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Auszug aus der Diplomarbeit von Wilhelm Rühl zum Thema : "Der moderne ( beschäftigungspolitische ) Inflationismus und seine Konsequenzen".
 

II) Die Vollbeschäftigungspolitik.

l) Der Begriff der Vollbeschäftigung.

Die Vollbeschäftigung ist kein eindeutiger Begriff, aber es wird doch im Allgemeinen jener Zustand darunter verstanden, bei dem jeder Arbeitswillige auch Arbeit findet".1) Darin eingeschlossen ist, daß er sie "zu einem bestimmten Minimallohn findet, der doch wohl mindestens der Höhe des Existenzminimums entsprechen sollte".1)

Man ist sich allgemein darüber einig, daß unter der Vollbeschäftigung in der Praxis nicht die Beschäftigung auch des letzten Arbeitswilligen verstanden sein kann. Eine Arbeitslosigkeit aus jahreszeitlichen Gründen (sog. "saisonale Arbeitslosigkeit" 2) und eine solche infolge des Arbeitsplatzwechsels ("normale, fluktuelle oder friktionelle Arbeitslosigkeit" 3) wird darin eingeschlossen. Allerdings gehen die Ansichten über den Prozentsatz dieser Arbeitslosigkeit (gemessen an der Zahl der Beschäftigten) auseinander. Er wird auch in den einzelnen Volkswirtschaften auf Grund der dortigen besonderen Verhältnisse ein unterschiedlicher sein.

Eine "Round-table-Konferenz" amerikanischer Nationalökonomen im Jahre 1943 nahm bei 5-8 % Arbeitslosigkeit der Arbeitnehmer Vollbeschäftigung an. 3) BEVERIDGE bemißt die diesbezügliche Frozentzahl mit 3 % (je l % saisonale, friktionelle und strukturelle Arbeitslosigkeit) 4), MARBACH redet von l % in den saisongünstigsten Monaten 5). WAGENFÜHR schließt sich dem UNO-Bericht über die
Vollbeschäftigung an, der 2-4 % Arbeitslosigkeit der Beschäftigten bei nur jahreszeitlicher und friktioneller Arbeitslosigkeit angibt. 6)

Anmerkungen :

1) Vergl.: Hurter, Teddy: a.a.O. S. 10/11.
2) Vergl. Grunau, Joachim: "Arbeitslosigkeit und Vollbeschäftigung" 1951) S. 10. 3
3) Wagenfuhr, Rolf: "Was ist Vollbeschäftigung?^ MdWWI 1950 Nr. 8 S. 18/19.
4) Beveridge, William: "Vollbeschäftigung in einer freien Gesellschaft" 1946, S. 15
5) Wagenfuhr,Rolf: a.a.O. S. 18/19.
6) Wagenführ,Rolf: a.a.O

2) Maßnahmen der Vollbeschäftigungspolitik.

Um die Depression in einer "übersättigten Wirtschaft" zu beheben und die Beschäftigung "anzukurbeln", schlug KEYNES wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Erhöhung der "effektiven Nachfrage" vor. Er verlangte zu diesem Zwecke:

a) "die Steigerung der niederen Einkommen mit hoher Konsumneigung,

b) die Hebung der Investitionsneigung durch die Politik des billigen Geldes,

c) eine wirtschaftliche Tätigkeit des Staates zur Schließung der Investitionslücke und

d) ein Finanzsysthem, das unter Verzicht auf den Haushaltsausgleich sowohl die übermäßige Sparneigung der hohen Einkommen durch deren Reduktion hemmt, wie auch staatliche Investitionen möglich macht."

Hieraua entwickelten die Keynesianer die drei Wege zur Erreichung der Vollbeschäftigung 2), und es entstand die Lehre der "Monetary-Fiscal Policy". Weiterhin wurde von ihnen die beschäftigungsanregende Wirkung des Exportüberschusses herausgestellt.

a) Neuverteilung der Einkommen.

Der Grundgedanke ist hier, "daß, wenn das Einkommen von höheren zu niederen Einkommensbeziehern verschoben wird, die Gesamtkonsumption steigt, weil die Armen einen größeren Hang zum Verbrauch haben als die Reichen" 3) Diese Einkommens-Verschiebung kann man in der Praxis durch eine progressive Einkommensbesteuerung mit gleichzeitiger niederer Besteuerung des Verbrauchs lebenswichtiger Güter erreichen. Auch ist von der Staatsausgabeseite her (Subventionen des Massenkonsums, Pamilienzuschusse usw.) diese Wirkung möglich.

Allerdings wirkt eine starke Steuerprogression insofern wieder produktionshemmend (und damit auch der Steigerung der Beschäftigung entgegen), als sie die Investitionsneigung der Unternehmer ungünstig beeinflußt.

b) Anregung der privaten Investitionen.

Mit Hilfe von Steuersenkungen und dem Heruntersetzen des Diskontsatzes soll hier die private Initative gefördert werden, damit die Unternehmer Investitionen vornehmen und durch Einstellung von Arbeitskräften die Beschäftigung ausweiten.

Eine Steuersenkung erhöht wohl die Gewinnerwartungen der Unternehmer und trägt insofern zur Erhöhung der Investitionstätigkeit bei, beeinträchtigt aber auf der anderen Seite die Ausdehnung der "wirksamen Nachfrage", da ja durch eine Steuersenkung auch eine Neuverteilung der Einkommen von den niederen zu den höheren Einkommensklassen hervorgerufen wird. Sie wirkt dann wieder der Beschäftigungsausdehnung entgegen.

Bei einer Diskontsenkung sollen die Investitionen von der Kostenseite her (Verbilligung des Kapitals = Verbilligung der Produktion) angeregt werden. Dies ist aber sehr stark von der Zinsempfindlichkeit der Nachfrage nach Geldkapital abhängig, d.h. davon, ob die Unternehmer gewillt sind, wegen dieser Kostensenkung überhaupt neue Investitionen vorzunehmen.

Wegen ihrer geringen Wirkung auf die Erhöhung der Beschäftigungslage werden diese beiden Mittel zur Anregung der privaten Investition meist im Zusammenhang mit Defizitausgaben des Staates angewandt, um die hiervon ausgehenden sekundären Wirkungen (die sog. "Multiplikatoreffekte") zu unterstützen.

c) Die Defizitausgaben des Staates.

Sie stellen das am stärksten wirkende Mittel der Vollbeschäftigungspolitik dar. Der Staat führt Investitionen durch und subventioniert den Massenverbrauch. Die staatlichen Investitionen sollen für die privaten Unternehmungen möglichst keine Konkureenz darstellen (z.B. Bau von Straßen, Schulen, Kliniken, Stauseen). 4)  Bei der Subventionierung des Massenbedarfs ist dabei an Auszahlung von Familien- und Kinderbeihilfen, Subventionen zur Niedrighaltung der Preise von lebenswichtigen Gütern u.a. gedacht.

Die öffentlichen Investitionen sollen den Ausgangspunkt (sog. Initialzündung odsr engl. "pump priming" ) einer Wirtschaftsbelebung darstellen. Die hierdurch der Wirtschaft über die zusätzlichen Einkommen zufließenden Nachfrageströme sollen, unterstützt durch Steuersenkungen und Krediterleichterungen die Investitionsneigung der Unternehmer anregen. Diese öffentlichen Ausgaben können solange fortgesetzt werden, bis Vollbeschäftigung erreicht ist.

Bei der Finanzierung der Ausgaben dieser Arbeitsbeschaffung gibt es drei Möglichkeiten:

1) Finanzierung aus Steuer- und Anleihemitteln,

2) Finanzierung mit Hilfe von Geldneuschöpfung,

3) Finanzierung aus einem besonders dazu geschaffenen Fonds. 5)

Bei einer Finanzierung aus Steuer- und Anleihemitteln tritt nur eine Umschichtung der Einkommensstruktur ein. Allerdings sehen hier bereits verschiedene Autoren aus dem Zuführen von sonst gesparten Einkommensteilen in den Konsum eine die Beschäftigung anregende und damit bei Vollbeschäftigung sich inflationistisch auswirkende Tendenz. So sieht z.B. F.W. MEYEE darin eine Vergrößerung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. 6)  Bei den aus einem besonders dazu geschaffenen Fonds und den mit Hilfe von Geldschöpfung finanzierten Staatsausgaben ist die inflationistische Wirkung offenkundig, es sei denn, sie würde von der Güterseite her durch Produktionserhöhung in zumindest gleichem Umfang ausgeglichen.

d) Die "Monetary-Fiscal-Policy"

Unter einer Fülle von Namen wie "Functional Finance", "Deficit spending", "Fiscal Policy", "Compensatory budgeting" u.a., die sich schlecht in deutscher Sprache wiedergeben lassen, wird in den angelsächsischen Ländern eine Lehre vertreten, die mit Hilfe von geld- und finanzpolitischen Mitteln den Wirtschaftsablauf fördern, insbesondere die Konjunkturschwankungen ausgleichen bzw, maximale Beschäftigung herbeiführen oder erhalten will. 7)

Haushaltsmittel des Staates sollen in einer übermäßigen Hochkonjunktur stillgelegt, und so der Aufschwung beruhigt werden. In Depressionszeiten sollen sie wieder in den Wirtschaftskreislauf hinein gegeben werden, um die stagnierende Wirtschaft anzuregen. In diesem Fall kann dann auch mit Hilfe von Kreditmitteln in der Form eines Haushaltsdefizits gearbeitet werden.

Die extremste Auffassung dieser Art wird wohl von ABBA  P. LERNER und von DONALD B. MARSH vertreten, die die GeIdschöpfung als eine normale Einnahmequelle des Staates ansehen, während die Steuern lediglich den Zweck hätten, den so eingeschleußten Geldüberschuß wieder abzuschöpfen. 8)

Bei den Kritikern dieser Lehre ist man der Meinung, daß der Staat wohl bei einem ständig wachsenden Anteil am Sozialprodukt in seiner Wirtschaftsgebarung die allgemeine Wirtschaftslage berücksichtigen müsse, daß aber die Bekämpfung einer Depression bereits mit Hilfe der Kreditpolitik  im Aufschwung anzusetzen habe, (z. B. durch Erhöhung des Diskontsatzes, Kreditrestriktionen ), damit der Rückschlag gemildert werde.)

Weiterhin wird dort auf die Schwierigkeit sowohl einer richtigen Konjunkturprognose, als auch auf die Schwierigkeit der Wahl des Zeitpunktes des Einsatzes von kreditexpansiven bzw. -kontraktiven Mitteln hingewiesen. Auch müsse man die Schwerfälligkeit des demokratischen Staatsapparates bei der Durchführung entsprechender Maßnahmen ( besonders in Bezug auf die Haushaltskontrolle ) berücksichtigen. 9)  Dies wird auch von einsichtsvollen Vertretern der "Neuen Wirtschaftslehre" erkannt. 10)

e) Außenhandelspolitik im Dienste der Vollbeschäftigung.

Ein weiterer Weg zur Anregung der Beschäftigung ist die Ausweitung des Exports, insbesondere die Erzielung von Exportüberschüssen. Dadurch wird im Inland die Produktion und damit auch die Beschäftigung erhöht. Die so geschaffenen neuen Einkommen können nun wiederum den Inlandsmarkt anregen, so daß neue Produktions- und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden (sog. "Außenhandelsmultiplikator")

Exportüberschüsse haben demnach die gleichen beschäftigungspolitischen Wirkungen wie staatliche Investitionen. Diese Lehre wurde zuerst von JOAN ROBINSON in seinem Buch: "Essays in the Theory of Employment ( New York 1937 ) dargestellt. 11)

Um Exportüberschüsse zu erzielen, kann man sich verschiedener Mittel bedienen:

1) Der Exportförderung,

2) der Importbeschränkung,

3) der Währungsabwertung.

Diese Mittel werden auch bei erzielten Importüberschüssen zum Zwecke des Ausgleichs der Handels- bzw. Zahlungsbilanz verwandt. Dazu kommt noch

4) die Anleihegewährung an das Ausland.

Bei der Exportförderung handelt es sich um Maßnahmen, die die Konkurrenzfähigkeit der inländischen Industrie auf den internationalen Märkten stärken soll. ( z.B. Steuererleichterungen, Exportsubventionen).

Neben der Schaffung von zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten soll die für die Ankurbelung der Wirtschaft erforderliche Mehreinfuhr ermöglicht werden.

Durch eine Importbeschränkung verbleibt die kaufkräftige Nachfrage, die vor der Beschränkung ins Ausland floß und dort Beschäftigung verursachte, jetzt im Inland und ruft hier Beschäftigung hervor. 12)

Bei einer Währungsabwertung wird der Wechselkurs eines Landes ( als Preis in einer fremden Währungseinheit ) willkürlich herabgesetzt und damit das Austauschverhältnis der eigenen Währung zu den ausländischen Währungen verschlechtert. Die Währungsabwertung wirkt also preissteigernd auf die Import- und preissenkend auf die Exportgüter, so daß die Einfuhren zurückgehen und der Export sich vermehren wird, wodurch dann eine Verbesserung der Handels- bzw. der Zahlungsbilanz eintreten muß.
Gewährt ein Land einem anderen eine Auslandsanleihe in eigener Währung, so wird Schuldnerland den größten Teil der Kreditgelder dazu verwenden, um im Gläubigerland einzukaufen, so daß dessen Export und damit auch die Beschäftigung vergrößert wird, (Wirkung des Aussenhandelsmultiplikators). Bietet das Sohuldnerland Gelder der Anleihe zum Erwerb von anderen Devisen auf dem internationalen Markt an, so wird das Angebot an Zahlungmitteln des Gläubigerlandes steigen, seine Wechselkurse im Ausland werden dementsprechend fallen,  so daß auch hier wegen der dadurch eintretenden Verbilligung der Waren des Gläubigerlandes eine exportanregende Wirkung entsteht.

Anmerkungen :

1) Wessels, Theodor: a.a.O.S.59
2) Kalecki, M.: "Drei Wege zur Vollbeschäftigung" in "Vollbeschäftigung a.a.O. S. 77-105.
3) Kalecki, M.: a.a.O. S. 97/98
4) Kalecki, M.: a.a.O. S. 78
5) Vergl. Hurter, Teddy: a.a.O. S. 11,
6) Vergl.: Meyer, F. W. in "Geldpolitik, Vollbeschäftigung u. Wirtschaftsordnung" in Ordo Bd. l (1948), S. 94.
7) Vergl. Schmölders, Günter: "Finanzpolitik", S. 264 ff.
8) Vergl. Schmölders, Günter: a.a.O. S. 237, S. 263 ff. und Veit, Otto: "Das Geld unter der Rule of low" S. 656 in ZfdgK. 1953
9) Vergl. Schmölders, Günter: a.a.O. S. 265 ff.
10) Vergl. Weber, Adolf: "Allgemeine Volkswirtschaftslehre,  S. 586,
11) Vergl. Rittershausen, Heinrich: "Vollbeschäftigung und Außenhandelspolitik " in SVS: Problematik der Vollbeschäftigung ( 1951),  S. 160.
12) Billerbeck, Klaus : Die Grenzen der Beschäftigungspolitik  Gew. Won.(1952),  S. 212
 

3) Die inflationistischen Gefahren der Vollbeschäftigungspolitik.

Jede Vollbeschäftigung, sei sie entstanden auf Grund einer natürlichen Entwicklung (wie wir sie z.Zt. in der Bundesrepublik haben) oder durch staatliche Maßnahmen, birgt inflationistische Gefahren in sich, die sich auf der Knappheit des Produktionsfaktors Arbeit gründen. Der Preis dieses Produktionsfaktors, der Lohn, steigt bei dieser Knappheit naturnotwendig und wird dabei auch noch von den Interessenverbänden der Arbeitnehmer, den Gewerkschaften, z.T. aus reinem Machtbewußtsein und Interessenegoismus heraus in eine unvertretbare Höhe getrieben. Diese Tatsache soll zunächst unberücksichtigt bleiben, auf sie werde ich unten 1) noch einmal zurückkommen.

An dieser Stelle sollen lediglich die Gefahren einer Inflation, die aus einer monetären Beschäftigungspolitik entstehen können, ja nach Meinung bestimmter Nationalökonomen entstehen müssen, angeführt werden.

Im Schrifttum herrscht Übereinstimmung darüber, daß nur dann eine erfolgversprechende Vollbeschäftigungspolitik betrieben werden kann, wenn zusätzlich Einkommenströme mit Hilfe einer Kreditexpansion in die Wirtschaft "eingeschleust" werden. Die Wirkung einer Einkommensumschichtung allein würde nicht genügen.

Man ist sich auch überall klar darüber, dail diese Nachfragevermehrung nicht bis ins Uferlose fortgesetzt werden kann. Es wird hierbei nämlich auf das Preisniveau ein sich ständig verstärkender Druck nach oben ausgeübt, der umso größer wird, wenn man sich dem Zustand der Vollbeschäftigung nähert. Dies wird von keiner Seite aus bestritten.

Allerdings gehen die Meinungen darüber, wann man diese expansiven Beschäftigungsmaßnahmen anwenden soll und, wenn man sich dazu entschlossen hat, der Punkt erreicht ist, bei dem man damit aufhören muß, weit auseinander.

Auf der einen extremen Seite stehen die Vertreter der neoklassischen Schule. Sie befürworten eine Vollbeschäftigungspllitik nur in ausgesprochenen Depressionszeiten, d.h. wenn die Arbeitslosenzahl bereits ein großes Ausmaß erreicht hat. Sie sind dann auch der Meinung, daß bei brachliegenden Reserven eine Naehfragevermehrung mit Hilfe einer Kreditexpansion durchgeführt werden kann, ohne daß eine Geldentwertung eintritt. Dies ist aber ihrer Ansicht nach nur bei "konjunktureller Arbeitslosigkeit" möglich, d.h. nur unter der Voraussetzung, daß "die brachliegenden produktiven Kräfte qualitativ und quantitativ genau in dem Mischungsverhältnis vorhanden sind, in dem sie von der steigenden Nachfrage in Anspruch genommen werden. Es darf also keine sog. Engpässe geben." 2)  Sonst würden nämlich wegen der Verknappung auf einem Produktionssektor bereits Preiserhöhungen entstehen.

Auf der anderen Seite stehen die extremen Kreise der Vollbesehäftigungslehre (LERNER, KHIGHT u.a.), die dafür eintreten, daß die "wirksame Nachfrage" mit Hilfe von expansiven staatlichen Maßnahmen immer so groß gehalten werden muß, daß die Vollbeschäftigung erhalten bleibt. Dabei sind andere wirtschaftliche Folgen, wie Inflation, planwirtschaftliche Maßnahmen u.a., ruhig in Kauf zu nehmen.

Ja, manche Theoretiker (z.B. SUNNAR H. SLICHTER, Professor an der Havard Universität) sehen in der bei Vollbeschäftigung sich entwickelnden "schleichenden Inflation" eine "Wirtschaftsordnung, die eine höhere Produktion und einen höheren Lebensstandard garantiert." 3 ).

Andere Vertreter der Vollbesehäftigungstheorie sind der Ansicht, die auftretenden Preissteigerungen würden nur vorübergehend sein und in der nächsten Periode durch die nun auf den Markt strömenden Gütermengen wieder ausgeglichen werden. Dagegen wird eingewandt, daß der "erweiterte Geldstrom nur ganz allmählich in einen entsprechenden Güterstrom verwandelt werden kann." In der Zwischenzeit würden dann meist sekundäre Inflationswirkungen (z.B. durch Ingangsetzung der Preis-Lohn-Spirale, darauffolgende Kreditgewährung usw.) eintreten, so daß das alte Preisniveau nie wieder erreicht
werden könne. 4)

Neben diesen mehr marktwirtschaftlichen Vollbeschäftigungspolitikern gibt es auch eine Gruppe von planwirtsehaftlichen Vertretern.(BEVERIDGE, WAGENFÜHR)  Sie fordern bei auftretenden Preissteigerungen, daß der Staat sie durch administrative Maßnahmen (Preiskontrolle, Preisstop) verhindern soll. Man gelangt so zu dem Zustand einer zurückgestauten Inflation, die leicht zu einer vollständigen Planwirtschaft sich entwickeln kann.

Anmerkungen :

1) Vergl. S. 22ff. dieser Arbeit.
2) Meyer, Fritz W.: a.a.O. S. 97 ,
3) Vergl. Glosse: "Dollarschwund nach Maß" und Hahn: "Prophezeite Inflation" Beides ZfdgK. 1951, S. 460 bzw . S. 492/493.
4) Vergl.:Weber, Adolf: a.a.O. S. 587 f.