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FR vom 04.02.2006 (gescannt)

Bürger wollen Wasserversorgung selbst regeln

Die geplante Übergabe an eine Genossenschaft spaltet den Cölber Stadtteil Schönstadt / Erste Grundsatzentscheidung soll am 16. Februar fallen

Eine Wassergenossenschaft soll sich in Zukunft um die Versorgung der Ortsteile Schönstadt und Schwarzenborn kümmern. Das treibt die Dörfer auseinander; der Ortsvorsteher protestiert gegen das Vorhaben.

CÖLBE • In einem Punkt sind sich die Kontrahenten einig: Das Tal des Roten Wassers ist reich an hervorragendem Wasser aus dem nahe gelegenen Burgwald. Davon profitieren vor
allem die Bürger aus dem Ortsteil Schönstadt, die noch einen eigenen Tiefbrunnen haben. Mit 1,39 Büro pro Kubikmeter sind die Wasserpreise in Cölbe zudem ungewöhnlich niedrig.

Doch in der nächsten Gemeindevertretersitzung will Cölbe mit der Mehrheit der Zählgemeinschaft aus CDU, Grünen und Bürgerliste beschließen, die Wasserversorgung und ihre Anlagen für Schönstadt und

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(Bild)
Karl Müller,(SPD), Ortsvorsteher von Schönstadt, will keine Privatisierung.
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Schwarzenborn an die neu gegründete Wassergenossenschaft Schönstadt-Schwarzen-born zu übergeben. Die 7500-Einwohner-Kommune betritt damit Neuland. Bislang gibt es erst eine Wassergenossenschaft in Hessen - in Großropperhausen bei Frielen-dorf (Schwalm-Eder- Kreis).

In Schönstadt haben sich Cölber Bürger, unter ihnen Mitglieder von Grünen und Bürgerliste, zusammengeschlossen. Sie wollen
die Anlagen übernehmen, „damit kein Priva ter unsere Wasserversorgung regelt", erklär Vorstandsmitglied Carola Carius. „Dann is eine Fremdübernahme völlig ausgeschlos sen", ergänzt ihr Kollege Hannes Weber.

Bürgermeister Volker Carle (parteilos wollte nämlich eigentlich die Wasserversor gung der Gemeinde vereinheitlichen, in dei fast jeder Ortsteil ein anderes System ver-fcigt. Dazu wollte er gemeinsam mit den Marburger Stadtwerken eine GmbH gründen, die aber nur 49 Prozent der Anteile halten sollten. Die Genossenschaft sah darin eine bedrohliche Privatisierung der Wasserversorgung, obgleich die Marburger Stadtwerke eine hundertprozentige Tochter von Marburg sind. „Die haben einfach Angst, dass das Tafelsilber veräußert wird", erklärt Carle.

Umstrittenes Projekt

Freilich wird die Wasserversorgung nun auch privatisiert, wenngleich in Form einer Genossenschaft, die zunächst keine Gewinne erwirtschaften will. Ganz unproblematisch ist dies aus Sicht des Privatisierungsexperten von Attac Deutschland, Alexis Passa-dakis, jedoch auch nicht: „Dann hat eine Handvoll Genossen die Sache in der Hand." Das kritisiert auch der örtliche Wortführer der Genossenschaftsgegner, der Schönstädter Ortsvorsteher Karl Müller: „Da ist das Wohl der Gemeinde gefährdet", sagt der Sozialdemokrat: „Die durch die Wasserversorgung erwirtschafteten Überschüsse dürfen nicht in die Taschen privater Kapitalgeber gelenkt werden."

Mit Flugblättern versucht er, die Schönstädter gegen den Plan zu mobilisieren. Sein Hauptargument: Die Wasserversorgung in Cölbe sei profitabel, die Hochbehälter erst Mitte der 90er Jahre gebaut und das Schönstädter Leitungsnetz relativ neu. Keine Gemeinde könne es sich leisten, so einen Bereich kostenfrei abzugeben. Anhand der Haushaltspläne zeigt er, dass regelmäßig Überschüsse erwirtschaftet werden. Selbst nach Einschätzung des Rechnungshofes lägen die Wassergebühren in Cölbe über den Kosten. Das sieht Bürgermeister Carle allerdings nicht so. Nach der kaufmännischen Rechnungsweise sei der Bereich defizitär.

Er bescheinigt den Genossenschaftern auch durchaus guten Willen: „Das sind Idealisten, die mit viel ehrenamtlichem Engagement versuchen wollen, die Wasserversorgung kostengünstig zu betreiben", so Carle.

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(Bild)

Frisches Leitungswasser wird zur Probe entnommen: Die Bürger in Schönstadt, die noch einen eigenen Tiefbrunnen haben, bekommen ihr Wasser aus dem nahe gelegenen Burgwald.
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Tatsächlich wollen die Genossenschafter billiger als die Gemeinde sein, um mehr investieren zu können. So sollen eine Leitung von Schwarzenborn nach Schönstadt gelegt und ein zweiter Brunnen angeschlossen werden. Nach dem vorläufigen Konzept sollen mindestens 200 Anteile ä 200 Büro von den Bürgern gezeichnet werden. Jeder Anteilseigner soll aber nur eine Stimme haben. Dividenden in Form von günstigerem Wasser soll es frühestens nach Jahren geben.

Eine erste Grundsatzentscheidung wird nun in der Gemeindevertretersitzung am 16. Februar fallen. Sollte der Beschluss durchkommen, will Müller ein Bürgerbegehren anstrengen. „Wir leisten Widerstand", sagt der Ortsvorsteher.

GESA COORDES

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WASSERGENOSSENSCHAFT

• Wassergenossenschaften gibt es laut Attac nur wenige in Deutschland. In Hessen wäre die Wassergenossenschaft Schönstadt-Schwarzenborn der zweite Verbund dieser Art.

• Vor 51 Jahren wurde die Wassergenossenschaft in Großropperhausen bei Frielendorf im Schwalm-Eder-Kreis gleich bei Einführung der zentralen Wasserversorgung gegründet. Jeder Einwohner ist Mitglied.

• Vergleichbar mit dem Schönstädter Projekt ist die Wassergenossenschaft von Ellerhoop bei Hamburg, die 2003 gegründetwurde. GEC
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