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Vorwort zur zweiten, erweiterten Auflage von "Netzwerk der Macht -
Bertelsmann"
Wenige Wochen nach Erscheinen des vorliegenden Bandes ist bereits seine
zweite Auflage fällig. Zum lebhaften Medienecho, das er
ausgelöst hat, trug sicher auch eine öffentliche
Stellungnahme der Bertelsmann Stiftung vom 23. Mai 2007 bei. In dieser
werden uns »zahlreiche inhaltliche Fehler« vorgeworfen.
Diese hätten wir fraglos gerne berücksichtigt, allerdings
wurde uns bis heute kein einziger Fehler benannt. Die Bertelsmann
Stiftung verteidigt in der gleichen Erklärung ihr offenbar
angekratztes Image mit dem Hinweis, dass sie gelegentlich auch mit
Gewerkschaften und »Politikern der Linken« zusammen
arbeiten würde. Diese Aussage ist insofern überflüssig,
als keiner unserer Autorinnen und Autoren jemals etwas anderes
behauptet hat. Im Gegenteil! Es ist vielmehr unser gemeinsames
Anliegen, nachzuweisen, dass die Stiftung zur Entpolitisierung
gesellschaftlicher Interessenkonfliktc über eine zielgerichteten
Rechts-Links-Verwischung aktiv beiträgt -vorrangig durch eine
ideologische Konstruktion so genannter »Sachzwänge«.
Sie verfolgt einen sozialkorporatistischen »deutschen
Sonderweg« in den Neoliberalismus, dessen konstitutiver
Bestandteil gerade die akzeptanzfördernde Einbindung heterogener
gesellschaftlicher und politischer Kräfte, die man sonst eher
seltener an einem Tisch sieht, in den wettbewerbsorientierten Umbau
öffentlicher Institutionen ist.
Am meisten geschäumt hat man offenbar in Gütersloh über
die Infragestellung der Gemeinnützigkeit, mit der sich die
Bertelsmann Stiftung schmückt. Diese sei, so heißt es,
schließlich »vom Finanzamt anerkannt« und würde
»laufend überprüft«. Der Einwand ist insofern
irrelevant, als niemand der Autorinnen und Autoren die formale
verfahrenstechnische Korrektheit dieses Vorgangs angezweifelt hat. Das
hindert uns jedoch nicht an einer politischen Infragestellung der mit
der Arbeitsteilung zwischen Bertelsmann AG und Bertelsmann Stiftung
betriebenen Doppelstrategie. Ganz gleich, um welches gesellschaftliche
Feld es sich handelt, ob Medienpolitik, öffentiiche Schulen,
Gesundheitswesen oder Kommunalverwaltung, immer beobachten wir das
Gleiche: die Stiftung treibt politikberatend und rührend dem
Gemeinwohl verpflichtet die Marktöffnung des öffentlichen
Sektors voran - und produziert auf diese Weise selbst jene
Geschäftsfelder, auf denen die diversen kommerziellen
Subunternehmen der Bertelsmann AG sich anschließend tummeln, um
viel Geld verdienen zu können. Das sollten alle Politikerinnen und
Politiker wissen und öffentlich verantworten, die sich in
derartige Kooperationsbeziehungen begeben.
Die - nicht sehr medienkompetenten - Reaktionen des Mohn-Imperiums
zeigen, dass wir offenbar ins Schwarze getroffen haben. Das Buch hat
die richtigen öffentlichen Debatten befördert, was wir mit
der zweiten Auflage gerne noch einmal übertreffen würden. Das
ist auch ein Verdienst aller Autorinnen und Autoren sowie
Fördererinnen und Förderer dieser Publikation, denen wir hier
noch einmal Dank sagen.
Die nun vorliegende Auflage wurde ergänzt um zwei neue
Beiträge, die sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln kritisch mit
der Praxis der Beitelsmann-Tochter Centrum für
Hochschulentwicklung (CHE) beschäftigen (Alidusti und Lieb), Ein
weiterer Beitrag hinterfragt die Versuche der Bertelsmann Stiftung, die
deutsche Einwanderungspolitik zu beeinflussen (Redaktion german foreign
policy)\ schließlich ist noch ein Artikel zu Privatisierungen der
Kommunalverwaltumgen, vorrangig an den Beispielen Würzburg und
Dormagen, hinzu gekommen (Bauer).
Jens Wernicke, Torsten Bultmann