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Aus dem "vorwärts 09/2007", Seite 16
Interview Susanne Dohm,
Karsten Wiedemann
HINTERGRUND
WIE UNSERE BAHN DIE BESTE WIRD
Mit Unterstützung privater Investoren will Bundesverkehrsminister Wolfgang
Tiefensee die Bahn fit machen für den europäischen Wettbewerb. Ab dem 1. Januar
2007 ist der Güterverkehr in Europa Überalisiert, ab I.Januar 2010 auch der
Personenverkehr.
Die Privatisierung geht zurück auf eine Entscheidung von 1993/94, die von der
SPD mit getragen wurde. Nun will der Bund maximal 49,9 Prozent, in einem ersten
Schritt 20 bis 25 Prozent, an private Investoren geben. Das Netz bleibt
Eigentum des Bundes. Seine Bewirtschaftung und die Schulden auf dem Netz
übernimmt für 15 Jahre die Bahn.
Zudem will sich der Bund verpflichten, in den nächsten 15 Jahren jährlich 2,5
Milliarden Eurozu investieren. Damit muss die DB AG die rund 34000 Kilometer
Schienennetz in Stand halten. Schafft sie das nicht, drohen Strafen bis zum
Verlust des Anspruchs auf Bewirtschaftung des Netzes. Die Bahn stockt die Summe
mit gut einer Milliarde auf, für die Pflege und Wartung von Schienen, Weichen
und Stellwerken. Die Entscheidungen über den Neubau von Strecken und seine
Finanzierung bleiben beim Bund. » SUS
Die Privatisierungspläne der Regierung sehen viele Genossen mit
Bauchschmerzen. Hier wird Volksvermögen verschleudert, lautet ein Vorwurf.
Wir machen uns die notwendigen Entscheidungen nicht leicht, die breite
Diskussion ist doch eigentlich gut. Sie zeigt, wie wichtig uns die Eisenbahn
ist und welche große Zukunft wir diesem alten Verkehrsmittel zutrauen. Aber
auch in einer emotionalen Debatte müssen die entscheidenden Fakten stimmen: Wir
werden kein Volksvermögen verschleudern. Wir können doch nicht einerseits im
Hamburger Programm den Wert öffentlicher Güter hervorheben und gleich-. zeitig
unsere Bahn verramschen.
Wie kommt der Preis - von acht Milliarden ist die Rede - zustande, bei einem
Anlagevermögen der DB AG von 130 Milliarden?
Erstens: Kein Investor kriegt einen Meter Schiene. Das Netz bleibt zu 100
Prozent beim Bund- Zweitens: Von dem, was auf den Schienen passiert, also von
der DB AG Holding, werden wir maximal 49,9 Prozent verkaufen. Der Staat bleibt
immer in der Mehrheit, das schreibt unser Grundgesetz vor und dabei wird es
bleiben. Beim Erlös muss man außerdem wissen: Das Schienennetz ist defizitär.
Wenn der Bund nicht auch in Zukunft pro Jahr 2,5 Milliarden Euro überweist,
wird es niemand betreiben wollen. Ich will es plastisch sagen: Der Petersdom zu
Rom ist so viel wert, wie das Geld.im Klingelbeutel, obwohl sein
Wiederbeschaffungswert viele Millionen
sind. Aber niemand würde diese Summe zahlen. Ähnlich ist es bei der DB AG.
Der SPD-Parteivorstand hat vorgeschlagen, eine Volksaktie aufzulegen. Ist
das sinnvoll?
Wir haben im Parteivorstand beschlossen, ein solches Modell, bei dem es ja
konkret um besonders gute Konditionen für Kleinanleger ginge, zu prüfen. Aber
allen muss klar sein, dass es eben um langfristig orientierte Investments geht.
Hierfür suchen wir Partner. Wir brauchen Finanzmittel, um die Bahn
konkurrenzfähiger zu machen. Und wir wollen die Hoheit.über Entscheidungen in
Bezug auf das Netz beim Bund belassen. Jetzt geht es darum, das richtige
Instrument dafür zu finden.
Könnte der Investor eine „Heuschrecke" sein?
Auf keinen Fall. Jeder mögliche Partner muss wissen, dass der Bund immer
Mehrheitseigentümer bleiben wird, die Zusammensetzung des Aufsichtsrates
bestimmen wird und vor allem seiner grundgesetzlich verbrieften
Gemeinwohlverpflichtung nachzukommen hat. Er muss wissen, dass das Netz zu 100
Prozent beim Bund bleiben wird. Da ist für Heuschrecken nichts zu holen.
Warum ist ein Investor angesichts der verbesserten Haushaltslage notwendig?
Wir suchen Investoren, um die Steuerzahler nicht weiter zu belasten und um die
DB AG stärker zu machen, damit sie sich am europäischen Markt und in
Deutschland behauptet. Ich will, dass in einem starken Unternehmen das
Know-how, die Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland erhalten bleiben
und dass wir die 230 000 Arbeitsplätze vielleicht noch ausbauen können. Es geht
um die Frage: Haben .wir in Deutschland ein Bahnunternehmen, das so gut ist,
dass demnächst deutsche Züge auch in Frankreich, Italien oder Österreich
fahren? Wenn stattdessen aber der französische TGV von Köln nach Berlin oder
von Frankfurt nach München fahren würde, dann gingen hier die Arbeitsplätze
verloren.
Behält der Staat Einfluss darauf, dass die Bahn sich nicht aus der Fläche
zurückzieht?
Der Bund behält maximalen Einfluss au: die Gestaltung des Netzes, die Länder
ihrerseits bei der Bestellung von Dienstleistungen bei der DB AG und bei
Wettbewerbern. Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel behauptet, die
Privatisierung gefährde die Bedienung in der Fläche. Das ist Unsinn. Die Länder
bekommen vom Bund aktuell etwa 6,7 Miliarden Euro, um ein attraktives Nahverkehrsangebot
in der Fläche zu bestellen und mitzufinanzieren. Wir haben' vereinbart, dass ab
2009 die Summe jährlich steigen wird. Mit diesen sogenannten
Regionalisierungsmitteln sichern wir den Schienenverkehr in der Fläche Das ist
seit 1994 bewährte Praxis.
Wer wacht über die Netz-Qualität?
Das Eisenbahnbundesamt, das der DB AG genau auf die Finger schauen wird. Als
Bundesbehörde ist es die geeignete Kontrollinstanz, die wir auch mit wesentlich
mehr Kompetenzen, ausgestattet haben. Die Kontrolldaten bekommen auch die
Länderverkehrsminister, sodass sie demnächst erstmals die Qualität ihrer
Strecken beurteilen und die DB AG zum Handeln zwingen können,
„Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit... beim
Ausbau und Erhalt des Schienennetzes ... Rechnung getragen wird." So steht
es im Grundgesetz. Wie wird das zukünftig sichergestellt?
Der Steuerzahler hat Anspruch auf effizienten Einsatz seines Geldes. Er hat
Anspruch auf Versorgung in der Fläche, auf diskriminierungsfreien Zugang. Er
hat Anspruch darauf, dass bei Entscheidungen auch die nächsten Generationen im
Blick bleiben - in Bezug auf Klima und Umwelt. Gemeinwohlverpflichtung heißt,
dass optimale Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Hand erhalten bleiben. Wir
müssen als Sozialdemokraten aber auf-t passen, dass wir eine Verbindung mit
Pri-* vaten nicht ideologisch verteufeln.
Aber ein privater Investor hat Renditeerwartungen.
Die hat der Staat auch. Und er bekommt von der Rendite mindestens 51 Prozent.
Bei 25 Prozent Privatanteil sogar 75 Prozent. Die Frage ist, was mit der
Rendite geschieht. Derzeit stecken wir das Geld wieder in die Bahn. Auch
Investoren, sind an der langfristigen Leistungsfähigkeit von Netz und Zügen
interessiert. Dann werden, mehr Menschen und Waren unterwegs sein,.und das
Unternehmen wächst.