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Auszug aus dem "Vorwärts" (März 2002, gescannter Text)
4,3 Millionen ohne Job zwingen zum Handeln

Deutschland braucht einen funktionierenden Arbeitsmakt

Interview mit Prof. Dr. Hans Tietmeyer, Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

Herr Professor Tietmeyer, löst der Kombilohn die Probleme am Arbeitsmarkt?

Sicher nicht. Für einiige Tausend Arbeitslose kann der Kombilohn durchaus eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt sein. Einen nachhaltigen Beschäftigungseffckt erreichen wir aber nur mit strukturellen Reformen. Der deutsche Arbeitsmarkt ist übcrreguliert und nicht flexibel genug. Das ist der eigentliche Grund für die hohe Arbeitslosigkeit. Wir müssen die zahlreichen Barrieren für eine reguläre Beschäftigung von Arbeitslosen rasch abbauen.

Welche Barrieren meinen Sie?

Die größte ist zweifelsohne das komplizierte deutsche Arbeitsrecht. Vor allem der im
internationalen Vergleich übermäßig starke Kündigungsschutz schreckt viele Unternehmen von Neueinstellungen ab.

Wollen Sie etwa den Kündigungsschutz abschaffen?

Nein, natürlich nicht. Die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer müssen weiterhin geschützt bleiben. Aber auch die mehr als vier Millionen Arbeitslosen haben ein Recht auf mehr Beschäftigungschancen. Wenn die Unternehmen kaum kündigen können, überlegen sie drei Mal, bevor sie einen Arbeitslosen einstellen-. Das gilt besonders für kleine und mittlere Unternehmen. Der Kündigungsschutz muss deshalb die Interessen der Beschäftigten und der Arbeitslosen gleichermaßen berücksichtigen.

Was wollen Sie noch ändern?

Ein Teil unseres Arbeitsmarktes liegt fast vollkommen brach: der Niedriglohnsektor. Das trifft vor allem die gering Qualifizierten, die größte Gruppe der Arbeitslosen. Wir müssen dafür sorgen, dass Niedriglohn sich wieder lohnt.

Wie wollen Sie das erreichen ?

Erstens müssen die Beschäftigungsanreize für Arbeitslose verbessert werden. Wenn fast der gesamte Lohn auf die Arbeitslosen- oder Sozialhilfe angerechnet wird, ist die Motivation für eine gering bezahlte Stelle zu schwach. Zweitens drückt die Sozialabgabenlast im unteren Lohnsegment besonders stark. Deshalb müssen speziell
geringe Einkommen von Sozialversicherungsbeiträgen entlastet werden.

Die Sozialversicherungen haben doch schon jetzt zu wenig Geld. Wie wollen Sie da eine weitere Entlastung finanzieren ?

Einerseits erwarte ich durch die Entlastung mehr Beschäftigte und damit mehr Beitragszahler. Andererseits müssen wir ohnedies die Eigenverantwortung der Versicherten und die private Vorsorge stärken. Wenn die Absicherung fast aller Lebensrisiken mit gesetzlichen Pflichtbeiträgen finanziert wird, wird Arbeit zunehmend unbezahlbar. Wir geraten schon jetzt immer mehr in einen Teufelskreis: Die hohe Arbeitslosigkeit führt zu steigenden Kosten für die Sozialversicherung und mindert zugleich die Einnahmen. Wenn daraufhin die Beiträge erhöht werden, steigt wieder die Arbeitslosigkeit.

Haben Sie einen Ausweg?

Eine kurzfristige Patentlösung gibt es nicht, wohl aber nachhaltige Fortschritte, wie auch die Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zeigen. Es wäre fatal, wenn der Skandal um schön gerechnete Vermittlungsstatistiken der Arbeitsämter den Blick für das eigentliche Problem verstellen würde: die strukturellen Defizite des Arbeitsmarktes, denen nur mit grundlegenden Reformen beizukommen ist. Wir müssen uns auf die
Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft besinnen. Deutschland braucht wieder einen funktionierenden Arbeitsmarkt, mehr Freiheit für Unternehmen und mehr Eigenverantwortung für die Bürger. Dann gewinnen wir auch den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

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Mehr Paragraphen - weniger Arbeitsplätze

Viele Gesetze und Vorschriften Italien, Portugal, Spanien, Türkei
Regulierungsindex: 3,4 - Erwerbstätigenquote: 56,4 %
 

Eher viele Gesetze und Vorschriften Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Japan, Niederlande, Norwegen,Österreich, Schweden, Südkorea, Tschechien
Regulierungsindex: 2,4 - Erwerbstätigenquote: 66,7 %

Eher wenige Gesetze und Vorschriften Australien, Dänemark, Irland, Kanada, Schweiz
Regulierungsindex: 1,3 - Erwerbstätigenquote: 71,4 %

Wenige Gesetze und Vorschriften Großbritannien, Neuseeland, USA
Regulierungsindex: 0,8 - Erwerbstätigenquote: 71,9 %

Quelle: OECD, lW Köln; Erwerbstätigkeit in Prozent der Bevolkerung im erwerbsfähigen Alter

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Je weniger sich der Staat in den Arbeitsmarkt eines Landes einmischt, desto höher ist dort gewöhnlich das Beschäftigungsniveau. Die OECD hat die Arbeitsmärkte diverser Länder untersucht und Regulierungnoten vergeben von 0 (nicht reguliert) bis 6 (stärker reguliert). Vergleicht man den Stand der Regulierung mit der Erwerbstätigkeit, so lässt sich eine Faustformel ableiten : Sinkt der Regulierungsindex um 0,1 Punkte, steigt die Erwerbtätigenquote um 0,2 Punkte. In Deutschland entspräche das ca. 100 000 neue Jobs. Bei einem mutigen Abbau hemmender Gesetze und Vorschriften könnte es ein Vielfaches davon sein.

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Parteiübergreifende Reforminitiative

Die von Verbänden der Wirtschaft getragene Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft tritt ein für :

- "einen schlanken Staat",
- mehr Eigenverantwortung in den Sozialsystemen,
- Abbau von Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt und neue Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung ("Fördern und Fordern")
- mehr Wettbewerb, Tempo und Effizienz in der Bildung.

Der frühere Bundesbankpräsident Prof. Hans Tietmeyer führt den Kuratoriumsvorsitz der überparteilichen Initiative. Zu ihren Unterstützern gehören unter anderem die Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) und Edmund Stoiber (CSU), die Thüringer Wissenschaftsministerin Dagmar Schipanski (CDU), die MdBs Oswald Metzger (B90/Die Grünen) und Siegmar Mosdorf (SPD) sowie die Unternehmer Randolf Rodenstock und Martin Kannegiesser.

Was schafft neue Jobs? Welche Reformen brauchen wir dafür? Fordern Sie die kostenlosen Themenhefte an: Mehr Freiheit, mehr Arbeit , Moderner Staat - Schlanker Staat Der zukunftssichere Sozialstaat.

Diskutieren Sie mit im Internet: www.chancenfueralle.de

Kontakt: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Gustav-Heinemann-Ufer 84-88 50968 Köln Tel. (0221)4981-401 Fax (0221)4981-406 E-Mail info@chancenfuerralle.de
 
 

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