SPD gegen Sparkassenverkauf
Stralsund · 27. Februar · dpa/fr · Die Wahrscheinlichkeit, dass erstmals in Deutschland eine Kommune ihre Sparkasse an eine Privatbank verkauft, ist wieder deutlich gesunken. In Stralsund, wo derzeit entsprechende Pläne verfolgt werden, verdichten sich die Anzeichen, dass die Stadt den Startschuss für das Bieterverfahren zumindest hinausschieben wird. Die Pressestelle der Stadt lehnte einen Kommentar ab.
Aus mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen verlautete, wegen des starken politischen Drucks seitens der Landesregierung und der wachsenden Zahl der Gegner in der Bevölkerung sei ein Verkauf des Kreditinstituts in weite Ferne gerückt. "Im Moment zeichnet sich ab, dass da viele wieder gesichtswahrend aus der Geschichte herauskommen wollen", heißt es in den Kreisen.
Gestern wurde deutlich, dass in der Bürgerschaft der Hansestadt die Front für einen Verkauf bröckelt. Der SPD-Vorstand in der Stralsund favorisiert jetzt die Fusion mit einer anderen Sparkasse. Der Vorstand erwarte von der Fraktion in der Bürgerschaft, alles zu unternehmen, um das Prüfverfahren für einen Verkauf zu beenden, sagte der Vize-SPD-Chef der Stadt, Hans-Walter Westphal.
Die Fraktionen von SPD und CDU hatten im Dezember 2003 noch für eine Verkaufsprüfung gestimmt. Die SPD-Basis in Stralsund hatte in der vorigen Woche ihre Fraktion aufgefordert, die Sparkasse als öffentlich-rechtliches Kreditinstitut zu erhalten.
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KOMMENTAR
Nah dran
VON BERND SALZMANN
Ist ja menschlich, der Traum vom großen Geld. Erst recht, wenn man Oberbürgermeister einer ostdeutschen Hansestadt ist, gestalten möchte und beim Anblick leerer Kassen nicht von der Stelle kommt. In solch einer Lage wird - wie in Stralsund - schon mal der Verkauf der Sparkasse erwogen.
Gut möglich, dass es nun doch nicht zum Präzedenzfall kommt. Die SPD zieht sich aus der Front der Privatisierer zurück. Die eigene Basis grollt. Die PDS kurbelt ein Volksbegehren an. Weil ein Notverkauf auf lange Sicht womöglich mehr Schaden als Nutzen bringen könnte.
Das Misstrauen gegen die privaten Geschäftsbanken ist groß im Nordosten Deutschlands. Und nicht nur dort. Viele Verbraucher trauen den Managern der Großbanken nicht, wenn sie ihre wiedererweckte Liebe zum gemeinen Sparer bekunden. Sie hegen den Verdacht, der nächste Seitensprung sei nur eine Frage der Gelegenheit. Und sie können rechnen, wenn die Sprecher des privaten Geldgewerbes über geringe Margen auf dem hiesigen Markt klagen - und die Verantwortung dafür Sparkassen und Kreditgenossen zuschieben: Ohne sie, nichts anderes bedeutet das im Umkehrschluss, müssten die Kunden mehr für Finanzdienstleistungen zahlen.
Im Wettbewerb mit den Großbanken drohen freilich auch die Sparkassen hier und dort abzuheben. In Stralsund gilt ein als Fusion verkappter Verkauf an ein Schwesterinstitut als Alternative zur Privatisierung. Wie in Nordrhein-Westfalen, wo an einer Großsparkasse Rheinland gezimmert wird, droht das Regionalprinzip der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute aufzuweichen. Die Nähe zum Kunden aber macht - neben der Gemeinwohlorientierung - den großen Unterschied zwischen den Geschäftsbanken und den Sparkassen aus und begründet ihre volkswirtschaftliche Bedeutung. Nicht nur, aber besonders im für den Aufschwung so wichtigen Kreditgeschäft.
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Dokument erstellt am 27.02.2004 um 18:00:08 Uhr
Erscheinungsdatum 28.02.2004