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Verbraucherschützer sehen Verschleuderung von Volksvermögen

Die scheidende Chefin des Dachverbands macht gegen Bahnprivatisierung mobil / - Strecken-Stilllegungen in großem Stil befürchte Verbraucherschützer sehen Verschleuderung von Volksvermögen

VON THOMAS WÜPPER

Verbraucherschützer werfen der Bundesregierung bei der geplanten Bahnprivatisierung die "Verschleuderung von Volksvermögen" vor. Nach dem Einstieg privater Investoren sei die Stilllegung von bis zu 9000 Kilometer Strecken vor allem in Ostdeutschland und Bayern zu befürchten. "Die Pläne von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee sind wirklich unglaublich und in keiner Weise hinnehmbar", sagte die scheidende Chefin des Dachverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), Edda Müller, der FR. "Wir hoffen sehr, dass die Bundesländer im Bundesrat diesen Unsinn stoppen, wenn es schon der Bundestag nicht tut."

Nach Ansicht von Müller werden die Weichen für die Bahn mit der Privatisierung in die falsche Richtung gestellt. Denn dadurch werde der Renditedruck auf das Unternehmen und die Infrastruktur enorm wachsen. Schon jetzt sei die mittelfristige Stilllegung von mehr als einem Viertel des noch 34 000 Kilometer langen Gleisnetzes im Gespräch. "Und einen solchen Kahlschlag könnte es in einer Zeit geben, da man Bahnverkehr massiv ausbauen müsste, um das Klima zu schützen", ärgert sich die Verbandschefin.

Müller kritisiert, dass nach dem kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf die Deutsche Bahn die gesamte Infrastruktur - also Gleise, Bahnhöfe, Energieanlagen und Immobilien - mindestens weitere 15 Jahre kontrollieren und bewirtschaften könnte. "In dieser Zeit sollen mehr als 50 Milliarden Euro verlorene Zuschüsse für Erhalt und Ausbau des Netzes an den Konzern fließen", so die Expertin.

Die wertvolle und von Steuerzahler finanzierte Infrastruktur werde damit faktisch verschenkt. Nur noch auf dem Papier bleibe der Staat Eigentümer. Wenn der Bund das Netz nach 15 Jahren wieder in eigene Verantwortung nehmen wollte, müsste er dafür vermutlich Milliarden als Wertausgleich bezahlen. "Deshalb wird es diese Rückübertragung natürlich niemals geben", ahnt Müller.

Eine solche Politik sei "völlig unverständlich", kritisiert die Verbraucherschützerin. "Mir erschließt sich nicht, warum ein Finanzminister einer solch ungünstigen Regelung für die Steuerzahler zustimmt." Auch vermisse sie den Protest aus dem Umweltministerium. "Es fällt schwer, Worte für meine Empörung zu finden", so Müller.

Die Verbraucherschützer befürchten, dass die Teilprivatisierung nach langem Streit in der Regierung und unter den Verkehrsexperten im Bundestag nun in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchgepeitscht werden soll. Der neue Gesetzentwurf sei erst vor wenigen Tagen verschickt worden. Merkwürdige Konstruktionen würden erfunden, um Verfassungs- und Bilanzrecht zusammen zu zwingen, damit die teilprivate Bahn die Infrastruktur in ihren Bilanzen aufführen könne, kritisiert Müller.

Die Regierung erwarte bereits bis Freitag eine Stellung, damit das Kabinett am 24. Juli die Privatisierung absegnen könne. "Das zeigt, dass unsere Meinung überhaupt nicht gefragt ist", so die VZBV- Chefin.

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Dokument erstellt am 09.07.2007 um 17:16:02 Uhr
Erscheinungsdatum 10.07.2007