbank oder die Münchner Hypo-Vereinsbank geraten waren. Die Deutsche Bank kam nur deshalb relativ glimpflich davon, weil sie ihr reichhaltiges Tafelsilber verscherbelte. Und was ihr Management im Geschäft mit den Privatkunden ablieferte - zuerst Ausgliederung, dann zurück marsch-marsch - zeugt von erschreckender Hilflosigkeit.

Profiteure der „Konsolidierung" wären wohl in erster Linie die Aktionäre der Großbanken. Zu den Verlierern dürften neben den Beschäftigten, die bei jedem Zusammen-schluss um ihre Jobs bangen müssen, auch die Kunden zählen. Die europäischen Banken jedenfalls, die von Sanio und Müller als Vorbild gepriesen wird, arbeiten vor allem deshalb profitabler, weil sie wegen des geringeren Wettbewerbs ihrer Klientel tiefer in den Geldbeutel greifen können. Mag das hiesige Kreditgewerbe auch vergleichsweise niedrige Renditen abwerfen - wegen der geringen Konzentration auf der Anbieterseite und des „sehr intensiven Preiswettbewerbs" arbeitet es „volkswirtschaftlich hoch produktiv", benennt die staatliche Förderbank KfW in einer Studie den Nutzen.