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Wie der Begriff eines
öffentlichen Unternehmens im Wirtschaftssystem der Bundesrepublik
Deutschland 1985 analysiert wurde (26.01.2008)
Unterrichtsbeispiel für die Sek. II
(Wirtschaftslehre und Sozialkunde)
Gerhard
Himmelmann/Hermann Harms/Gotthard Breit
Sachanalyse (Gescannter Auszug aus
„Gegenwartskunde 4/85“)
Inhaltsverzeichnis
:
1.
Einleitung
1.1
Begriffserklärung: Gemischte Wirtschaftsordnung
1.2
Bedeutung des Themas; Privatisierungsdiskussion
1.3
Schwierigkeiten im Umgang mit dem Thema
2.
Umfang, Motive und Rechtsstruktur der öffentlichen
Unternehmen
2.1
Schwerpunkte und Anteile
2.2
Herkunft der öffentlichen Unternehmen
2.3
Rechtsformen und strukturelle Entwicklungstrends
3.
Steuerung und Kontrolle
3.1
Instrumentalthese
3.2
Bedeutung der Wirtschaftlichkeitsziele
3.3
Politische Steuerung
4.
Aktuelle Kontroversen: Privatisierung
5.
Literaturhinweise
1. Einleitung
1.1 Begriffserklärung:
Gemischte Wirtschaftsordnung
Das
Wirtschaftssystem in der Bundesrepublik Deutschland kann durch zwei
systemtypische Begriffe gekennzeichnet werden: durch den Begriff der
„sozialen Marktwirtschaft" oder durch den Begriff der „gemischten
Wirtschaftsordnung". Der Begriff „soziale Marktwirtschaft" umschreibt
den Sachverhalt, dass im Kern alle Wirtschaftsentscheidungen über
den anonymen Markt koordiniert werden. Privatinitiative und
Privateigentum an den Produktionsmitteln dominieren. Das
Wirtschaftsgeschehen wird durch freie Marktpreisbildung nach den
Gesetzen von Angebot und Nachfrage gesteuert. Das Adjektiv „sozial"
deutet an, dass die freie Marktwirtschaft durch zahlreiche ordnungs-,
Struktur- und prozesspolitische Eingriffe des Staates reguliert und
damit begrenzt wird.
Der
Begriff „gemischte Wirtschaftsordnung" („mixed
e.conomy") betont den Umstand, dal* es
selbst in einem Marktwirtschaftssystem eine Vielzahl von
Eigentumsformen und Wirtschaftsstilen gibt. Neben den
privatwirtschaftlich betriebenen Unternehmen existieren auch die
Unternehmen der Gemeinwirtschaft wie: Genossenschaften,
gemeinnützige Unternehmen, Stiftungen, Unternehmen der
Gewerkschaften und der Kirchen und auch öffentliche Unternehmen
(von Bund, Ländern und Gemeinden). Die unterschiedlichen Formen
des Eigentumsbesitzes (Privateigentum, Gemeinschaftseigentum und
Staatseigentum) führen zu verschiedenen Unternehmenstypen, die mit
ihren Zielen erheblich voneinander abweichen können (privates
Gewinnstreben, Förderung gemeinschaftlicher Anliegen, Verfolgung
öffentlicher Zwecke).
Der
Begriff „Marktwirtschaft" weckt im allgemeinen starke Assoziationen zum
Begriff „Privatwirtschaft". Die öffentlichen Unternehmen treten
dabei kaum ins Blickfeld. Dagegen verweist der Begriff „gemischte
Wirtschaftsordnung" auf die prinzipiell gleichberechtigte Stellung der
Gemeinwirtschaft (einschl. der Staatswirtschaft) innerhalb des
Wirtschaftssystems der Bundesrepublik.
Das
Grundgesetz begrenzt das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik nicht auf
das Konzept der sozialen Marktwirtschaft. Es bekennt sich vielmehr zur
wirtschaftspolitischen Neutralität, zur Offenheit und
Vielgestaltigkeit der Wirtschaft. Es erwähnt in Art. 15 explizit
die Wirtschaftsformen des „Gemeineigentums" (lies: die
öffentlichen Unternehmen) und „andere Formen der
Gemeinwirtschaft". Die Legitimität der gemeinwirtschaftlichen
Unternehmen (im engeren Sinn: der öffentlichen Unternehmen) beruht
- neben Art. 15 - auf Art. 20, auf Teilen von Art. 73 und 74 sowie auf
Art. 87(1), 110(1) und 135(6) GG.
1.2 Bedeutung des Themas:
Privatisierungsdiskussion
Die
öffentlichen Unternehmen bilden einen starken, jedoch oft
unterschätzten Wirtschaftssektor. In der Nachkriegszeit passten
sie allerdings zunächst schlecht in das Bild einer neu etablierten
neo-liberalen Marktwirtschaft westlichen Typs. Die hohe
Wertschätzung für die Privatwirtschaft führte dazu, daß es immer wieder Ansätze für
eine Privatisierung öffentlicher Unternehmen gegeben hat. 1958ff.
wurden diese Pläne in einem ersten Durchgang in die Tat umgesetzt-
Die Preußischen Elektrizitätswerke AG, die Volkswagen AG und
die Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks AG (VEBA) wurden
teilprivatisiert. 1983 eröffneten die Parteien der politischen
„Wende" eine zweite Runde von Privatisierungen, u. a. durch die weitere
Teilprivatisierung der VEBA AG. Die Diskussion um die Privatisierung
öffentlicher Unternehmen hat damit einen neuen Kulminationspunkt
erreicht, der eine Auseinandersetzung mit der öffentlichen
Wirtschaft aktuell und sinnvoll erscheinen lässt.
l .3 Schwierigkeiten im Umgang mit dem Thema
Wer
sich dem Thema der öffentlichen Unternehmen nähert, wird mit
vielfältig kritischen Analysen konfrontiert. Insbesondere in der
rein ökonomischen Literatur stehen die öffentlichen
Unternehmen unter dem Verdacht der mangelnden Wirtschaftlichkeit und
der fehlenden Leistungsfähigkeit, da sie (vermeintlich) keinen
effektiven Marktanreizen, Marktpreisregelungen und Marktkontrollen
unterliegen. Ihnen werden zu hohe Kosten und zu hohe Preise oder aber
zu niedrige Preise und Verschwendung öffentlicher Mittel
vorgeworfen. Meist tritt der Vorwurf der mangelnden Initiative und der
Bürokratisierung des Wirtschaftslebens hinzu.
Theoretisch-methodisch folgen die rein ökonomischen Analysen einem
individualistisch marktorientierten Theoriekonzept. Das Problem besteht
aber darin, dass die öffentlichen Unternehmen primär keine
individualistischen. (Gewinn-)Ziele verfolgen und daher auch nicht
(allein) mit einem individualistisch-marktorientierten Theoriekonzept
hinreichend zu erfassen sind. Die empirisch gehaltvolle Analyse der
öffentlichen Wirtschaft erfordert dagegen einen integrativen
politisch-ökonomischen Theorieansatz.
Die
derzeit herrschende Meinung in der ökonomischen Literatur
fördert und unterstützt - auf theoretischer Ebene - den
politischen Druck in Richtung auf eine Privatisierung. Angesichts
dieses Drucks haben abwägende Analysen Schwierigkelten, sich
Gehör zu verschaffen. Zugleich haben die öffentlichen
Unternehmen Probleme, ihre Leistungsfähigkeit sachadäquat
nachzuweisen. Die Diskussion ist mit Vorurteilen belastet.
Dies
umso mehr, da das Wirtschaftssystem in der Bundesrepublik an der
Nahtstelle zwischen Ost und West sehr stark unter der abstrakten
Systemfrage: „Private Marktwirtschaft oder staatliche Planwirtschaft?"
beurteilt wird. Der west-östliche Gegensatz schlägt
innenpolitisch durch und setzt sich in einer wertenden Dichotomie
unterschiedlicher Wirtschaftsstile, Eigentums- und Unternehmensformen
fort. Den privatwirtschaftlichen Unternehmen bzw. dem Markt werden
meist unbesehen exemplarische Beiträge zur allgemeinen
Wohlfahrtssteigerung unterstellt. Die öffentlichen Unternehmen
stehen dagegen unter einem besonderen Legitimationszwang.
Die
prekäre Diskussion um die öffentliche Wirtschaft wurde Ende
der 70er/Anfang der 80er Jahre zusätzlich durch einige
öffentlichkeitswirksame Skandale bei verschiedenen
Öffentlichen Unternehmen belastet. Persönliches Fehlverhalten
von Managern, Fehlinvestitionen, Aufgabenüberschreitungen und
mangelnde Kontrollen (u. a. bei der Hessischen Landesbank, bei der
Westdeutschen Landesbank, bei den Hamburger Elektrizitätswerken
und bei der Hamburger Stadtentwicklungsgesellschaft) brachten diesen
Unternehmenstyp wiederholt ins Zwielicht.
2. Umfang, Motive und Rechtsstruktur der
öffentlichen Unternehmen
Schwerpunkte und Anteile
Zu den
öffentlichen Unternehmen gehören (gemäß
Finanzstatistikgesetz) alle Unternehmen, an deren Nenn-Kapital die
öffentliche Hand (Bund, Länder, Gemeinden) mit mehr als 50%
beteiligt ist. Oft werden aber auch die Beteiligungen bis zu 25% zu den
öffentlichen Unternehmen gerechnet.
Die
Tätigkeitsschwerpunkte der öffentlichen Unternehmen liegen
traditionell in den Sektoren der Versorgung und der Entsorgung
("Elektrizität, Gas, Wasser, Fernwärme und
Abwasserbeseitigung, Müllabfuhr usw.). Öffentliche
Unternehmen betreiben darüber hinaus den öffentlichen Nah-
und Schienenverkehr, den Luftverkehr und die Binnenschifffahrt einschl.
der Häfen. Öffentliche Unternehmen sind tätig im Post-
und Fernmeldewesen, in Funk und Fernsehen, im Bereich Forschung und
Technologieentwicklung, nicht zuletzt im Wohnungswesen, im Kredit- und
Versicherungswesen. Hinzu kommen umfangreiche
Tätigkeitsschwerpunkte im Handel und im produzierenden Gewerbe
(Steinkohle, Braunkohle, Eisenerz, Roh- und Walzstahl, Erdöl,
Kraftfahrzeuge, Schiffbau u. v. a. m.).
Soweit
es sich um Unternehmen in privater Rechtsform handelt, haben diese
Unternehmen (1982 2.027 Unternehmen) nur einen Anteil von 0,7% an allen
Unternehmen in privater Rechtsform in der Bundesrepublik. Der Anteil
ihres (Nenn-)Kapitals an allen Unternehmen in privater Rechtsform
beträgt allerdings 23,5%! Fasst man die Zahl der öffentlichen
Unternehmen in privater und in öffentlicher Rechtsform zusammen,
so kommt man insgesamt auf 4.070 öffentliche Unternehmen in der
Bundesrepublik mit einem (Nenn-)Kapital von 132,5 Mrd. DM (1982). Der
Anteil aller öffentlichen Unternehmen an der gesamten
Bruttowertschöpfung (Gesamtsumme aller produzierten Güter und
Dienstleistungen) liegt bei 12,5% aller Unternehmen, Ihr Anteil an den
Bruttoanlageninvestitionen liegt bei 14,7%. In ihnen sind 11,4% aller
in Unternehmen abhängig Beschäftigten in der Bundesrepublik
tätig (absolut 1,9 Mio.). Betrachtet man allein den Bund, so zeigt
sich: Der Bund hat maßgeblichen Einfluss auf das
umsatzstärkste Unternehmen der Bundesrepublik (VEBA AG, Anteil
1984: 30%). Der Bund besitzt zu 100% das renditestärkste und
zugleich das personal intensivste Unternehmen (Deutsche Bundespost),
aber zugleich auch das verlustreichste Unternehmen in der
Bundesrepublik (Deutsche Bundesbahn). Insgesamt ist der Bund (1984) mit
mind. 25% unmittelbaren 101 Unternehmen beteiligt. Bei den mittelbaren
Beteiligungen (Tochterunternehmen) beläuft sich die Zahl auf 487
Unternehmen.
2.2 Herkunft der Öffentlichen Unternehmen
Die
öffentlichen Unternehmen in der Bundesrepublik verdanken ihre
Existenz nicht irgendwelchen gezielten Nationalisierungen oder
Sozialisierungsaktionen in der Vergangenheit. Historisch stammt ein
Teil noch aus dem kameralistischen Erbe des preußischen
Staatsbesitzes (z. B. Bergbau). Ein anderer Teil stammt aus dem Besitz
der (bis 1871) selbständigen deutschen Fürstentümer (z.
B. Hof- und Staatsbanken). Ein weiterer Teil (z. B. Eisenbahnen) kam
aus nationalstrategischen Gründen (unter Bismarck) in
Staatsbesitz. 1871 übernahm das Kaiserreich mit
landesentwicklungspolitischer Zielsetzung das Postwesen als
„Reichspost", Der 00Ausbau der regionalen und Skalen
Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung führte um die
Jahrhundertwende zu einer weiteren Ausdehnung der öffentlichen
Wirtschaft (Zähmung der leitungsgebundenen, „natürlichen"
Monopole). Einen weiteren Schuh erhielt die öffentliche Wirtschaft
durch die Maßnahmen der Kriegs- und Rüstungswirtschaft-1914
- 18 und 1936 - 45 (Sicherung der nationalen
Autarkie). Die Bankenkrise von 1929f. ließ es sinnvoll
erscheinen, diesen Wirtschaftssektor durch krisensichere
öffentliche Bankinstitute abzusichern.
Die
vielfältigen Motive öffentlicher Wirtschaftstätigkeit
lassen sich um zahlreiche weitere Stränge erweitern. Sicherung
einer angemessenen Hygiene und Volksgesundheit (öffentliche
Schlachthöfe, Krankenhäuser), Sicherung eines allgemeinen
Brand-,' Hagel-, Sturm- und Viehversicherungsschutzes (öffentliche
Versicherungen), Förderung der Landeserschließung und der
regionalen und industriellen Entwicklung, Förderung der
Grundlagenforschung (Kernforschung) oder auch Pflege des Sparsinns und
bankmäßige Erschließung des kleinen
Geschäftsverkehrs (Sparkassen). Die Hilfe beim Wiederaufbau
1945ff. forderte den Staat wiederum zu eigenen
Wirtschaftsaktivitäten heraus (Wohnungsbau etc.).
Analysiert
man die öffentliche Wirtschaft in ihrer Vielgestaltigkeit, so
trifft man letztlich auf drei Grundmotive der öffentlichen
Unternehmenswirtschaft:
1. den
älteren (und zugleich modernen) Gedanken der Landesentwicklung,
der Regional- und Strukturpolitik,
2. den liberalen Antimonopolismus und
3. die moderne
wohlfahrtsstaatliche Politik einer sozial verantwortlichen
Daseinsvorsorge.
Öffentliche
Unternehmen erfüllen drei Grundfunktionen. Sie haben eine Pionier-
und Lückenbüßerfunktion, eine Korrektur- und
Ergänzungsfunktion und eine Sicherungs- und Vorsorgefunktion. Sie
treten dort auf, wo es keine oder keine ausreichende private
Wirtschaftstätigkeit gibt, wo die private Erwerbswirtschaft zu
unerwünschten Ergebnissen (Nebenfolgen) führen würde und
wo eine direkte Verwaltungstätigkeit zu unflexibel,
bürokratisch und marktfern wäre. Öffentliche Unternehmen
ergänzen und fördern also die private Wirtschaft. Sie dienen
der sozialstaatlichen Ausgestaltung der Marktwirtschaft. Sie sind damit
für den Bestand einer funktionsfähigen Gesamtwirtschaft und
für eine wohlfahrtsstaatliche Gesellschaft unerlässlich.
2.3 Rechtsformen und strukturelle
Entwicklungstrends
Die
Vielfalt der öffentlichen Unternehmen spiegelt sich, in einer oft
unübersichtlichen Rechtskonstruktion wider. Regiebetriebe sind
(kommunale) Unternehmen des öffentlichen
Rechts, die — getrennt von der übrigen
Verwaltung -- eine bestimmte Aufgabe unter der direkten Leitung des c
ersten Verwaltungschefs einer Gebietskörperschaft (Gemeinde-,
Kreis- oder Stadtdirektor) wahrnehmen. Zu diesem Typ gehören z.B.
die Werk- und Betriebshöfe, die Schlachthöfe, Bäder und
die Müllabfuhr. Eigengesellschaften dagegen gehören
zum Typ der selbständigen öffentlichen Unternehmen. Meist
handelt es sich um Stadtwerke, Nahverkehrs-, Gas-, Wasser-,
Elektrizitäts- oder Klärwerke. Diese Betriebe haben eine
eigene Rechtsgrundlage (Eigenbetriebsverordnung v. 1938), einen
eigenen Haushalt, ein eigenes Leitungs- und
Kontrollorgan (Werkleitung, Werkausschuss) und können
wirtschaftlich selbständig agieren. Zu dem Typ der wirtschaftlich
selbständigen Unternehmen gehören sie sog.
Sondervermögen des Bundes (Deutsche Bundespost, Deutsche
Bundesbahn). Anstalten des,
öffentlichen Rechts (z. B. Sparkassen, Deutsche Pfandbriefanstalt)
oder Körperschaften des
öffentlichen Rechts (z.B. Landesbanken, Zweckverbände) sind
ebenfalls wirtschaftlich selbständig. Sie beruhen jedoch auf
besonderen Errichtungsgesetzen (z. B. Sparkassen- oder Rundfunkgesetze).
Ein
qualitativer Sprung wird erreicht, wenn öffentliche Unternehmen in
privater Rechtsform geführt werden. Meist handelt es sich um
Aktiengesellschaften (AGs) oder um Gesellschaften mit beschränkter
Haftung (GmbHs), bei denen eine Gebietskörperschaft alle
Kapitalanteile hält oder über Mehr- oder
Minderheitsbeteiligungen verfügt.
Gegenüber
den privatrechtlichen Unternehmensformen unterliegen die
öffentlich-rechtlichen Unternehmensformen einer strengeren Bindung
des
Managements an die
Trägerkörperschaft (z. B. bei der Ausfüllung des
Geschäftsbereichs, bei der Personalpolitik und bei der
Kreditaufnahme). Diese Unternehmen sind zugleich einer besonderen
Rechnungskontrolle durch die kommunalen Prüfungsinstanzen bzw.
durch die Landesrechnungshöfe oder den Bundesrechnungshof
unterworfen.
Seit
längerem (beginnend in der Weimarer Republik) gibt es in der
öffentlichen Wirtschaft einen Trend, daß
öffentliche Unternehmen von der öffentlichen Rechtsform in
die private Rechtsform überführt werden. Dies gilt besonders
für den öffentlichen Nahverkehr, für die Gas-, Wasser-
und Elektrizitätswirtschaft. Der 1 Vorteil der privaten
Rechtsformen liegt in der klaren Trennung der Verantwortlichkeiten, in
der größeren Flexibilität der Unternehmen und in der
höheren Effektivität und Effizienz ihrer Leistungen.
Besonders
in der kommunalen Wirtschaft hat sich ergänzend ein Trend
durchgesetzt, verschiedene Eigengesellschaften zu einem
größeren kommunalen Verbundunternehmen (in privater
Rechtsform) zusammenzufassen. Neben der einheitlichen und flexiblen
Leitung wird angestrebt, defizitäre Unternehmensbereiche
(öffentlicher Nahverkehr) mit gewinnträchtigen
Unternehmensteilen (Gas-, Wasser-, Elektrizitätsgesellschaften) zu
verbinden (interne Subventionierung, Steuervorteile).
Neben
den „reinen" öffentlichen Unternehmen, die zu 100% von einer
öffentlichen Körperschaft geführt und kontrolliert
werden, besteht in der Bundesrepublik seit geraumer Zeit ein weiterer
Trend in Richtung auf sog. „gemischt-öffentliche Unternehmen", an
denen mehrere öffentliche Träger zum Zwecke der gemeinsamen
Lösung einer komplexen Aufgabe beteiligt sind. Die Einheitlichkeit
der politischen Willensbildung, Führung und Kontrolle eines
solchen Unternehmens wird dabei allerdings erheblich erschwert. Noch
schwieriger wird sie, wenn die öffentlichen Träger
zusätzlich private Kapitaleigener an öffentlichen Unternehmen
beteiligen. Diese „gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen" werfen
erhebliche Probleme der politischen Aufgabensetzung und der politischen
Kontrolle auf. Besonders problematisch wird die Situation dann, wenn
mehrere öffentliche Träger (oft mehrere Länder,
Städte und Kreise) zusammen mit privaten Anteilseignern ein
Unternehmen betreiben. Es handelt sich dann um sog.
"gemischt-öffentliche, gmischt-wirtschaftliche Unternehmen", wie
sie u. a. in der Elektrizitätswirtschaft existieren.
Diese
rechtliche und wirtschaftliche Verselbständigung und Verflechtung
in der Öffentlichen Wirtschaft hat u. a. zur Folge, dass die
Unabhängigkeit des Unternehmens und des Managements von den
politisch verantwortlichen Instanzen der Trägerkörperschaft
steigt. Man kann insgesamt von einem Trend wachsender Autonomie der
öffentlichen Unternehmen sprechen. Eine andere beachtenswerte
Folge der zunehmenden rechtlichen und wirtschaftlichen
Verselbständigung und Verflechtung in der öffentlichen
Wirtschaft ist, daß sich diese
Unternehmen auch im Geschäftsstil, in Repräsentation und im
Investitions- und Marktverhalten den privaten Unternehmen angleichen.
Man
spricht von einem Trend in Richtung zur „Konvergenz der Wirtschaftszile" bei den privaten und
Öffentlichen Unternehmen. Die mit diesen Trends insgesamt
aufzuwerfenden Fragen leiten das Problem des rechtlichen und
wirtschaftlichen Status dieser Unternehmen hinüber in die
Sphäre der politischen Bedeutung der öffentlichen Unternehmen.
3. Steuerung und Kontrolle:
3.1 Instrumentalthese
Öffentliche
Unternehmen sind nach wissenschaftlicher Theorie und nach eigenem
Selbstverständnis Instrumente des Staates zur Bewältigung
seiner Aufgaben, Eine unternehmensweise
Erfüllung von Staatsaufgaben wird gegenüber einer
verwaltungsmäßigen i. d. R. dann vorgezogen, wenn die
Vorteile der unternehmerischen Selbständigkeit,
Eigenverantwortlichkeit und Flexibilität gegenüber einer
starren verwaltungsmäßigen Aufgabenerfüllung
durchschlagen, öffentliche Unternehmen sollen öffentliche
Aufgaben mit unternehmerischen Mitteln erfüllen, ohne primär
dem Ziel der Gewinnmaximierung zu folgen wie die private
Erwerbswirtschaft. Damit haben die öffentlichen Unternehmen eine
eigentümliche Zwitterstellung zwischen der allgemeinen Verwaltung
und der privaten Erwerbswirtschaft. Die Legitimation dieser Unternehmen
liegt jedoch eindeutig bei ihren öffentlichen Aufgaben.
In
den Haushaltsordnungen, Errichtungs- oder Betriebsgesetzen werden diese
Aufgaben oft recht allgemein mit Begriffen wie „Förderung des
Gemeinwohls" umschrieben. Eindeutigere Aufgabenstellungen ergeben sich
für solche öffentliche Unternehmen, die im Versorgungs- und
Verkehrssektor tätig sind. Sie unterliegen gemeinwirtschaftlichen
Pflichten wie „Betriebspflicht", "Beförderungspflicht",
„Anschlusspflicht", „Tarifpflicht" und ,,Fahrplanpflicht".
Öffentliche Unternehmen auf dem Energiesektor sollen speziell die
,,Sicherheit" und „Preisgünstigkeit" der Versorgung
gewährleisten (Energiewirtschaftsgesetz).
3.2 Bedeutung der
Wirtschaftlichkeitsziele
Entgegen
den meist allgemein gehaltenen materiellen Zielsetzungen legen die
haushaltsrechtlichen Bestimmungen, aus guten Gründen, sehr
detaillierte Richtpunkte für die formelle
Wirtschaftstätigkeit fest. Die Gebietskörperschaften
dürfen wirtschaftliche Unternehmen nur dann betreiben, wenn „sich
der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere
Weise erreichen lässt" (§ 65 Bundes-/Landeshaushaltsordnung).
Öffentliche Unternehmen unterliegen dem Subsidiaritätsprinzip
und damit der Beweispflicht, dass solche Bedingungen vorliegen. Die
öffentlichen Unternehmen sind darüber hinaus stetig an die
„allgemeinen Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der
Haushaltsführung" gebunden. Speziell für die kommunalen
Unternehmen fordern die Gemeindeordnungen die
„Eigenwirtschaftlichkeit". Die Kosten der Unternehmen sollen durch die
Preise oder Abgaben gedeckt werden. Kommunale Unternehmen sollen
schließlich „einen Ertrag für den Haushalt abwerfen, soweit
das mit ihren Aufgaben der Erfüllung öffentlicher
Bedürfnisse in Einklang zu bringen ist' (§ 114 Nds. Gem.Ordnung). Hier zeigt sich, dass eine
gewinnwirtschaftliche Ausrichtung der öffentlichen Unternehmen
zugunsten des Haushalts (fiskalpolitisches Ziel) nicht ausgeschlossen
ist. Diese Regel bedeutet zugleich, dass öffentliche Unternehmen
nicht per se Defizitbetriebe sein sollen (oder müssen).
3.3 Politische Steuerung
Nach
dem Gesagten erscheint es einleuchtend, dass die Instrumental- und
Zielfunktionen der öffentlichen Unternehmen nicht generell
vorgegeben oder abstrakt definierbar sind, sondern dass diese
Unternehmen der politischen Aufgabensteuerung durch die jeweils
herrschende Regierungsmehrheit unterliegen. Sie sind Instrumente der
jeweiligen Politik der Bundesregierung, der Landesregierung und der
Gemeinde- und Stadtdirektoren bzw. der Oberbürgermeister. Diese
politischen Instanzen sind die politisch legitimierten Vertreter zur
Interpretation des „Gemeinwohls". Sie tragen für die
Tätigkeit dieser Unternehmen auch die politische Verantwortung.
In
der Praxis wird diese Verantwortung je nach den politischen Ebenen
(Bund, Länder, Gemeinden), den Tätigkeitsbereichen und den
Rechtsformen der öffentlichen Unternehmen recht unterschiedlich
wahrgenommen. Auf kommunaler Ebene gibt es oft sehr direkte Eingriffe
in die Unternehmungspolitik. Die Problemnähe und die enge
Verflechtung der lokalen Eliten sichern eine recht strenge
Aufgabenorientierung der kommunalen öffentlichen Unternehmen.
Direkte Formen der politischen Steuerung und Kontrolle bestehen auch
bei öffentlichen Unternehmen des Bundes und der Länder,
soweit sie in öffentlicher Rechtsform geführt und eng an
einzelne Ressorts gebunden sind. Im allgemeinen
haben Bund und Länder bisher jedoch eine markt-, erfolgs- und
wettbewerbsorientierte Beteiligungspolitik betrieben und ihre
Unternehmen „am langen Zügel" geführt. Dies gilt besonders
für die industriellen Beteiligungen des Bundes und der Länder
in privater Rechtsform. Hier ist schon aktienrechtlich eine direkte
Einflussnahme, etwa durch Erlass, Verfügung oder Anweisung, nicht
möglich. Die Träger sind gegenüber diesen Unternehmen
auf Überzeugungsprozesse, informelle Vorabsprachen, fallweise
Rücksprachen, Informationsaustausch und auf einen vertrauensvollen
Dialog angewiesen. Die „Steuerung durch Dialog" und die oft sehr laxe
Kontrolle dieser Unternehmen korrespondieren mit einer recht hohen
Autonomie des Managements, die sich zuweilen bis hin zum Widerstand
gegen öffentliche Einflussnahme ausdehnen kann. Diese Form der
Steuerung bei den industriellen Beteiligungen schließt Skandale,
Fehlentwicklungen oder Fehlverhalten des Managements nicht
zuverlässig aus. Sie ist daher immer wieder Gegenstand der
öffentlichen und wissenschaftlichen Kritik.
4. Aktuelle Kontroverse: Privatisierung
Die
Diskussion über die Verbesserung der Steuerungs- und
Kontrollsysteme ist jedoch seit Mitte der 70er Jahre überlagert
worden von einer Diskussion über die generelle Privatisierung
öffentlicher Unternehmen. Die Befürworter einer Trennung des
Staates von seinem Unternehmensbesitz beziehen sich in der Regel auf
den ordnungspolitischen „Vorrang für die Privatwirtschaft". Der
Staat soll auf seine „eigentlichen Aufgaben" zurückgeführt
werden. Es wird kritisiert, dass der Einfluss des Staates zu weit gehe,
gleichsam im Wildwuchs gewachsen sei, dass die öffentlichen
Unternehmen durch ihre Ausdehnung den Mittelstand gefährdete, die
private Initiative hemmten, den Wettbewerb einschränkten u. v. a.
m. Nicht zuletzt soll die Haushaltsbelastung dadurch reduziert werden,
dass defizitäre Unternehmen in die Gewinnzone" geführt werden
und der Erlös aus dem Verkauf gewinnträchtiger
öffentlicher Unternehmen für den Abbau der Staatsverschuldung
genutzt wird.
Demgegenüber
argumentieren die Befürworter der öffentlichen Wirtschaft, daß, falls Mängel existieren,
zunächst einmal diese Mängel durch eine angemessene Steuerung
und Kontrolle abgebaut werden sollten. Im Einzelfall, so bei Wegfall
der öffentlichen Aufgabe, werden auch Privatisierungen nicht
ausgeschlossen. Jedoch durch den Verkauf ertragreicher Beteiligungen
könne es letztlich zu einer Anhäufung von
Verlustbeteiligungen bei der öffentlichen Hand kommen, so daß zusätzliche, statt vermindernde
Belastungen auf den Haushalt zukämen. Insbesondere die neuen
Probleme von Umweltschutz und Ökologie erforderten, dass der Staat
dieses direkte Steuerungsinstrument nutzen und evtl. sogar begrenzt
ausweiten müsse, um die soziale Marktwirtschaft zu erhalten.
Eine
dritte Position wird von den Vertretern einer generellen Ausweitung des
Sektors der öffentlichen Wirtschaft gebildet. Die Gewerkschaften
führen u. a. an, dass der Staat nicht nur die Verluste
sozialisieren und die Gewinne privatisieren dürfe. Vielmehr
sollten die Subventionen, die vielfältig vergeben werden, in
Kapitalanteile der öffentlichen Hand umgewandelt werden. Nur so
könne der Staat langfristig direkten Einfluss auf die
Privatwirtschaft nehmen. Die Vergesellschaftung solle dazu dienen,
systematisch Arbeitsplätze zu erhalten und neue Arbeitsplätze
zu schaffen. Ähnlich argumentiert die Partei Die Grünen, die
mit einer Verstaatlichung umweltpolitische Ziele realisieren will (z.B.
Sozialisierung der chemischen Industrie).
Die
Debatte um die Privatisierung öffentlicher Unternehmen hat
zahlreiche Facetten. In ihr kommen im wesentlichen
drei Interessenpositionen zum Ausdruck. Während es bei der ersten
und bei der dritten Position letztlich um die Frage geht, wie das
Verhältnis von Staat und Privatwirtschaft strategisch ausgestaltet
werden soll, betont die zweite Position gleichsam die
realistisch-taktische Seite des Problems. Öffentliche Unternehmen
sollten ohne radikale Brüche und undogmatisch, aber zielstrebig
und kontinuierlich als Instrumente des Staates zur Bewältigung
bestimmter Aufgaben eingesetzt werden. Dabei wird zugleich vor einer
Überforderung der öffentlichen Unternehmen und vor einer
Überschätzung der Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten
gewarnt.
5. Literaturhinweise
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