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FR vom 15.05.2005

Wasser soll billiger werden

Wirtschaftsminister verlangt Preissenkungen von acht hessischen Unternehmen / Wetzlarer Enwag will klagen

Für eine Million Hessen soll Wasser billiger werden. Das Wirtschaftsministerium will die Versorger zwingen, die Preise um bis zu 40 Prozent zu senken. Die Enwag in Wetzlar hat als erstes Unternehmen eine entsprechende Verfügung erhalten. Der Versorger will dagegen vor Gericht ziehen.

Frankfurt/Wetzlar - Acht Wasserversorger verlangen nach Beobachtung des Wirtschaftsministeriums zu viel Geld von ihren Kunden. Dies sind die Mainova in Frankfurt, die Enwag in Wetzlar sowie die Stadtwerke in Kassel, Gießen, Oberursel, Gelnhausen, Eschwege und Herborn. Sie sollen ihre Preise um 25 bis 40 Prozent senken, fordert Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU). Profitieren würden davon rund eine Million Menschen, also jeder sechste Hesse.

Die erste Verfügung hat Rhiel nun gegen die Energie- und Wassergesellschaft Enwag in Wetzlar erlassen. Ein durchschnittlicher Haushalt soll dort jährlich 110 Euro weniger für Trinkwasser zahlen müssen, das sind knapp 30 Prozent weniger als jetzt. Kunden könnten, wenn die Verfügung rechtskräftig wird, zu viel gezahlte Rechnungsbeträge rückwirkend bis Juli 2005 zurückfordern. Die sieben weiteren Versorger sollen noch in diesem Jahr entsprechende Post aus dem Wirtschaftsministerium erhalten, das als Landeskartellbehörde die Aufsicht führt.

Rhiel wirft den Unternehmen vor, ihre Monopolstellung zu missbrauchen. Das Wirtschaftsministerium habe die Enwag mit 18 ähnlichen Wasserunternehmen in Deutschland verglichen. Demnach liegen die Preise in Wetzlar um 31 bis 138 Prozent über denen der Vergleichsunternehmen. Während Enwag je Kubikmeter 2,35 Euro fordert, verlange das billigste Unternehmen 0,99 Euro, das teuerste 1,80 Euro. Die Enwag soll nur noch 1,66 Euro je Kubikmeter Trinkwasser kassieren dürfen. Wirschaftsminister Rhiel forderte die Unternehmen auf, mit anderen Versorgern zu kooperieren, das Leitungsnetz billiger zu machen und Personal flexibler einzusetzen.

Enwag will Gerichtsentscheidung

Enwag-Geschäftsführer Wolfgang Schuch kündigte Beschwerde beim Oberlandesgericht an. Bis über die Verfügung entschieden ist, muss Enwag seine Preise nicht senken. Schuch verweist auf die hügelige Lage Wetzlars, die hohe Kosten verursache. So müssten für die Versorgung von 52 000 Menschen 19 Hochbehälter betrieben werden. Die vom Ministerium herangezogenen 18 Unternehmen seien mit der Enwag nicht vergleichbar, das Verfahren "in der Sache verfehlt und rechtlich mehr als fragwürdig". Enwag werde an den Pranger gestellt, obwohl seit 2006 kein Gewinn mit der Wasserversorgung erwirtschaftet worden sei.

Rhiels Vorgehen sei "populistisch", sagt Wetzlars Oberbürgermeister Wolfram Dette (FDP). Es sei nicht möglich, die Wasserpreise zu senken. Sollte sich das Wirtschaftsministerium vor Gericht durchsetzen, werde die Enwag, die mehrheitlich der Stadt Wetzlar gehört, die Wasserversorgung auf die Kommune zurückübertragen. Dann greife das Kartellrecht nicht mehr, sondern würden Gebühren gemäß der Gebührenordnung erhoben. Diese würden nach Einschätzung Dettes über den heutigen Preisen liegen, damit sie kostendeckend seien.

"Wir können das nicht nachvollziehen - unsere Preise sind in Ordnung", kommentierte die Mainova die Einleitung des kartellrechtlichen Verfahrens. Das Unternehmen versorgt nach Auskunft seines Sprechers Heinz Becker 70 000 Häuser in Frankfurt mit Wasser. Unter den deutschen Großstädten rangierten die Preise im Mittelfeld. Mainova verlangt bei einem Jahresverbrauch von rund 150 Kubikmetern Wasser für den Kubikmeter 2,14 Euro. Deutlich darüber liege Essen mit 2,82 Euro pro Kubikmeter, günstiger ist München mit 1,71 Euro.

Beifall für sein Vorgehen findet der Wirtschaftsminister Rhiel beim Mieterbund Hessen und dem Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft. Beide erwarten geringere Mietnebenkosten. Die hessischen Unternehmerverbände und die Industrie- und Handelskammern sprachen sich für mehr Wettbewerb auf dem Wassermarkt aus. Claus-Jürgen Göpfert / Peter Hanack