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Frankfurt macht keine Schule

Frankfurt gibt den Vorreiter auf Rädern. In den meisten deutschen Großstädten betreiben die kommunalen Verkehrsbetriebe Busse und Bahnen. Man verzichtet dort auf Ausschreibungen.

VON JOACHIM WILLE

Konkurrenz statt Monopol: Es war die Idee der EU-Komission, die im Jahr 2000 kommunale Verkehrsbetriebe und deren Beschäftigten aufschreckte. Überall, wo zwischen dem Nordkap und Sizilien öffentliche Busse oder Bahnen unterwegs sind, sollten die Aufträge für die Linien künftig erst nach einer europaweiten Ausschreibung vergeben werden. Ziel sei ein "kontrollierter Qualitätswettbewerb", sagte die damalige Verkehrskommissarin Loyola de Palacio.

Erhoffter Effekt: Die Verkehrsleistungen sollten billiger werden. In Deutschland und den anderen EU-Staaten sind Verkehrsgesellschaften in aller Regel teure Zuschussbetriebe. Der Kostendeckungsgrad liegt bundesweit im Schnitt nur bei knapp 70 Prozent. Ein preiswerterer ÖPNV könnte also die Kassen den Kommunen entlasten. Eine Verlockung für viele Stadtkämmerer.

Doch die Brüsseler Kommission wurde kurz darauf gebremst - von den EU-Verkehrsministern und vom EU-Parlament. Sie entschärfte daraufhin ihren Verordnungsentwurf. Diskutiert wird seither ein Wahlrecht der öffentlichen Auftraggeber von Verkehrsleistungen, die Verkehrsunternehmen entweder wie bisher direkt zu beauftragen oder die Aufträge unter Wettbewerbern auszuschreiben. Die Entscheidung rückt nun allerdings näher. Anfang Mai wird das Parlament in Straßburg über die ÖPNV-Verordnung abstimmen.

Es wird erwartet, dass die EU-Abgeordneten sich für die Wahlfreiheit aussprechen. Allerdings mit einer Einschränkung: Entscheidet sich eine Kommune gegen das Ausschreibungsmodell, dann darf ihr Verkehrsunternehmen selbst nicht anderswo ein Angebot abgeben. Konzessionen für Busdienste sollen nach den Vorstellungen des Parlaments für maximal zehn Jahre vergeben werden, für Schienenverkehre sind 15 Jahre geplant.

Bundesweit ist der Großteil der kommunalen Verkehrsbetriebe noch in öffentlicher Hand, weniger als zehn Prozent wurden bislang voll privatisiert. Zu dieser radikalen Lösung entschloss ich als erste deutsche Großstadt Mitte 2006 das badische Pforzheim. Es verkaufte die Anteilsmehrheit an den kommunalen Verkehrsbetrieben an Veolia Verkehr, eine Tochtergesellschaft des französischen Mischkonzerns Veolia. Vorher hatte es solche Lösungen nur in einigen Klein- und Mittelstädten gegeben, so in Görlitz, Idar-Oberstein und Bad Kreuznach.

Das Frankfurter Modell indes hat zumindest in anderen Großstädten noch keine Schule gemacht. Die Gründung der Nahverkehrsgesellschaft 2001 als "LNG", 2002 in "TraffiQ" umbenannt, erfolgte bereits mit Blick auf die Brüsseler Debatte, trotzdem ist die stadteigene Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VFG) auch jetzt noch der mit Abstand wichtigste Auftragnehmer. Die VFG ist der in eine eigenständige GmbH überführte ehemalige Verkehrsbetrieb der Stadtwerke. Laut Beschluss des schwarz-grünen Koalition muss sie sich bei der Ausschreibung zweier Linienpakete 2008 und 2009 dem Wettbewerb stellen.

Die Gewerkschaft Verdi spricht sich nicht grundsätzlich gegen Ausschreibungen aus. Sie könnten in kleineren Städten, die kein eigenes Verkehrsunternehmen haben, ein probates Mittel sein, um Busse effizienter betreiben zu können, sagte Verdi-Experte Stefan Heimlich der FR. Im Falle Frankfurts sei das Modell aber untauglich. Der komplexe, ineinander greifende Betrieb von U-Bahn, Straßenbahn und Bussen werde besser von einem eigenen Verkehrsunternehmen gemanagt, sagte er. Städte wie Hamburg, Stuttgart oder Bochum, die so arbeiteten, zeigten, dass Verwaltungskosten niedriger und Kostendeckungsbeiträge höher lägen.

Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) bewertete die Ausschreibungen positiver. Sie könnten die Qualität des ÖPNV steigern, sagte VCD-Expertin Frauke Spottka. Allerdings müssten dazu zwingend soziale und ökologische Kriterien festgelegt werden.

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Dokument erstellt am 24.04.2007 um 20:36:03 Uhr
Letzte Änderung am 24.04.2007 um 21:51:38 Uhr
Erscheinungsdatum 25.04.2007