Zurueck zur Vorseite
Oberhessische Zeiung (Alsfeld) vom 29.08.2005

Leserbrief : "Entdemokratisiert"

Betrifft: Preis für Wasser über dem Durchschnitt, OZ vom 24. August

Ende April diesen Jahres hat der hessische Landtag mit den Stimmen der CDU- und FDP-Fraktion die Neufassung des Hessischen Wassergesetzes beschlossen. Dieses Gesetz geht auf die Initiative der feudal abgehobenen und neoliberal berauschten Landesregierung zurück und legalisiert die echte Privatisierung der Wasserversorgung und damit die Enteignung öffentlichen Eigentums im sensibelsten Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge.

Von der IHK (hier treffen wir auch die Vorstände der OVAG, Hans-Ulrich Lipphardt und Rainer Schwarz als Mitglieder) wird dieses Gesetz besonders begrüßt, die kommunalen Spitzenverbände -hier sitzen die Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister -haben ihm im Wesentlichen zugestimmt. Vor diesem Hintergrund muss jetzt die Erhebung der IHK
Hessen zu den Preisen für Frischwasser und Abwasser im Vogelsbergkreis gesehen werden, die danach über dem Durchschnitt in Hessen liegen.

Die Industrie- und Handelskammern (in öffentlich-rechtlicher Organisationsform) sind bekanntlich kampfeslustige Verfechter privatwirtschaftlicher Profitinteressen. Ihr Einfluss auf Gesetzgebung und Kommunalpolitik ist enorm. Dementsprechend kommt die IHK zu dem Schluss, dass bei einer Privatisierung der Trink- und Abwasserversorgung 10 bis 40 Prozent eingespart werden könnten. Erfahrungen in anderen Ländern mit Privatisierung im Bereich der Wasserversorgung belegen allerdings das Gegenteil. So geht aus einer am letzten Dienstag veröffentlichten Studie der Beratungsfirma NUS Consulting Group hervor, dass zum Beispiel in Großbritannien (England und Wales) der Trinkwasserpreis um 15 Prozent gestiegen sei.

Studien der Universitäten Manchester und Greenwich konstatieren zu dieser Privatisierung der Wasserversorgung neben enormen Steigerungen der Verbraucherpreise einen erheblichen Anstieg der Direktorengehälter und des Börsenwertes der Wasserbetriebe, mangelnde Bereitschaft zu Netzsanierungen, Verschlechterungen der Wasserqualität und steigende Wasserverluste.

Berlin ist ein erschreckendes Beispiel auf nationaler Ebene. Die Bilanz der Teilprivatisierung der Wasserwerke zeigt riesige Arbeitsplatzverluste, eine in der Höhe unverantwortliche Reduzierung der Instandhaltungsinvestitionen, was wiederum zu enormen Arbeitsplatzverlusten bei Zulieferern führte, eine Gebührenerhöhung von 15 Prozent, aber garantierte Rendite für private Teilhaber von acht Prozent für 28 Jahre.

Eine Privatisierung (echt oder formal) der Wasserversorgung (Abwasserbeseitigung) bedeutet kommunale Enteignung; Geschädigte als Eigentümer sind also die Bürger und Bürgerinnen, die diese Anlagen finanziert haben. Eine Privatisierung der Wasserversorgung (Abwasserbeseitigung) bedeutet besonders aber auch eine unverantwortliche Entdemokratisierung, denn die demokratische Entscheidungsgewalt über wasserwirtschaftliche und -politische Fragen liegt dann nicht mehr bei den Bürgerinnen und Bürgern beziehungsweise bei ihren Parlamenten vor Ort.

Hans-Georg Bodien, Grebenau, für Attac Alsfeld/Vogelsberg.