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Auszug von den
Seiten 5 und 6 aus "express" Zeitung für sozialistische
Betriebs- und Gewrkschaftsarbeit Nr.3/2009, 47.Jahrgang (Gescannt,
deshalb entsprechende Fehler möglich)
Wie eine Verkäuferin sich gegen ihre Verdachtskündigung
wehrte
Allgemeines im Besonderen
Willi Hajek und Gregor Zattler über betrieblichen Ungehorsam,
kollektive Selbstorganisation und gewerkschaftliche Versäumnisse
Das Berliner Solidaritätskomitee
für die gekündigte Kaiser's-Kassiererin Emmely hat es
geschafft diesen Fall einer Verdachtskündigung mit
Bagafellcharakterzu einem nicht nur bundesweiten Politikum zu machen.
Es hat seit einem Jahr den Kampf Emmelys gegen die Kündigung
begleitet, öffentlich gemacht und politisiert. Deshalb gibt es nun
größere Chancen, diese Rechtsprechung mit Hilfe einer
Verfassungsklage zu beenden. In den Berliner
Gewerkschaftsvorständen hatten die Aktivitäten des
Solikomitees während dieser ganzen Zeit keine Unterstützer
gefunden. Dies wollten wir im express diskutieren, aber zwei Artikel
wurden abgelehnt. Der >express< ist so ziemlich das einzige
Printmedium in Deutschland, das sowohl von Betriebs- und
Gewerkschaffsaktivistinnen als auch von Aktivistinnen der
»sozialen Bewegungen« gelesen wird und in dem auch
gewerkschaftsunabhängige Stimmen gedruckt werden. Damit
könnte der >express< eine wichtige Scharnierfunktion
erfüllen und die Debatte zwischen verschiedenen Teilen der
sozialen Linken voranbringen. So aber wurde die Auseinandersetzung
verhindert. Um die notwendige Debatte endlich zu beginnen, wollen wir
im Folgenden die Situation aus unserer Sicht beschreiben. Die Redaktion
hat die Möglichkeit, zusätzlich die Perspektive weiterer
Akteure ins Blatt zu holen und so Konflikte Öffentlich zu machen.
Unserer Meinung nach sollte sie genau das tun, statt auf eine
Kontroverse zu
verzichten.
(G.H./G.Z)
Im Winter 2007 finden bundesweit von ver.di organisierte
Einzelhandelsstreiks statt, um den tariflosen Zustand zu beheben. Die
Arbeitgeber fordern die Streichung der Zuschläge für
Spät-, Nacht- und Wochenendarbeit. In Berlin-Brandenburg
beteiligen sich Tausende von Kolleginnen an den Demonstrationen und
Streikbewegungen. Die Aktionen, Straßenversammlungen und
Blockaden sind lebendig und voller Fantasie. Auch bei Kaisers gibt es
einen ganzen Block von aktiven Frauen. Emmely, Kassiererin in der
Kaisers Filiale in Berlin-HohenschÖnhausen, ist auch dabei,
organisiert ihre Kolleginnen, führt die Streikteilnehmerliste
für die Auszahlung der Streikgelder, sie ist aber nur Mitglied
ohne gewerkschaftliche Wahlfunktion. Die Distriktleitung von Kaiser's
bekommt durch die Streikaktionen einen Überblick über das
Verhalten der Beschäftigten, Die Nicht-Streikenden werden zum
Streikbrecher-Bowling eingeladen, um den Zusammenhalt zu pflegen gegen
die Aktivisten.
Es wird zu betrieblichen Denunziationen aufgefordert. Die Streikenden
werden schließlich von der Distriktleitung zum
Vier-Augen-Gespräch zitiert. Den Streikenden wird Angst gemacht.
Einige geben nach und ziehen sich zurück. Emmely hält diesen
Druck aus und gibt nicht nach. Sie wird von mehreren Kolleginnen
gewarnt, als oberste auf der Abschussliste des Arbeitgebers zu stehen.
Bevor Emmely an dem besagten Tag ihren Einkauf tätigt, der drei
Tage später wegen der angeblichen Einlösung fremder Pfandbons
zur fristlosen Kündigung führen sollte, hatte man bereits
versucht, ihr bei der Abrechnung von payback-Punkten eine Falle zu
stellen. Dies gelang nicht. Erst mit diesem Verdacht der
Pfandbonseinlösung schien sich die Filialleitung sicher. Die
fristlose Kündigung wegen des Verdachts,
»nicht-abgezeichnete Pfandbons« im Werte von 1,30 Euro
eingelöst zu haben, wurde im Februar 2008 ausgesprochen. Emmely
geht daraufhin zur Gewerkschaft, um Rechtsbeistand zu bekommen.
Bereits während der Streiks hatte sich in der Art von
Streikbeobachtern durch kanalB eine Unterstützergruppe gebildet,
die in den Streik intervenierten wollte und eine Blockadeaktion beim
Real-Supermarkt organisierte. Die Gruppe hatte sich im Streik mit
Emmely und ihren kämpferischen Kolleginnen angefreundet. Als
Emmely gekündigt wurde und beschlossen hatte, damit an die
Öffentlichkeit zu gehen, wurde aus dieser Gruppe das Komitee
»Solidarität mit Emmely«. »Wir machen diese
Geschichte Öffentlich«, beschloss das sich gründende
Soli-Kollektiv. Emmelys ver.di-Anwältin, an ehe sie sich gewandt
hatte, will jedoch keine Öffentlichkeit. Emmely entscheidet sich,
die Anwältin zu wechseln, und wendet sich an einen anderen vom
Soli-Komitee vorgeschlagenen Anwalt, der sie bis heute vertritt.
Beide beschließen, sich gegen die fristlose Kündigung mit
einer Klage zu wehren. Das neu gegründete Soli-Komitee beginnt in
Vorbereitung des Prozesses mit seiner Öffentlichkeitsarbeit,
ver.di Handel/Berlin-Branden-burg nimmt erstmals öffentlich zu
diesem Ereignis Stellung: Die Fachbezirksbereichsleiterin, Erika
Ritter, erklärt ihre solidarische Unterstützung auf einer
Kundgebung, die vom Solikomitee organisiert worden war.
Nach der Niederlage in erster Instanz und nachdem der Tarifvertrag
unterschrieben war, erscheint Anfang September 2008 ein großer
Artikel in der »publik«. Außerdem setzt ver.di eine
Online-Solidaritätserklärung mit Unterschriftensammlung auf
und verteilt Postkarten, in denen Kaisers zur Wiedereinstellung von
Emmely aufgefordert wird. Zur Überraschung aller wird zudem noch
von ver.di aufgefordert, so lange nicht mehr bei Kaiser s einkaufen zu
gehen, bis die Kassiererin wieder eingestellt ist.
Etwa vier Wochen später findet ein Gespräch bei der
verantwortlichen ver.di-Landesbezirksfachbereichssekretärin statt,
in dem diese versucht, Emmely klarzumachen, dass sie keine Chance habe,
den Prozess zu gewinnen; sie solle das angebotene Abfindungsangebot von
Kaiser's annehmen und gehen: »Dein Marktwert ist so hoch wie nie,
und zudem brauchst du doch jetzt Geld.« Aber Ernmely bleibt
ungehorsam gegenüber der Aufforderung des Gewerkschaftsapparats,
sie fühlt sich im Recht. Das Soli-Kollektiv gibt ihr
Rückhalt. »Ich lasse mich nicht kaufen«, teilt Emmely
ihrer Fachsekretärin mit. Wenige Tage später, am 1. Oktober
2008, erscheint eine öffentliche Stellungnahme des Betriebsrates
von Kaiser's, Zweigstelle Berlin, auf der Soliwebsite von ver.di zum
Fall Emmely. In dieser Stellungnahme behauptet der Betriebsrat, Emmelys
Kündigung habe mit dem Streik nichts zu tun, und
gegensätzliche Feststellungen des Betriebsrates im Widerspruch
gegen die Kündigung seien »wider besseres Wissen«
erfolgt. Der Betriebsrat fordert ver.di auf, die Soliaktion
einzustellen (s.
Kasten unten].
Am selben Tag beendet ver.di ihre
Solidaritätsaktionen.
Nach dem Urteil in erster Instanz, in dem die
Kündigungsschutzklage zurückgewiesen wurde, beschließt
Emmely, in Berufung zu gehen. Vor allem die Aufforderung des Richters,
doch endlich die Straftat einzugestehen, empört sie. Zudem hatte
sie im Solikomitee großen Halt und Freunde gefunden; es trifft
sich wöchentlich, führt Informationsveranstaltungen zur
Verdachtskündigung und andere öffentliche Aktionen durch. Bei
den Aktionen auf der Straße und vor den Kaiser's-Filialen gibt es
große Zustimmung von Seiten der Berliner Bevölkerung. Der
»Fall Emmely« führt dazu, dass viele Menschen von
ihren eigenen Erfahrungen erzählen, von ihrem Erleben, von den
Demütigungen im Betrieb, gerade auch in den Handelsketten. Auch
anderswo entdecken wir plötzlich Verdachtskündigungen. Es
melden sich betroffene Kolleginnen aus Wirten, Essen und
Fürstenberg. In der Volksbühne in Berlin findet eine vom
Solikomitee organisierte, gut besuchte Veranstaltung statt, an der auch
Brigitte Heinisch sich beteiligt. Sie war als Altenpflegerin bei
Vivantes beschäftigt und hatte sich ebenfalls ungehorsam
gegenüber den Anordnungen der Leitung verhalten. Sie hatte
inhumane und medizinisch unerträgliche Zustände, die auch den
Vorschriften widersprachen, in der Pflege öffentlich gemacht und
wurde fristlos gekündigt.
Erst durch diese Öffentlichkeitsarbeit des Soli-Komitees konnte
der Prozess in der zweiten Instanz im Februar 2009 zu einem solchen
öffentlichen Ereignis werden. Bundesweit wird der Fall
»Emmely« exemplarisch für die Klassenjustiz, die mit
einer solchen Verdachtskündigung praktiziert wird.
(Beginn Kasten)
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Stellungnahme des Betriebsrats von
Kaiser's
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
zu dem Aufruf >Solidarität mit Emmely< möchten wir im
Namen und im Interesse unserer Kolleginnen, von denen viele
ver.di-Mitglieder sind, Stellung nehmen.
Seit Monaten kommen unsere Kolleginnen in den Filialen nicht mehr zur
Ruhe, Mitglieder oder Sympathisanten des Solidaritätskomitees
fallen überfallartig in die Filialen ein, verteilen
Flugblätter mit dem Aufruf an die Kunden, nicht mehr bei Kaiser's
einzukaufen. Gruppen ziehen durch die Filialen mit Masken, lauter Musik
und Megaphon. Das wird von den davon betroffenen Kolleginnen nicht nur
als störend, sondern als beängstigend empfunden.
Den Aufruf zum Kaufboykott sehen sie als Angriff auf ihre
Arbeitsplätze.
Kaiser's ist eins der Unternehmen im Einzelhandel Berlins, in dem
ver.di stark vertreten ist. Unsere Kolleginnen haben bisher keine
Einschnitte, z.B. in tarifliche Regelungen hinnehmen müssen.
Wir wurden und werden als Betriebsrat sehr gefordert, beantworten
Fragen, beruhigen, diskutieren mit den Kolleginnen darüber und
versuchen, ihnen ihre Befürchtungen zu nehmen. Deshalb ist es
schwer verständlich und kaum zu vermitteln, dass jetzt zum
Kaufboykott aufgerufen wird, ohne mit den betroffenen Kolleginnen im
Betrieb und mit dem Betriebsrat Rücksprache zu halten.
Zur Sache selbst:
Der Betriebsrat hatte für Barbara E. einen nach unserem
Verständnis akzeptablen Kompromiss vermittelt. Leider lehnte sie
diesen ab.
Dem daraufhin folgenden Antrag auf außerordentliche
Kündigung wurde vom Betriebsrat widersprochen. Da wir auf Grund
des vorliegenden Sachverhalts und in Kenntnis von entsprechenden
Arbeitsgerichtsurteilen in ähnlichen Fällen davon ausgingen,
dass es - wenn es zum Prozess kommt - für die Kollegin schwer
wird, haben wir alles, was entlastend wirken konnte, in diesen
Widerspruch reingeschrieben. U.a. haben wir auch die Vermutung
geäußert, dass ihre Beteiligung am Streik dabei eine Rolle
gespielt haben könnte, wohl wissend, dass dem nicht so war. Das
ist auch der Grund, warum wir uns bisher noch nicht geäußert
haben.
Fakt ist;
Barbara E. war nicht die einzige Kollegin bei Kaiser's, die bis zum
letzten Tag gestreikt hat. Es haben mehrere Kolleginnen bis zum letzten
Tag an den Streiks teilgenommen.
Dies gilt auch für eine weitere Kollegin aus der Filiale, in der
Barbara E. gearbeitet hat, ohne dass es negative Konsequenzen gab. Alle
wussten, dass sie sich auf uns verlassen können.
Deshalb fühlen wir uns als Betriebsrat hier vorgeführt. Es
ist Teil unserer Arbeit, Kolleginnen vor Repressalien zu schützen
und das haben wir auch in dieser Streikrunde getan.
Es gab keine Repressalien für die betroffenen Kolleginnen, auch
nicht im Nachhinein, das hätten wir gar nicht zugelassen.
Dass die Verdachtsankündigung im Arbeitsrecht problematisiert
wird, können wir gut nachvollziehen, und wir sehen es genauso. Nur
die Kündigung von Barbara E. haue nach unserer Einschätzung
nichts mit dem Sireik zu tun.
Nachdem jetzt von ver.di über den Aufruf und die Postkartenaktion
massiv Druck gemacht wurde und der Betriebsrat es dem Arbeitgeber
nahegelegt hat, wurde der Kollegin E. über ver.di ein Angebot zur
gütlichen Einigung gemacht, obwohl das Arbeitsgericht zu Gunsten
von Kaiser's geurteiit hatte.
Leider bestand nicht einmal die Chance zu verhandeln, da Kollegin E.
einen Kompromiss weiterhin ablehnt.
Das Ziel, Bewegung in diese festgefahrene Angelegenheit zu bringen, ist
erreicht worden. Nun muss aber auch gesehen werden, dass ein solcher
Boykott mehr den Arbeitnehmerlnnen bei Kaiser's schadet als dem
Unternehmer.
Unsere Kolleginnen, unter denen es viele ver.di-Mitglieder gibt, haben
einen Anspruch darauf, dass auch sie gehört werden. Es hilft der
Sache nicht, wenn ohne Einbeziehung aller ver.di-Mitglieder im Betrieb
Aktionen gestartet werden.
Im Interesse der Beschäftigten bei Kaiser's bitten wir Euch, von
der Postkartenaktion mit dem Aufruf zum Kaufbdykott Abstand zu nehmen.
Mit kollegialen Grüßen
Christel Laubisch,
Vorsitzende des Betriebsrat von Kaiser's
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(Ende Kasten)
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Mit der Berufungsverhandlung wird das Medienecho zum Sturm. Zur
Berufungsverhandlung erscheint ein großes Portrait des Anwalts
von Emmely in der »publik«. Nach der Niederlage vor dem
Landesarbeitsgericht berichten alle Massenmedien in Deutschland. Die
Ablehnung der Berufung löst eine noch größere Debatte
aus, in alten Nachrichtensendungen und Talkshows positionieren sich die
Teilnehmer — mehrheitlich eher pro Emmely. Dabei interviewen die Medien
auch mehrfach Gewerkschafterinnen, darunter die
Fachbezirksbereichsleiterin, Erika Ritter. Politiker aller Parteien
sind geradezu gezwungen, sich zu äußern. Angesichts der
Finanzkrise und in Erwartung der "Wahlen in diesem Jahr folgen sie
dabei meist dem »gesunden Gerechtigkeitsempfinden« und
kritisieren die Rechtssprechung. Tage später erscheint eine
Stellungnahme des Fachbereichs. In allen genannten öffentlichen
Äußerungen stellt ver.di den Fall Emmely so dar, als
gäbe es kein Solikomitee oder vereinnahmt dessen 'Arbeit, als
wäre es die eigene.
Emmely wird zu einer begehrten Gesprächspartnerin, sie wird
bundesweit von ver.di-Gruppen, Schulen und anderen Initiativen
eingeladen, ihre Geschichte wird mehr und mehr zum Anlass für
andere Betroffene, von sich zu berichten. Emmely macht ihnen, trotz der
aktuellen Niederlage, Mut, ungehorsam zu werden, sich nicht mehr alles
gefallen zu lassen. Hinter allem steht die alltägliche Arbeit des
Soli-Komitees, in dem alternative Medienaktivistinnen von kanalB,
labournet.de und netzwerk.lt großen Anteil haben. Hier entwickelt
sich eine kooperative Praxis, von der andere nur lernen können.
Einzelne Kolleginnen von Kaiser's beteiligen sich, aber es herrscht bei
Kaiser's in den Laden große Angst, sich als Unterstützerin
von Emmely zu outen. Diese Angst hat der Betriebsrat mit seinem
damaligen Brief noch verstärkt. Die Situation ist vertrackt: Zum
einen gibt es eine breite Öffentlichkeit, die empört ist, zum
anderen ein Kaiser's-Unter-nehmen mit seinen 170 Filialen in Berlin,
das zusammen mit dem Betriebsrat gegen Emmely hetzt - und das
ver.di-Handelssekretariat in Berlin mit seinen 650 organisierten
Kolleginnen bei Kaisers schweigt. Die Gewerkschaftsfunktionäre
greifen diesen Ungehorsam einer Kollegin nicht auf, benutzen den Fall
nicht dazu, das Klima im Unternehmen zu verändern und den mutigen
Kolleginnen den Rücken zu stärken. Ohne die
selbstorganisierende Existenz und Aktivität des Soli-Komitees
wäre die Geschichte nicht bekannt geworden, weder in Berlin noch
bundes- oder gar europaweit; und ohne den Mut und den Ungehorsam der
Kassiererin Emmely hätte es mit einem stillen Vergleich geendet,
ohne jegliches öffentliches Aufsehen. Viele Konflikte laufen so im
Stillen ab, und alle bleiben vereinzelt. Dabei können
Rechtsfälle wie diese Verdachtskündigung sehr wohl eine
soziale Dynamik entfalten und die Kräfteverhältnisse zwischen
Kapital und Arbeit verändern. Inzwischen wollen einige bei ver.di
organisierte und am Streik beteiligte Frauen bei Kaisers in den
Filialen eine gewerkschaftliche Vertrauensleutearbeit aufbauen, aber
auch das ist nicht leicht angesichts des Gegenhandelns der
Betriebsratsspitze.
Fazit: Eine Gruppe von 10-15 Menschen -alternative Medienaktivistinnen,
gewerkschaftskritische Basisakteure und Aktive aus dem linksautonomen
Bereich - unterstützen eine Kaiser s-Verkäuferin, die sich
gegen ihre fristlose Kündigung wehrt. Sie erreichen eine
Öffentlichkeit, die sich mehrheitlich über die Urteile gegen
Emmely empört. Alle Parteien und juristischen Lager sind
inzwischen gezwungen, sich zur deutschen Arbeitsrechtssprechung zu
äußern, die Verfassungsklage, die Emmelys Anwalt einreichen
wird, hat Aussichten auf Erfolg. Die vielen, seit Jahren
ausgesprochenen Kündigungen in ähnlichen Fällen werden
plötzlich bekannt, und die Betroffenen hoffen, dass ihnen dank
Emmely Gerechtigkeit widerfährt. Die folgenden Urteile in Sachen
Verdachtskündigung sind nicht mehr so leicht im Interesse der
Unternehmer zu fällen. Im Angesicht der Finanzkrise erhält
das Urteil gegen Emmely einen für alle sichtbaren
Klassencharakter. Wen das alles nicht besonders zu interessieren
scheint, sind die Gewerkschaften hier in Berlin, obwohl sie — und nicht
nur ver.di — ständig mit solchen Urteilen vor allem gegen ihre
aktivsten Mitglieder zu tun haben. Die Funktionäre vor Ort haben
weder das Solikomitee tatkräftig unterstützt, noch eigene
Aktivitäten kontinuierlich verfolgt; in Talkshows sind sie
besonders uninformiert, und ihre gewerkschaftseigenen Juristen halten
sich bezüglich einer Verfassungsklage vornehm zurück. Die
Gewerkschaften haben bisher eine richtig gute Chance verspielt, eine
effektive Zusammenarbeit mit sozialen Initiativen zu probieren, sie
haben ihre Kolleginnen vor Ort allein gelassen und deren Mut nicht
gestärkt, und sie haben sich nicht an die Spitze einer Kampagne
gestellt, die Arbeitsrechts-sprechung zugunsten der Beschäftigten
zu verändern. Ob es ihnen gefällt oder nicht, haben sie dazu
beigetragen, die Achtung und Anerkennung vor der Kraft und Dynamik sich
selbstorganisierender sozialer Bewegungen zu stärken.
Zusammengefasst wünschen wir uns - das sind alle die, die an
diesem solidarischen und kooperativen Prozess hier in Berlin beteiligt
sind —, dass sich aus diesem betrieblichen Ungehorsam einer einzelnen
Kollegin gegenüber der Arroganz der Mächtigen und aus der
Kraft der Selbstorganisation der Unterstützerinnen im
Soli-Kollektiv ein allgemeiner Ungehorsam und eine kollektive
Selbstorganisation gegen die unerträglichen Verhältnisse hier
im Lande entwickeln. Und das ist möglich. Packen wir es an!
Weitere
Informationen unter:
http//emmely.org
Es gibt einen
Dokumentarfilm von kanalB, der den Streik im Einzelhandel und damit
auch den Fall Emmely dokumentiert. »Das Ende der Vertretung -
Emmely und der Streik im Einzelhandel« von Bärbel
Schönafinger in Zusammenarbeit mit Samira Fansa, BRD 56 min. Der
Film kann auf http://kanalb.org für 10 Euro bestellt werden.