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Verkehrspolitik
ver.di hält Privatisierung der Deutschen Bahn AG für
verkehrspolitisch falsch
Nein zur Privatisierung der Deutschen
Bahn AG,
Ja zu mehr Verkehr auf der Schiene und
Sicherung der Arbeitsplätze
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert im Kontext
neuester Vorschläge für ein Gesetz zur Privatisierung der
Deutschen Bahn AG, dass die DB AG als integriertes Unternehmen im
vollständigen Staatseigentum bleibt.
Das wesentliche verkehrspolitische Ziel der Bahnreform ist es, mehr
Verkehr auf die Schiene zu bringen. Damit dieses Ziel umgesetzt
wird, fordert ver.di die politisch Verantwortlichen auf, im Rahmen der
Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge ein dichtes Schienennetz und
attraktive Angebote auf der Schiene zu ermöglichen.
Angesichts der Herausforderungen bei den Themen Zukunft der
Mobilität, Effizienzsteigerung des Verkehrssektors,
Bekämpfung des Klimawandels, Schonung der Energieressourcen,
Schonung der Umwelt und Flächen sowie Verbesserung der
Verkehrssicherheit fordert ver.di die politisch Verantwortlichen auf,
den Verkehrsträger Schiene als strategisch wichtigen
Verkehrsträger zu betrachten. Notwendig ist die Fortentwicklung
des Verkehrsträgers Schiene und des öffentlichen
Personennahverkehrs als vollwertige Alternative zum motorisierten
Individualverkehr und eine deutliche Verlagerung des Güterverkehrs
auf die Schiene.
In Deutschland und in Europa darf es nicht zu einer Einschränkung
des Schienenverkehrs auf wenige Verbindungen in und zwischen Metropolen
und auf wenige Korridore kommen. Gerade strukturschwache Regionen
dürfen vom Schienenverkehr nicht abgehängt werden. Deshalb
müssen die notwendigen Rahmenbedingungen für den
Verkehrsträger Schiene geschaffen werden. Eine in
öffentlichem Eigentum stehende DB AG muss dabei das Rückgrat
des Verkehrssystems Schiene in Deutschland bilden.
Die Gewerkschaft ver.di fordert den Bund auf, sich zu seiner Rolle als
Eigentümer des Unternehmens DB AG zu bekennen. Wenn notwendig,
muss er fehlendes Eigenkapital der DB AG durch Bundesmittel zur
Verfügung stellen. Dabei muss es in erster Linie um die
Ermöglichung der notwendigen Investitionen zur Sicherung und
Weiterentwicklung des Schienenverkehrs in Deutschland gehen. Die
Risiken einer Kapitalprivatisierung der DB AG für den
Bundeshaushalt sind derzeit ungeklärt und werden von der
Gewerkschaft ver.di abgelehnt.
Eine Verstetigung der öffentlichen Investitionsmittel für die
Schieneninfrastruktur auf einem hohen Niveau im Rahmen einer Leistungs-
und Finanzierungsvereinbarung ist unverzichtbar notwendig und sinnvoll.
Eine langjährige Festlegung des Haushaltsgesetzgebers zur
Absicherung von Dividenden und Renditen für private Anteilseigner
wird von ver.di jedoch entschieden abgelehnt.
Eine mit der Kapitalprivatisierung einhergehende Gefährdung von
Arbeitsplätzen und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
der Beschäftigten bei der DB AG sowie der von der DB AG
abhängigen Wirtschaftsbereiche wie beispielsweise in der
Bahnindustrie und im Verkehrswegebau wird von ver.di entschieden
abgelehnt. Eine Beschäftigungssicherung muss auch über den
Zeitraum nach 2010 hinaus bei der DB AG Bestand haben. Ver.di lehnt
eine Absenkung der Entgelte der Beschäftigten zur
Ermöglichung der Kapitalprivatisierung der DB AG entschieden
ab!
Die Gewerkschaft ver.di fordert die Bundesregierung, den Deutschen
Bundestag und in die Bundesländern auf, von
Privatisierungsplänen für die DB AG Abstand zu nehmen! Die
Auffassung der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung und
der Beschäftigten der DB AG für eine DB AG in
öffentlichem Eigentum müssen in der Politik
Berücksichtigung finden! Notwendig ist deshalb eine breite
öffentliche Debatte über die Stärkung des
Schienenverkehrs in Deutschland und in Europa!
Begründung:
Die Debatte um die Privatisierung der Deutsche Bahn AG wird seit
längerer Zeit geführt. Dabei steht jedoch die Art und Weise
der Privatisierung im Vordergrund. Eine Debatte, ob es sinnvoll ist,
die DB AG zu privatisieren oder nicht, wurde bisher nicht ernsthaft
geführt. So untersucht zum Beispiel das von der Bundesregierung
und vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegebene Gutachten
"Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn AG mit und ohne Netz"
(PRIMON-Gutachten) nur verschiedene Privatisierungsvarianten, jedoch
nicht die Variante ohne Privatisierung. Dagegen schreibt die 1993
beschlossene Bahnreform keine Privatisierung der DB AG vor.
Der Deutsche Bundestag hat am 24. November 2006 in einer
Entschließung das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung aufgefordert, bis Ende März 2007 einen Entwurf
für ein Privatisierungsgesetz vorzulegen. Auch in dieser
Entschließung wird die Notwendigkeit der Privatisierung nicht
begründet. Die in der Entschließung genannten Zielsetzungen
und Gesichtspunkte sind inhaltlich widersprüchlich und nicht
miteinander vereinbar. Dies betrifft insbesondere die wichtige Frage
der Eigentumsrechte in Bezug auf die Schieneninfrastruktur und die
damit zusammenhängende Frage des Infrastrukturauftrags des Bundes
nach dem Grundgesetz. Der zwischenzeitlich bekannt gewordene Entwurf
eines Privatisierungsgesetzes ist bereits in der Regierungskoalition
auf deutlichen Widerspruch gestoßen.
Die Privatisierungserlöse würden nur einen Bruchteil der vom
Bund bisher in die Schieneninfrastruktur investierten öffentlichen
Mittel betragen. Dies würde einer Verschleuderung
öffentlichen Eigentums gleichkommen. Zudem liegen die
Haushaltsrisiken weit über den zu erwartenden
Privatisierungserlösen. Risiken für den Bundeshaushalt
ergeben sich durch mögliche spätere Kapitalerhöhungen
auf Wunsch eines privaten Anteilseigners und durch unzureichende
Zugriffe des Bundes auf die Schieneninfrastruktur. Deshalb wäre es
für den Bund haushaltspolitisch günstiger, wenn er selbst die
notwendige Eigenkapitalaufstockung der DB AG durchführen
würde.
Bei einer Kapitalprivatisierung der DB AG würden die Interessen
des privaten Anteilseigners bzw. der privaten Anteilseigner an einer
möglichst hohen Rendite in den Vordergrund rücken. Bereits
der Verkauf eines Minderheitenanteils an einen privaten Investor bzw.
an private Investoren würde diese Wirkungsmechanismen in Gang
setzen. Die Hebel hierfür sind insbesondere verschärfte
Kostensenkungen und Produktivitätserhöhungen, wie auch die
Erfahrungen aus zahlreichen anderen privatisierten Unternehmen zeigen.
Die Folge einer kapitalprivatisierten DB AG wäre die reine
Ausrichtung auf die ertragsstärksten Relationen und die
Gefährdung des gesamten Schienenverkehrs einschließlich der
Infrastruktur, insbesondere außerhalb der Ballungsräume.
Dies bedeutet nicht mehr, sondern weniger Verkehr auf der Schiene und
widerspricht damit den Zielen der Bahnreform. Zudem sind negative
Auswirkungen auf zahlreiche Regionen und Wirtschaftsräume zu
befürchten. Weiterhin besteht die Gefahr, dass
einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen von der
Mobilität ausgeschlossen werden.
Für den Güterverkehr besteht die Gefahr, dass durch die zu
befürchtende Einstellung des Einzelwagenladungsverkehrs erhebliche
Verkehrsanteile auf die Straße verlagert werden.
Für den Schienenpersonenverkehr droht ein weiterer Rückzug
des Schienenverkehrs aus der Fläche.
Für die Schieneninfrastruktur drohen weitere massive
Stilllegungen. Schon heute befindet sich das Schienennetz durch die
Orientierung des Bahnmanagements auf eine Kapitalprivatisierung und
durch die Kürzung öffentlicher Schieneninfrastrukturmittel in
einem bedenkenswerten Zustand (Langsamfahrstellen nehmen seit einigen
Jahren wieder deutlich zu) und entspricht in seiner Ausrichtung nicht
den verkehrspolitischen Erfordernissen der Gegenwart und Zukunft. Dies
gefährdet nicht nur Arbeitsplätze bei der DB AG, sondern auch
bei den nichtbundeseigenen Eisenbahnen.
Die negativen Folgen von Privatisierungen in zahlreichen Ländern
für die Versorgung in der Fläche und die hohen Folgekosten
für den Steuerzahler sollten bei der Privati-sierungsentscheidung
besondere Berücksichtigung finden. Zudem sollten positive
Beispiele öffentlicher Bahnen wie insbesondere in der Schweiz
verstärkte Berücksichtigung in der politischen Debatte
finden. Im Gegensatz zu Deutschland soll in der Schweiz die SBB
weiterhin in öffentlichem Eigentum geführt werden.
71 Prozent der Bevölkerung befürworten laut einer Umfrage von
emnid die Fortexistenz der DB AG in öffentlichem Eigentum. Dieser
breite Wille muss von der Politik bei ihren Entscheidungen
Berücksichtigung finden.
Beschluss des
ver.di-Bundesvorstands vom 22. Januar 2007