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Hessen unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) , ein Privatisierungseldorado

 

Hans-Georg Bodien

 

Einleitung

 

Mit Steuergeschenken an Unternehmen und Superreiche – um nur zwei Gründe für die öffentliche Verarmung zu nennen – hat unsere Politikerelite für die defizitäre Situation der öffentlichen Haushalte gesorgt. Als Konsequenz beobachten wir seit geraumer Zeit das Kaputtsparen und Herunterwirtschaften öffentlicher Infrastruktur. Mit ihren Privatisierungsorgien in variabler Gestaltung bietet unsere Politikerelite auf allen Ebenen unseres Gemeinwesens  nun kollektive Güter international agierenden Konzernen als gewinnträchtiges Feld für ihre Kapitalverwertungsstrategien an. Sie gewährt Investmentbanken, Beteiligungsgesellschaften und Pensionsfonds  exzessiv, ihre Geldanlagestrategien umzusetzen und bietet der Berater(un)kultur ein lukratives Geschäft. So sind in unserem Gemeinwesen in den letzten  Jahren bereits riesige Teile des Volksvermögens in privaten Besitz übergegangen darunter Wasser- und Abwasserinfrastruktur,  Müllbeseitigung, Post- und Fernmeldewesen, Energieversorgung, Krankenhäuser, Wohnungen etc. Die echte Teil - Privatisierung der Bahn ist nicht zuletzt aufgrund des heftigen Protestes aus der Bevölkerung zunächst verhindert worden.  Konzentrieren auf die Kernaufgaben nennen diese Politiker hochtrabend ihren Rückzug aus der Verantwortung für öffentliche Infrastruktur. Das Land Hessen unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU)  ist hierfür ein markantes Beispiel.     

 

Gut zwei Monate vor der nächsten Landtagswahl in Hessen zunächst ein Blick zurück auf die Landtagswahl vom 2. Februar 2003 (Quelle: Hess. Statistisches Landesamt) :

 

Wahlberechtigte:                   4 330 792

Wahlbeteiligung:    64,6%   (2 798 534)

Ungültige Stimmen: 2,3%       ( 63 542)

Gültige Stimmen:                 2 734 992

 

Stimmverteilung:

 

CDU:   48,8%            =         1 333 863

SPD:    29,1%            =            795 576

Grüne: 10,1%            =            276 276

FDP  :   7,9%            =            216 110

Andere: 4,1%            =            113 167                                                     

 

Der nüchterne Blick auf die Zahlen belegt, daß sich die hessische Landesregierung lediglich auf weniger als ein Drittel der insgesamt Wahlberechtigten berufen kann. Ihre Machtlegitimation beruht noch nicht einmal auf einer absoluten Mehrheit der gültigen Stimmen. Wenn Roland Koch und seine Adlaten im Kabinett und Landtag nun glauben, kraft dieser Mehrheit alles tun zu dürfen, zeugt dies von feudaler Abgehobenheit, arroganter Ignoranz und damit von einem riesigen Defizit an demokratischer Sensibilität.

 

So hat Roland Koch sein Kabinett zu einer steuerfinanzierten Privatisierungsagentur gemacht, obwohl inzwischen ein massiver Widerstand gegen das Verhökern von Volkseigentum besteht und obwohl es seit geraumer Zeit eine massive Gegnerschaft gegen die Privatisierung eigentlich öffentlicher Aufgaben und deren Durchführung gibt.

 

Einige gravierende, von arroganter und mehr als nur latent absolutistischer Machtausübung geprägte Privatisierungsentscheidungen der hessischen Landesregierung in den Jahren 2004 bis 2007 will dieser Beitrag beleuchten.

 

Das Jahr 2004

 

Verkauf der Landesanteile an der Wohnstadt Kassel

 

Am Ende des Jahres verkauft die Koch-Administration die Landesanteile (83,45%) an der Wohnstadt Kassel für 178 Millionen €. Dies ist eine besonders artistische Transaktion, ist doch die Käuferin die Nassauische Heimstätte, an der wiederum das Land Hessen 54% der Anteile hält. Der Deal ist Teil des als „Operation sichere Zukunft“ bezeichneten Spar- und Verkaufsprogramms, mit dem Hessen seine Finanzen aufbessern will. So spricht das Finanzministerium hier auch von „Hebung stiller Reserven zur Haushaltsfinanzierung“. Der Versuch der Landesregierung, bei der Stadt Frankfurt, die 31% der Anteile hält, dann im Herbst 2005 die Zustimmung zum Verkauf der Landesanteile an der Nassauischen Heimstätte zu erhalten, scheitert(Quelle: Frankfurter Neue Presse vom25.10.05). Ein Antrag aus dem hessischen Finanzministerium auf Änderung des Gesellschaftsvertrages via Geschäftsführung der Nassauischen Heimstätte beinhaltet, dass Entscheidungen (z.B. die Zustimmung zu einem Verkauf der Landesanteile) künftig nicht mehr im Aufsichtsrat(hier stellt das Land ein Drittel der Mitglieder) entschieden werden sondern in der Gesellschafterversammlung, die das Land klar dominiert(Quelle: FNP 29.10.05). Über den Vorgang hält sich das Finanzministerium inzwischen sehr bedeckt, denn es stehen Landtagswahlen an.

 

Inzwischen ist bekannt, dass die Hessen-FDP den Verkauf der Landesanteile an der Nassauischen Heimstätte in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat.

 

Zwischenbemerkung

 

Die jetzt aufgemachte Diskussion um die Nassauische Heimstätte (s. Frankfurter Rundschau vom 21.November 2007: „Hessen stoppt Ghetto – Pläne“) von Roland Koch und seinem Mitstreiter Alois Rhiel, Wirtschaftsminister und Aufsichtsratsvorsitzender des Wohnungsunternehmens, für die die Anteile an der Nassauischen Heimstätte nicht mehr als mögliche stille Reserven für die Haushaltssanierung sind, ist von daher nichts weiter als plumper Wahlkampf „stink normaler“ Populisten. So bestehen die Probleme die Integration betreffend in den Siedlungen des öffentlichen Wohnungsunternehmens nicht erst seit gestern.

Und was der „ stinknormale Populist“ Roland Koch zur Integration zu sagen hat, lesen wir in einem Bericht zum Landesparteitag der Hessen – CDU  in Stadtallendorf in der Süddeutschen Zeitung vom 5. November 2007 mit der Überschrift „ Koch sieht Hessen von „Linksblock“ bedroht“. Hier heißt es wörtlich: „ Von Zuwanderen forderte Koch die Bereitschaft zur Integration. „Wir haben keine Angst vor dem Wort Leitkultur, weil es niemanden ausschließt“, sagte er. Er wolle keine „Sportvereine, bei denen man schon am Namen sehen kann, aus welchem Land die Eltern kommen“. Unmittelbar nach diesem Satz sprach er von den „ Ypsilantis“ und „Al-Wazirs“.“  Andrea Ypsilanti ist die SPD – Landesvorsitzende und Kandidatin für das Amt des Ministerpräsidenten ihrer Partei. Tarek al –Wazir ist der Grüne Landes – und Fraktionsvorsitzende. Assoziationen zu Kochs Wahlkampf 1999 drängen sich auf. Mit einer Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gewann er damals die Wahl.

  

Vekauf des Behördenzentrums Gutleutstraße

 

Auch verhökert die hessische Landesregierung am Ende dieses Jahres im Rahmen „Operation sichere Zukunft“  das Behördenzentrum Gutleutstraße in Frankfurt für 270,5 Millionen € bei gleichzeitiger Zurückmietung durch das Land für 30 Jahre. Die monatliche Miete wird mit 1,3 Millionen € angegeben. DiePresseabteilung des Finananzministeriums spricht hier von einem „SRB“-Geschäft(Sale- and- Rent- back). Die Gebäude – etwa 88% der zurückgemieteten Fläche wurde erst 1993/94 fertiggestellt -  gehen an die< H.F.S. Immobilienfonds Deutschland 10 GmbH & Co.KG > , eine 100%ige Tochter der <Bayerischen Hypo- und Vereinsbank>. „Durch die Beteiligung erfahrener Partner mit entsprechenden Marktkenntnissen konnten  wir einen sehr guten Abschluss erreichen,“ so Finanzminister Weimar. Die Partner: Rothschild GmbH,  B. Metzler GmbH, Büro Clifford Chance und das Büro Waldeck Rechtsanwälte.

Hier haben also spezialisierte Ministerialbeamte in Kooperation mit externen Beratern ohne Mitwirkung des Parlaments einen Verkaufsdeal mit einem „der führenden Emissionshäuser für renditeorientierte Kapitalanlagen“ natürlich im Interesse des Allgemeinwohls ausgehandelt. Den Getreuen Kochs im Parlament war lediglich das Abnicken des Geschäfts vorbehalten.

 

Von Insidern wird dann auch der Kauf des Behördenzentrums durch die H:F:S. als Schnäppchen eingeschätzt. „Der Kaufpreis entspricht dem 16,8fachen der anfänglichen Jahresmiete und ist damit als günstig einzustufen. Ein aktuell gehandeltes Portfolio (gemeint ist Leo I s.u.) wurde mit über dem 19fachen vom Land Hessen verkauft.“ So ist es im >fondstelegram analysen und mehr> vom 24.11.2005 zu lesen. <Fonds&Co> spricht in der Ausgabe 2/2006  von einem „ Paradestück, was die Einnahmesicherheit angeht.“ Auch sei die  Miete für 30 Jahre an den Verbraucherpreisindex gekoppelt.

 So bietet die H.F.S. in enger Zusammenarbeit mit erfahrenen Wirtschaftsprüfern, Fachanwälten und Bausachverständigen „der gehobenen Privatkundschaft eine exklusive Form der Geldanlage,“ nicht zuletzt auch wegen der Steuervorteile für die Anleger. Was die steuerliche Behandlung angeht ist auf der Internetseite der H.F.S. u.a. zu lesen, dass für Anleger besonders auch Vorteile bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer bestehen. Die Hessische Landesregierung unterstützt also mit ihrem Handeln Vermögende, Steuern zu entziehen. Eine besonders pikante Note erhält dieser Deal von daher, hat doch der Hessische Finanzminister Weimar zu SLB-Deals hessischer Landkreise 2003 immerhin erklärt, er sei der festen Überzeugung, „dass es der Steuermoral abträglich ist, wenn sich die Öffentliche Hand – ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit – von privaten Investoren zu bedenklichen Steuersparmodellen (hier Einsparung bei der Schenkungs-, Erbschafts- und Erbersatzsteuer) gewinnen läßt“(Quelle: Schreiben des Hessischen Finanzministers Weimar an Attac Alsfeld z.Hd. Hans-Georg Bodien vom 28.07.03).

  

Das Jahr 2005

 

Die Neufassung des Hessischen Wassergesetzes

 

Am 28.04.05 haben die Landtagsfraktionen von CDU und FDP  die von der Koch-Administration initiierte Neufassung des Hessischen Wassergesetzes verabschiedet. Das Gesetz legalisiert die echte Privatisierung der Wasserversorgung und damit die Enteignung öffentlichen Eigentums im sensibelsten Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge. Dieses Gesetz ist ein weiterer Beleg für die mangelnde demokratische Sensibilität der Landesregierung, setzen sich doch seit Jahren die Menschen in ihren Kommunen Land auf Land ab gegen formale und echte Privatisierung – besonders auch hinsichtlich der Privatisierung der Wasserversorgung –heftig zur Wehr. Schlimm ist auch, dass die Kommunalen Spitzenverbände (dies sind der Hessische Städtetag, der Hessische Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag) diesem Gesetz im Wesentlichen zugestimmt haben. In diesen kommunalen Spitzenverbänden sitzen sie, unsere Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister. So bedeutet eine Privatisierung der Wasserversorgung eine unverantwortliche Entdemokratisierung, denn die demokratische Entscheidungsgewalt über wasserwirtschaftliche  und –politische Fragen liegt dann nicht mehr bei den Bürgerinnen und Bürgern bzw. bei ihren Parlamenten vor Ort. Ignoriert wurde von Koch und seinen Getreuen auch die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat 1999 die Aufgabe

Erhalt und Schutz des Wassers“ als „ lebenswichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge“ angesehen und als „letztlich nicht privatisierbare Staatsaufgabe“ bezeichnet.

 

Leo I – die größte Büroimmobilien-Portfoliotransaktion in Deutschland

 

„Die öffentliche Hand hat Besseres zu tun, als in Immobilien zu investieren und sie zu betreiben.“ So der Hessische Finanzminister Karlheinz Weimar zur Begründung des Leo I – Deals (zitiert nach >Reits Deutschland<). In einer Pressemitteilung des hessischen Finanzministeriums vom 24.11.2005 (Datum der Zustimmung des Landtags) verlautbart Weimar dann, die Strategie des Landes, Immobilien zu veräußern und zurückzumieten, habe die positive Folge, dass sich das Land auf seine Kernaufgaben  konzentrieren könne. Hinter Leo I verbirgt sich der Verkauf und die Rückanmietung  eines Portfolios von 18 landeseigenen Immobilien für 1,070 Milliarden Euro. Schwerpunktobjekte sind das Innenministerium, das Finanzministerium, verschiedene Polizeipräsidien und Behördenzentren sowie das erst vor einigen Jahren fertig gestellte Frankfurter Polizeipräsidium in der Adickesallee. Käuferin ist die CommerzLeasing und Immobilien Gruppe(CLI-Gruppe). Die jährlichen Nettomietzahlungen durch das Land  belaufen sich auf anfänglich 55,27 Millionen Euro. Die Mietverträge haben eine Laufzeit von bis zu 30 Jahren. Den Deal vorbereitet haben auch hier wieder Ministerialbeamte unter der Mitwirkung externer Berater. So jubelt dann auch Weimar, „dass wir auch Dank unserer professionellen Berater von PricewaterhouseCoopers, CB Richard Ellis und Clifford Chance ein Top-Ergebnis erzielt haben.“  Auch die CLI-Gruppe frohlockt und stellt in ihrem Jahresbericht 2005 heraus: „Aufgrund der Qualität der Immobilien und in Anbetracht der langfristig gesicherten Mieteinnahmen durch den Ia-Mieter betrachtet die CLI das Engagement als sinnvolle Ergänzung ihres bereits bestehenden Portfolios.“ Gleichzeitig wird hervorgehoben, dass der Kauf der Landesimmobilien dem Public-Private-Partnership-Gedanken beispielhaft Rechnung trage. Dass die größte Büroimmobilien-Portfoliotransaktion für den Steuerzahler zum Bumerang wird, ist abzusehen,  beträgt doch der Faktor Jahresmiete zu Kaufpreis  nur19,4. Die Miete muß aber dann noch über zehn Jahre weiter gezahlt werden. Auf jeden Fall ein lohnendes und sicheres Geschäft für die Investoren.

 

JVA-Hünfeld – die erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt

 

Es gibt Leute, die da sagen, Roland Koch neige zum Gebrauch von Superlativen, wenn es darum gehe, etwas zu vernebeln.

Von daher wird es auch niemanden mehr überraschen, wenn er bei der Einweihung der JVA-Hünfeld  am 07.12.2005 von der modernsten, wirtschaftlichsten und sichersten (heißt dies, dass die restlichen 16 JVAs in Hessen weniger sicher sind?)Justizvollzugsanstalt Deutschlands spricht. „Mit dem erstmals umgesetzten Modell einer Teilprivatisierung beschreitet Hessen einen Weg zur Innovation des Strafvollzugs, der Vorbildcharakter weit über die Landesgrenzen hinaus entfaltet.“ Der Private für dieses „Leuchtturmprojekt“ ist die Serco GmbH mit Sitz in Bonn . Sie ist eine Tochtergesellschaft des weltweit vertretenen britischen Dienstleistungkonzerns Serco Group plc.  

 

„Exzellentes Jahr, vielversprechende Zukunft“ ist die Überschrift einer Pressemitteilung vom 28.02.2007 der Serco Group plc . Wörtlich heißt es hier: „ Die Serco Group plc hat ein starkes vorläufiges Ergebnis für das Jahr 2006 vorgelegt. So konnte der Umsatz um 12,7 % auf rund 2,55 Milliarden Britische Pfund gesteigert werden. Der Gewinn vor Steuern liegt bei 107,4 Millionen(Britische Pfund) und wächst damit um mehr als 37 Prozent. ... In Deutschland hat Serco neben dem Verteidigungssektor vor allem den Justizbereich als Wachstumsmarkt für Public-Private-Partnerships (PPP) identifiziert. Im Januar 2007 konnte Serco eine erfolgreiche Jahresbilanz des partnerschaftlichen Betriebs der JVA Hünfeld mit dem Land Hessen ziehen. Die JVA Hünfeld ist die erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt in ganz Deutschland.“ Ein Gewinner des „Leuchtturmprojekts“ Hünfeld steht also schon fest. Die Zahlungen des Landes Hessen an Serco für privatisierte Leistungen belaufen sich für das Jahr 2006 und folgende auf rund 5,8 Millionen EURO. Der tatsächliche Gewinn war über Serco nicht zu erfahren. Nach Angaben des Justizministers Jürgen Banzer entlaste diese Teilprivatisierung den Steuerzahler um 660 000. - €. Jährlich. Das HMDJ beruft sich auf eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Die Grundlage für diese Berechnung war nicht zu erfahren. Es sei eben eine „win-win“- Situation Nach Aussagen von Uwe Röhrig, hessischer Landeschef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands(BSBD) sei dies Augenwischerei. Diese Zielvorgabe sei schon im ersten Jahr nicht erreicht worden(Junge Welt vom 07.12.06).

  

Einen Superlativ kann der Brachialprivatisierer Roland Koch in diesem Zusammenhang allerdings für sich reklamieren. Hessen hat als erstes Bundesland  mit der JVA Hünfeld den Strafvollzug, der bisher in seiner Gesamtheit als hoheitliches Handlungsfeld galt, in Einzelteile zerlegt. Eine im Vorfeld von dem HMdJ in Auftrag gegebene Studie hat zwar ergeben, dass die vollständige Privatisierung – wie von Exponenten der CDU gewünscht – des Strafvollzugs in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sei, die Übernahme bestimmter Teildienstleistungen im Strafvollzug durch privatwirtschaftliche Unternehmen aber zulässig sei. Danach bleiben die Organisationshoheit, die Eingriffsbefugnisse gegenüber den Gefangenen, die Verantwortung für die Sicherheit sowie die Gesamtverantwortung für die Vollzugsanstalt in staatlicher Hand. Profitorientiert von Serco erledigt werden unter anderem  Gebäudebewirtschaftung und Verpflegung, Betrieb der Werkstätten, schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen, regelmäßige Sport- und Freizeitangebote und hochsensible und grundrechtsrelevante Bereiche wie sozialarbeiterische, psychologische und pädagogische Betreuung, die medizinische Versorgung sowie einzelne Aufgaben bei der Sicherung der Anstalt.

 

Zur Mahnung all jener, die die JVA Hünfeld als nachahmenswertes Modell preisen, ein Wort von Verfassungsrichter Broß: „Wenn sich der Staat fortwährend der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dadurch entzieht, dass er substantielle Teile von sich privatisiert und letztlich ungebunden durch private Dritte erfüllen lässt, dann sehe ich das Problem, dass der Staat letztlich selbst ... seine Macht zur Selbstdefinition in Frage stellen könne. Wofür steht er noch, wenn er sich selbst eines großen Teils seiner Substanz begibt?“ (Zitiert nach: Heribert Prantl, Was dem Staat verboten ist  - Süddeutsche Zeitung vom 29.September 2006, S.6)

 

Das Jubiläumsjahr 2006

 

Am 1. Dezember dieses Jahres feiert Hessen seine Landesverfassung, die an diesem Tag vor 60 Jahren in Kraft getreten ist. Gerade in diesem Jahr trifft die Hessische Landesregierung mit ihren Adlaten im Landtag - am Anspruch dieser hochgeschätzten Verfassung gemessen -  höchst fragwürdige Entscheidungen.

 

Privatisierung des Uniklinikums Gießen/Marburg

 

 Ein weiterer Beleg für eine von arroganter Ignoranz geprägte Entscheidung und für den unerschrockenen Umgang der Koch-Administration mit Volkseigentum und für die lockere Handhabung von Verfassungsvorgaben ist die Privatisierung des Uniklinikums Gießen/Marburg alle potenziellen Nachteile für die Belegschaft und Patienten in Kauf nehmend (Kritisches dazu auch auf der Internetseite von Attac Marburg). So beschließt am 31.Januar der hessische Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP den Verkauf des Uniklinikums Gießen/Marburg(bereits seit Juli 2005 fusioniert). Käuferin mit 95% der Anteile(5% bleiben beim Land) ist die Rhön-Klinikum AG – Deutschlands größter börsennotierter Klinikbetreiber. Für 112 Millionen € verramscht hier die Koch-Regierung öffentliches Eigentum, das nach Insiderangaben einen Marktwert von 700 Millionen bis 1 Milliarde € haben soll.

 

100 Millionen € des erlösten Kaufpreises fließen zurück als Anfangskapital für eine Stiftung zur Förderung der hochschulmedizinischen Forschung und Lehre an den Universitäten Gießen und Marburg. Mehr als pikant ist in diesem Zusammenhang, dass Prof.Dr. Joachim-Felix Leonard, der als Staatssekretär im hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und Vorsitzender des Aufsichtsrats des Uniklinikums Gießen und Marburg maßgeblich an der Klinikprivatisierung beteiligt war, seit 1.Februar 2007 hauptamtlicher Vorstandsvorsitzender der Behring-Röntgen-Stiftung mit einem 3-Jahres-Vertrag ist. Als Staatssekretär wurde Leonard dafür in den Ruhestand versetzt. Sein Gehalt als Vorstandsvorsitzender wird zu 75% vom Land – entsprechend der Ruhestandsbezüge – und zu 25% von der Stiftung übernommen. Dies sei, so Wissenschaftsminister Udo Corts, eine für das Land kostengünstige Lösung(Quelle: Faz.Net 25.Januar 2007). Wo das Kostengünstige verborgen ist, bleibt wohl  nach der Neubesetzung der Staatssekretärsstelle das Geheimnis von Corts.

 

Gesteigert wird das Pikante, wenn der Blick auf das für diesen Deal herangezogene Beratergremium gerichtet wird. So finden wir hier Prof. W. von Eiff als Mitglied. Er zeichnet verantwortlich für das Centrum für Krankenhausmanagement(CKM), das als Institut der Universität Münster angegliedert ist und 1994 von der Bertelsmann Stiftung gegründet wurde. Über das Ziel der Arbeit steht auf der Webseite von CKM zu lesen : Wege aufzeigen, wie praxisbewährte Managementmethoden aus Industrie, Handel und Dienstleistungenbranche in Krankenhäusern und anderen Institutionen des Gesundheitswesens genutzt werden können. Wir stellen uns der Aufgabe, vermeintlich Unvereinbares in Einklang zu bringen: Qualitätssteigerung bei tendenziell sinkenden Kosten. (Einen umfassenden Überblick über die Rolle der Bertelsmann Stiftung bei der Ökonomisierung des Gesundheitswesens und der Privatisierung von Krankenhäusern gibt Hermann Werle in: Jens Wernicke, Thorsten Bultmann (Hg.), Netzwerk der Macht – Bertelsmann Der medial-politische Komplex aus Gütersloh, Marburg April 2007, S.225 ff.).

 

Die Privatisierung des Uniklinikums Gießen/Marburg ist die erste Privatisierung einer deutschen Uniklinik und bedeutet einen gigantischen Einzug der Profitwirtschaft in das hessische Gesundheitswesen im Stile der Vorgaben des CKM. So nimmt es nicht wunder, wenn auf der Webseite der Rhön-Klinikum AG (Bilanzpressekonferenz -  Rhön-Klinikum AG -  19.April 2007) zu lesen ist:

 

 „2006 war ein erfolgreiches Geschäftsjahr für den Rhön-Klinikum Konzern. Wir haben bei Patientenkontakten, Umsatz und Konzerngewinn Höchstwerte erzielt.“ Offen wird hier darauf hingewiesen, dass sich die Körperschaftssteuerreform positiv auf die Bilanz ausgewirkt habe. Weiter heißt es wörtlich: „ Unsere Umsatzerlöse sind um rund 37% von 1,4 Mrd. Euro auf über 1,9 Mrd. Euro gestiegen. Der Umsatzsprung von über 500 Millionen Euro steht wie die anderen Ergebnisse auch in engem Zusammenhang mit der größten Übernahme der Unternehmensgeschichte – der des Uniklinikums Gießen/Marburg zum 1.Februar 2006... Der Konzerngewinn für das vergangene Jahr beläuft sich auf 109,1 Millionen Euro.“ So wird der Privatisierungs - Deal mit der hessischen Landesregierung dann auch entzückt als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnet. Weiter lautet es im Text: „ Uns ist es im ersten Geschäftsjahr seit der Übernahme gelungen,  den Jahresfehlbetrag von 15 Millionen Euro auf etwas mehr als 7,5 Millionen Euro fast zu halbieren. In diesem Jahr werden wir das Universitätsklinikum Gießen/Marburg aus der Verlustzone herausführen. Wir haben im ersten Quartal den Break even noch nicht ganz geschafft, sind aber auf gutem Weg.“

Und wie sieht die Vorgehensweise aus? Man habe die Auslastung erhöht, damit die Leerkosten abgebaut und die Produktivität gesteigert. Ferner sei die personelle Umstrukturierung erfolgreich eingeleitet und die Personalanpassung sozialverträglich weitergeführt worden. Und dies ist eine verdammt charmante Umschreibung für Personalabbau und Einstellungsstop. Weiter ist auf der Webseite zu lesen: „ In diesem und im kommenden Jahr  wollen wir mit den Neubauten an den beiden Standorten beginnen, um weitere Rationalisierungspotenziale zu heben. Allein in Gießen sind derzeit noch über 100 Einzelgebäude auf dem Klinikgelände verteilt, die wir durch ein kompaktes Gebäude ersetzen werden. Auf diesem Weg führen wir das Flussprinzip – also die Anwendung industrieller Produktionstechniken und die vierstufige Patientenversorgung – erstmals in einem Universitätsklinikum ein.“ Dies macht fassungslos – die Behandlung des Patienten unter dem Gesichtspunkt des maximalen Gewinns 

 

So kommt denn auch Wolfgang Pföhler - Vorstandsvorsitzender der Rhön-Klinikum AG -  zu dem Schluss: „Die Entscheidung von Hessen zur Privatisierung des ersten und bislang einzigen Universitätsklinikums in Deutschland war mutig und richtig. Unser Privatisierungskonzept funktioniert und läßt sich auf andere Universitätskliniken ausrollen.“ So ist es dann auch nicht erstaunlich, dass es für ihn bei der Sanierung und Modernisierung der öffentlich –rechtlichen Krankenhäuser keine echte Alternative zum „Unternehmen“ Krankenhaus gebe. „Nur im Wettbewerb um die besten Managementkonzepte werden tragfähige und wirtschaftliche Fundamente für die Krankenhäuser geschaffen. Hier ist die Privatisierung der Königsweg.“  Interessant sind seine Äußerungen in diesem Zusammenhang zu der P(Ö)PP-Variante als Möglichkeit der Sanierung und Modernisierung der Krankenhäuser. Hier greife die Politik zu kurz. Weiter heißt es wörtlich: „Wenn Investitionen in Krankenhausneu- oder –umbauten und in medizinische Großgeräte von privaten Kapitalgebern vorfinanziert werden, dann löst die öffentliche Hand kurzfristig und nur kurzfristig ihre Liquidationsprobleme, schafft aber keine nachhaltig durchgreifende Reform.“ Über – unter Umständen überhöhte – Mieten und Pachten würden die Zahlungsverpflichtungen für Neubauten und Großgeräte mit Zins und Zinseszins lediglich in die Zukunft verschoben und könnten dann zur Schuldenfalle für die öffentliche Hand werden.

 

Wenn man nicht wüßte, dass Herr Pföhler mit  diesen Ausführungen seine Position der Radikalprivatisierung öffentlicher Krankenhäuser – passend zu der langfristigen und profitablen Wachstumsstrategie des Rhön-Klinikum Konzerns – untermauern wollte, könnte man hinter diesen Worten einen scharfen  Kritiker jeglicher Privatiserung eigentlich öffentlicher Daseinsvorsorge vermuten.

 

Und wie man den Gewinn noch steigern kann, gibt Herr Pföhler auch noch preis: „Im Servicebereich haben wir zusammen mit Partnern Organtöchter gegründet, um die Umsatzsteuer gänzlich einzusparen.“

 

 Die Privatisierung des Uniklinikums Gießen/Marburg wurde beschleunigt durchgezogen, obwohl eine Unterschriftensammlung auf Zulassung eines sehr gut begründeten Volksbegehrens „Gegen die Uniklinikprivatisierung in Hessen“ angelaufen war. Alleine der Respekt vor dem Souverän hätte es geboten, dass die hessische Landesregierung ihr Privatisierungsvorhaben des Uniklinikums Gießen/Marburg zumindest zeitlich verschoben hätte. Das Handeln der Koch-Administration und ihrer Adlaten im Landtag lässt letztlich den Schluss zu, dass der Souverän für diese Politiker nur von Interesse ist, wenn es bei Wahlen um die Legitimation ihrer Macht geht. Bedauerlich in diesem Zusammenhang ist, dass die Unterschriftensammlung nur von Teilen der SPD und Bündnis90/Die Grünen unterstützt wurde. Auf Anfrage über die Gründe erklärt Kordula Schulz-Asche – Landesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen: „ Die Unterschriftenaktion hatte im Wortlaut allerdings nicht nur die Privatisierung der Unikliniken sondern Privatisierungen abgelehnt. Da dies nicht unserer Position entspricht, weil es durchaus Privatisierungen gibt, die Sinn machen, konnten wir diese Aktion leider nicht voll und ganz unterstützen.“(Quelle: Mail an Attac Alsfeld vom 8.Dezember 2006). Eine Reaktion der SPD-Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti hierzu gibt es nicht, bekannt allerdings ist, dass die SPD eine ÖPP-Variante favorisierte.  

 

Dass diese Landesregierung direkt demokratischen Handlungsmöglichkeiten distanziert begegnet, hat sie mit der Ablehnung der von Bündnis 90/Die Grünen geforderten Reduzierung des Quorums für die Einleitung eines Volksbegehrens ( 1% statt 3% der Wahlberechtigten) und der Vereinfachung des Antragsmodus einer Volksklage erschreckend belegt. Erwähnenswert ist hier auch die Ablehnung der Einführung eines Bürgerbegehrens/Bürgerentscheids auf Kreisebene durch die CDU-Fraktion – 2003 gefordert von Attac Alsfeld/Vogelsberg .

 

Der Versuch von Attac Alsfeld/Vogelsberg, über den hessischen Landtag klären zu lassen, ob die Privatisierung des Uniklinikums überhaupt verfassungskonform sei, ist auf keine Resonanz gestoßen. Begründet hat die Alsfelder Attac-Gruppe ihr Ansinnen mit Art. 60 der Hessischen Landesverfassung. Hier heißt es nämlich: „Die Universitäten und staatlichen Hochschulen genießen den Schutz des Staates und stehen unter seiner Aufsicht. Sie haben das Recht auf Selbstverwaltung, an der die Studenten zu beteiligen sind.“ Privatisierte Unikliniken machten diesen Verfassungsanspruch zur Makulatur. Ferner wird auf Art.35(3) verwiesen, lautet dieser doch, dass die Ordnung des Gesundheitswesen Sache des Staates sei. Auch will die Attacgruppe in diesem Zusammenhang geklärt haben, ob Regierende Treuhänder des Gemeineigentums seien, es also verwalten und vermehren sollten, oder ob mit der Übernahme der Regierungsverantwortung Eigentum des Volkes zur Manipulationsmasse der jeweilig Regierenden werde und je nach Belieben verhökert werden dürfe.

 

Das Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen

 

Ungeachtet des Protestes aus der Studentenschaft, ungeachtet der Kritik aus der Bevölkerung, ungeachtet der Einwände von Experten, dass Studiengebühren die soziale Auslese des deutschen Bildungssystems noch weiter erhöhen, ungeachtet der OECD- Bildungsstudie, nach der die Zahl der Hochschulabsolventen in Deutschland weit unter dem OECD-Durchschnitt liegt, ungeachtet des UN-Sozialpaktes, der die Unterzeichnerstaaten dazu verpflichtet, ein Hochschulstudium auf jede geeignete Weise, „insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit“ möglich zu machen und ungeachtet des Artikels 59 der Verfassung des Landes Hessen, der die Unentgeltlichkeit des Schul- und Hochschulbesuchs unmissverständlich vorgibt, hat die Hessische Landesregierung am 5.Oktober dieses Jahres mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag das „Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (in Kraft getreten am 16.10.2006) durchgesetzt. Danach haben die Studierenden ab dem WS 2007/08 neben den Verwaltungsgebühren von ca.250 € mindestens 500€ Studiengebühren pro Semester zu zahlen. Damit belaufen sich die Kosten für Verwaltungs- und Studiengebühren auf rund  1500€ pro Jahr, und die Privatisierung der Bildung nimmt ihren Lauf.

 

Die eigentlich klaren Konturen des Verfassungstextes sind vorher in einem Rechtsgutachten für das Hessische Wissenschaftsministerium von dem Berliner Staats- und Verwaltungsrechtler Christian Graf von Pestalozza vernebelt worden. So hat er in seinem Gutachten der Landesregierung einen Weg aufgezeigt, wie auch in Hessen trotz des eindeutigen Verfassungsgebots eine Studiengebühr erhoben werden könne. Er kommt zu dem Ergebnis, die Einführung einer allgemeinen Studiengebühr sei rechtlich möglich, wenn Studierende sie über ein öffentliches Darlehen gegenfinanzieren können und erst bei einem ausreichenden Einkommen dieser Kredit dann zurückzuzahlen wäre. Damit wird die klare Bedeutung klarer Worte des Artikels 59 der Landesverfassung inhaltlich verhunzt.(s.a. Dr.Ulrich Brosa, Pestalozzas Anleitung zum Verfassungsbruch Es geht um mehr als Studiengebühren, Homepage Humanistische Union Hessen, 22.07.2006)

 

Mit dem Studienbeitragsgesetz  hebelt  die Hessische Landesregierung ein soziales Grundrecht aus und begeht nach Ansicht vieler hessischer BürgerInnen damit einen Verfassungsbruch, wie letztlich die beiden bei dem Hessischen Staatsgerichthof eingereichten  Normenkontrollanträge belegen. So haben die Landtagsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 14.Februar 2007 eine Verfassungsklage beim Staatsgerichtshof eingereicht. Ferner haben über 80 000 Wählerinnen und Wähler ein Normenkontrollverfahren nach Art.131 der Hessischen Verfassung beantragt. Auf die Entscheidung des Staatsgerichtshofes darf man gespannt sein.

 

Festgehalten werden müssen an dieser Stelle die drakonischen Urteile eines Richters vom 28.August 2007 gegen drei Studierende der Marburger Universität, die im Mai 2006 bei einer Demonstration mit rund 1000 Teilnehmern für die Einhaltung des Art.59 der Verfassung des Landes Hessen als soziales Grundrecht die Marburger Stadtautobahn blockiert haben. Besonders unverhältnismäßig sind hier die Haftstrafen auf Bewährung wegen Nötigung und Freiheitsberaubung von vier,fünf und sechs Monaten gegen Lena Behrendes, Max Fuhrmann und Philipp Ramezani. Bei Rechtskräftigkeit dieses Urteils gelten sie als vorbestraft. Hinzu kommen 200 Stunden Arbeit bei der Straßenmeisterei.

 

Die hessischen Grünen nennen das Urteil überzogen, die Humanistische Union spricht von  „politisch motivierter Abstrafung berechtigter Proteste“. Der freie Zusammenschluss von StudentenInnen (fzs) sieht in dem Urteil „reine Willkür“. Die GEW-Landesvorsitzende Carmen Ludwig macht dem Richter den Vorwurf, jedes Augenmaß verloren zu haben.(Quelle hr-online). Selbst Unipräsident Volker Nienhaus kommt zu dem Schluss: „Dass ausgerechnet die drei herausgegriffen werden, die versucht haben, Konfrontationen zu vermeiden, ist schon etwas irritierend.“(Quelle: SpiegelOnline 28.August 2007).

  Man darf auf das Ergebnis der von den Betroffenen angekündigten Berufung gespannt sein.

 

Leo II – Fortsetzung des Ausverkaufs von Volksvermögen

 

Hinter Leo II verbirgt sich das Verhökern von weiteren 36 landeseigenen Immobilien an die CA Immobilien Anlagen Aktiengesellschaft mit Sitz in Wien für 768 Millionen Euro mit Rückanmietung für anfänglich 41,8 Millionen Euro jährlich. Die Verträge haben eine Laufzeit von 15 bis 30 Jahren. Der Hessische Landtag hat mit den Stimmen von CDU und FDP am 14.Dezember 2006 dem Deal zugestimmt, der - wie andere auch - von der Koch-Administration unter Hinzuziehung externer Berater vorbereitet wurde. Und wieder habe man ein Top-Ergebnis erzielt, erfahren wir in einer Pressemitteilung von Karlheinz Weimar –Hessischer Finanzminister – vom 21.11.2006. Das „hervorragende“ Transaktionsergebnis habe die Landesregierung nur erreichen können, da sie durch Sal. Oppenheim jr & Cie.KGaA und die Kanzlei  Clifford Chance „unterstützt“ worden sei. Die Kosten für diese Unterstützung belaufen sich immerhin auf 6,5 Millionen Euro.

 

Zu den veräußerten Immobilien gehören u.a. in:

 

Bad Hersfeld (Behördenhaus, Polizeidirektion),

Fulda (Behördenzentrum),

Friedberg (Amtsgericht),

Gießen (Polizeipräsidium,Gerichte/Staatsanwaltschaft, Behördenhaus und Behördenzentrum),

Kassel (Hessische Bezügestelle, Gerichte, Behördenzentrum),

Korbach (Finanzamt),

Marburg (Behördenzentren, Gerichte),

Wiesbaden (Kultusministerium, Wirtschaftsministerium etc).

 

Die gesamte Liste des verscherbelten Volkseigentums s. Pressemitteilung vom 22.11.06 Hessisches Finanzministerium.

 

Was wir hier noch über das „Top-Ergebnis“ erfahren nun wörtlich:

 

„ Dr.Bruno Ettenauer, Sprecher des Vorstandes der CA Immo, betonte im Zuge der Transaktion, dass der Portfolioankauf vom Land Hessen genau in die strategische Leitlinie passe, da man sich im Rahmen der Investitionstrategie stark auf Deutschland konzentriere. Dieser Zukauf stelle eine weitere Investition in das hochwertige CA Immo Portfolio dar, das für Aktionäre eine stabile und langfristig ausgelegte Performance sichere.“ Wie beruhigend für die hessischen SteuerzahlerInnen, die künftig den Wertzuwachs des Vermögens der  Aktionäre von CA Immo garantieren und immer noch dafür zahlen, wenn Koch & CO bereits im Ruhestand verweilen.

 

Das Jahr 2007

 

Immobilien-Portfolio Leo III

 

Hinter Leo III verbirgt sich das geplante weitere Verhökern von 34 Objekten des Volksvermögens wie Behördenzentren, Finanzämtern, Gerichtsgebäuden etc.

 Am 31.Mai dieses Jahres ist einer Pressemitteilung des Hessischen Finanzministeriums zu entnehmen, das Immobilien – Portfolio Leo III gehe in die „heiße Verkaufsphase“. Im Beraterkonsortium finden wir die HSH Real Estate AG und die Atisreal Consult GmbH. Am 25.Oktober teilt der Kernaufgabenkonzentrator Karlheinz Weimar der Öffentlichkeit aber  mit, er habe Leo III infolge der aktuellen Krise auf den internationalen Finanzmärkten gestoppt. Spielt hier vielleicht auch die anstehende Landtagswahl eine Rolle?

 

PPP in Hessen

 

(Nicht nur beim Verfasser bestehen erhebliche Zweifel, wenn Beratungsunternehmen, die selbst im PPP-Markt tätig sind, „neutrale“ Berechnungen anstellen.)

 

Die für dieses Jahr geplanten PPP-„Pilotprojekte“ des Landes laufen auf Hochtouren.

 

 „ Das Land Hessen wird sich bei seinem staatlichen Handeln verstärkt auf seine Kernaufgaben konzentrieren und geht daher bei der staatlichen Hochbaupolitik konsequent neue Wege. Hessen hat sich entschlossen, künftig weniger selbst zu bauen und stattdessen seinen Unterbringungsbedarf durch Anmietung zu decken.“ Das erfährt der Leser auf der Internetseite der Hessischen Landesregierung von Finanzminister Karlheinz Weimar, was aber die Kernaufgaben sind, verschweigt der Herr Minister. So muss der Leser dann auch bei weiterer Lektüre den Eindruck gewinnen, mit der PPP-Variante öffentlicher Aufgabenerfüllung habe die Hessische Landesregierung eine neue Kernaufgabe entdeckt. Anders ist die folgende euphorische Beschreibung von Public Private Partnership nicht zu verstehen. So seien Planen, Bauen, Finanzieren und Betreiben von öffentlichen Gebäuden in die Hände privater Unternehmen zu legen. Die unternehmerische Verantwortung liege über die gesamte Vertragsdauer von 25 bis 30 Jahren ganzheitlich in privater Hand. Danach bestehe die Möglichkeit, dass die Gebäude lastenfrei und in gebrauchsfertigem Zustand in das Eigentum der öffentlichen Hand übergehe oder bei dem Investor zur weiteren Verwendung verbleibe.

 

Zur Unterstreichung ihrer neuen Kernaufgabe hat die Landesregierung dann auch schon im März 2005 ein sogenanntes PPP-Kompetenzzentrum eingerichtet und gehört damit einem länderübergreifenden Netzwerk PPP an. Gleichzeitig steht es in Kontakt mit der PPP-Task Force des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Ein Beirat aus interessierten Verbänden und Berufsorganisationen komplettiert die steuerfinanzierten PPP-Kompetenzler.(Zur Problematik von P(Ö)PP siehe auch: Wilhelm Rühl, Arno Klönne und meinen hier als Dokument veröffentlichten Aufsatz „Das ÖPP-Beschleunigungsgesetz“ in : Jens Wernicke, Torsten Bultmann (Hg.)  Netzwerk der Macht – Bertelsmann, Marburg April 2007, S.371ff.)  

 

Trotz inzwischen zahlreicher warnender Stimmen zur PPP-Variante öffentlicher Aufgabenerfüllung – besonders zu erwähnen ist hier das Urteil des Obersten Bayerischen Rechnungshofes, das zu dem Ergebnis kommt, private Finanzierung sei teurer(Frankfurter Rundschau, 6.12.06) - hat die Koch-Admistration weitere PPP-Projekte auf den Weg gebracht.( Zur PPP-Kritik siehe auch   NachDenkSeiten.de )

 

ab) PPP-Projekt Finanzzentrum Kassel

 

Am 24.Juli dieses Jahres erfahren wir aus einer Pressemitteilung von der Grundsteinlegung für das Finanzzentrum Kassel-Altmarkt. Von Finanzstaatssekretär Dr. Walter Arnold ist über Hessens erstes PPP-Projekt zu vernehmen: „ Hessen hat sich zum Ziel gesetzt, den Staat auf seine Kernaufgaben zu beschränken und bisher staatliche Aufgaben durch Private erledigen zu lassen. Am Altmarkt spart uns die Erschließung der Synergien von Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb durch den privaten Partner rund 12% der Kosten gegenüber dem Eigenbau.“ Der private Partner ist die LHI Leasing GmbH. Die Landesbank Baden-Würtemberg hält 51% und die Norddeutsche Landesbank Girozentrale 49% der Anteile an dieser Gesellschaft. Die Südleasing GmbH. – eine 100%ige Tochter der LBBW-  ist in die LHI Leasing GmbH. eingebracht worden, „die damit künftig gestärkt in einem zukunftsträchtigen Markt agieren wird.“ Das Land Hessen least das Finanzzentrum für 30 Jahre. Über die monatliche Leasingrate oder Miete für die SteuerzahlerInnen erfährt der Leser genau so wenig wie über die für diesen Deal beauftragten Berater.

 

 

bb) Justiz – und Verwaltungszentrum Wiesbaden

 

Wiederum aus einer Pressemitteilung (15.08.2007)des Finanzministeriums erfährt die Öffentlichkeit vom Spatenstich für „ Zentralen Justiz – und Verwaltungsstandort Wiesbaden“. Als eines der bundesweit größten Projekte eines sogenannten PPP-Modells  feiern der Justizminister Jürgen Banzer, der Finanzminister Karlheinz Weimar und Wiesbadens Oberbürgermeister Dr. Helmut Müller dieses Hochbauprojekt, das von dem Architektenbüro KSP Engel und Zimmermann entworfen wurde. Nichts erfährt der Leser über den Gesamtauftragswert dieses Deals, über die Leasingrate oder Miete für die Stadt und das Land und über die Berater. Inzwischen Methode? Weitere Recherchen waren notwendig. So ist auf der Internetseite von dgMarket  der Gesamtauftragswert mit 128,7 Millionen Euro angegeben.. Wie über die Wiesbadener Stadtverwaltung zu erfahren war, zahlt die Stadt (19 778qm qm) und das Land(35 000qm) 12,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter für die gesamte Vertragslaufzeit , wobei 6% einer1,5%igen linearen Mietanpassungsklausel unterliegen (vorausgesetzt, ich habe die telefonische Auskunft richtig verstanden). Hinzu kommen Kosten – in welcher Höhe war nicht herauszufinden – für die vom privaten Partner angemieteten Parkplätze in einem Parkhaus. Der Vertrag der Stadt und der Vertrag des Landes haben eine Laufzeit von 30 Jahren. Eine Kaufoption ist festgehalten. Ein Lenkungsrat auf Dezernentenebene und ein PPP-Stab auf  Ministerialebene haben unter Mitwirkung der international agierenden Anwaltskanzlei Clifford Chance den Vertrag mit dem privaten Partner HeWiPPP GmbH & Co.KG erstellt. Zur Projektgesellschaft HeWiPPP GmbH & Co.KG  gehören die OFB Projektentwicklung GmbH – eine Tochter der HeLaBa (die HeLaBa gehört zu 10% dem Land Hessen, zu 5% dem Land Thüringen und zu 85% den Sparkassen Hessens und Thüringens), die Hannover Leasing GmbH & Co.KG – an dieser Gesellschaft mit Sitz in Bayern hält die HeLaBa 50% der Anteile - und die HSG Technischer Service GmbH, ein Unternehmen der Bilfinger Berger AG. Bilfinger Berger realisiert das Projekt im Auftrag dieser Projektgesellschaft. So ist die Niederlassung Hochbau Frankfurt für die Planung und schlüsselfertige Erstellung des Gebäudes als Generalunternehmer verantwortlich. Bilfinger Berger übernimmt für den Bauherrn umfassende Leistungen im Lebenszyklus der neuen Immobilie, u.a. auch den Betrieb über 30 Jahre durch die Konzerngesellschaft HSG Technischer Service GmbH(Quelle: Internetseite Bilfinger Berger).

 

Bemerkenswert ist hier noch, dass das Grundstück für dieses richtungsweisende Projekt von dem Auftragnehmer von der Stadt Wiesbaden erworben wurde. Hintergrund dafür sind wahrscheinlich die steuerlichen Ausnahmetatbestände, die für die an PPP-Deals beteiligten Privaten gelten und zur weiteren Renditesteigerung beitragen.

 

„ So achten wir darauf, dass wir bedarfsgerechte Gebäude erhalten, aber auch Räumlichkeiten, die Stadt und Land in angemessener Form und Gestalt repräsentieren,“ so Karlheinz Weimar.

 

Wäre Adam Riese auch zu dem Ergebnis gekommen, dass diese ÖPP-Variante gegenüber einer Eigenerstellung durch das Land/die Stadt für die jetzigen und zukünftigen SteuerzahlerInnen akzeptabel sei? Pikant, dass Wiesbaden und das Land ihre Bevölkerung als Miteigner der Helaba hier zu Mietern machen.

    

 Zwischenbemerkung:

 

In der Ausgabe des IHK-Magazins der Landeshauptstadt Wiesbaden von Juli/August 2007 findet sich ein Kurzbericht über die 6. PPP-Jahrestagung. Der Veranstalter war Detlef  Knop von der Bilfinger Berger AG zusammen mit der Convent GmbH. Erwähnt wird hier ein Bericht des Wiesbadener Oberbürgermeisters Dr. Helmut Müller über das bundesweit erste gemeinsame PPP-Projekt von Stadt und Land. Anwesend waren weiter Herbert Bodner, Vorstandsvorsitzender der Bilfinger Berger AG, Dr. Martin Rohr, Vorstandsmitglied Hochtief, Roland Schäfer, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Rudolf Scharping, als ehemaliger Verteidigungsminister vorgestellt.  In diesem Zusammenhang ist aber wichtig zu wissen, welche Rolle Rudolf Scharping im PPP-Geschäft spielt. So ist er leidenschaftlicher Verfechter der PPP-Variante öffentlicher Aufgabenerfüllung und mit seiner Gesellschaft RSBK Strategie Beratung Kommunikation GmbH entsprechend tätig. Dies könnte einem eigentlich egal sein, vor dem Hintergrund der Initiative „ Frauen für Roland Koch“ erhält dieser Sachverhalt allerdings so ein Geschmäckle, ist doch Gräfin Pilati nun Aushängeschild der von Koch so gelobten Initiative. Gräfin Pilati ist Rudolf Scharpings Ehefrau. Sie war die Anwältin von Brigitte Baumeister und erhielt auf diesem Weg sicherlich einen tiefen Einblick in die Schwarze-Koffer-Wirtschaft der CDU. Unbekannt ist ihr von daher auch nicht die aufgeflogene Lüge Kochs im Zusammenhang mit der Schwarzgeldaffäre der Hessen-CDU. In verschiedenen Veröffentlichungen erfährt man nun – und das macht die Gräfin nicht unbedingt glaubwürdig - , dass sie in Roland Koch einen Mann sehe, „der solide und wahnsinnig verantwortungsbewußt seine Aufgaben angeht.“ Weiter lässt Gräfin Pilati wissen,  dass sie mit ihrem Mann Rudolf Scharping „ in wirtschaftlichen Dingen oft einer Meinung...“ sei. Wenn man nun weiß, dass  besonders Roland Koch mit seiner Mannschaft in der PPP-Variante öffentlicher Aufgabenerfüllung eine neue Kernaufgabe sieht, könnte man vermuten, dass Gräfin Pilati mit ihrem jetzigen Auftritt auch Akquisiteurin für die Gesellschaft ihres Mannes ist. Verstärkt werden könnte diese Vermutung durch ein auf der Focus-Homepage am 11.11.07 veröffentlichtes Bild.

         

bc) Neubau des Amtes für Bodenmanagement Limburg

 

Als einen „Meilenstein für Limburg und die Region“ feiert Weimar die Unterzeichnung des PPP-Vertrages zum Neubau des Amtes für Bodenmanagement Limburg(Pressemitteilung vom 22.10.2007). Danach erwirbt der private Partner das Grundstück von der Stadt Limburg und bietet Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb aus einer Hand. Das Bauvolumen beträgt 12 Millionen Euro. Auftragnehmer ist die GOLDBECK Gebäudemanagement GmbH in Bielefeld mit ihrem Bauunternehmen Gold-Beck West GmbH aus Wettenberg und dem Architektenbüro Dohle + Lohse Architekten GmbH. Von 12% Effiziensgewinn ist hier die Rede, die das Land als Mieter nutzen könne. Erneut erfährt der Leser nichts über die Mietkosten und die Berater des Landes.

 

Und der Hessische Finanzminister bejubelt dieses Projekt als Forcieren der Verlagerung von Kompetenzen auf Private.

 

bd) Neubau des Amtes für Bodenmanagement Korbach

 

„Architektonisches Highlight in Nordhessen“. So jauchzt Karlheinz Weimar anlässlich der Unterzeichnung des PPP-Vertrages zum Neubau des Amtes für Bodenmanagement in Korbach(Pressemitteilung vom 29.10.2007). Weiter erfährt der Leser, dass das Hessische Immobilienmanagement als operativer Projektleiter den Vertrag zwischen dem Land und der OFRA Holding GmbH & Co. KG, Beverungen, unterzeichnet habe. Als Architekt fungiere Prof. Henning Rambow von tagebau architekten  + designer aus Leipzig. Das Bauvolumen betrage 6,3 Millionen Euro und der private Partner erwerbe das Grundstück vom Land Hessen. Wiederum werden keine Angaben zur Miete und der Vertragslaufzeit gemacht, auch nicht darüber, ob der Vertrag  eine Kaufoption enthält.

 Stattdessen preist der Minister dieses Geschäft als einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg der Beschaffungsvariante PPP. Gebetsmühlenhaft wird erneut betont, dass der private Partner Planung, Fianzierung, Bau und Betrieb aus einer Hand biete. Durch diese Bündelung und die teilweise Verlagerung von Risiken auf den privaten Partner würden Effiziensgewinne erzielt, deren Kostenvorteile von rund 13% das Land als Mieter nutzen könne. Na bitte, genauer geht es nicht.

 

be) Neubau des City – Reviers Wiesbaden

 

Einer Pressemitteilung des Finanzministeriums vom 16. November 07 ist zu entnehmen, dass Minister Weimar und der Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt – Prof. Thomas Dilger- jetzt  gemeinsam den Grundstein für den Neubau des 1. Polizeireviers sowie 48 seniorengerechte Wohnungen und Gewerbeflächen am Platz der deutschen Einheit in Wiesbaden gelegt haben. Zur Realisierung des PPP- Projekts hat Wiesbaden eine Teilfläche des Grundstücks an den Investor veräußert. Weiter erfahren wir, dass das Immobilienprojekt mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 16 Millionen Euro über die unternehmenseigene Marke für Projektentwicklung NH ProjektStadt verwirklicht wird. Das Land mietet 2200m² der insgesamt 5500m² Nutzfläche für 30 Jahre an. Partner des von der  NH ProjektStadt geführten Konsortiums sind das Architektenbüro Kissler + Effgen, Bilfinger Berger für den Bau sowie die HSG Technischer Service für das Facility Management.

 

Außer den üblichen Lobgesängen auf PPP wird auch diesesProjekt als wichtiger Baustein zur Stadtentwicklung gehandelt. Weiter heißt es im Text: „ Beim City-Revier spart uns die Erschließung der Synergien von Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb durch den privaten Partner 14% der Kosten gegenüber dem Eigenbau.“  Belege dazu gibt Karlheinz Weimar nicht, auch keine  Angaben zu den Mietkosten.

 

Diese PPP-Variante der öffentlichen Aufgabenerfüllung ist nur für ausgebuffte Insider. Erinnern wir uns : Ende des Jahres 2004 mit Wirkung zum 1.Januar 2005 hat das Land Hessen seine Anteile an der Wohnstadt Kassel an die Nassauische Heimstätte - 54% der Anteile hält hier das Land - verkauft, trat also gleichzeitig als Verkäufer und Käufer auf (s.o.).

 

Nun ist das Land als öffentlicher Partner dieses PPP - Deals gleichzeitig auch noch sein eigener Mieter.

 

Fazit/Ausblick

 

Roland Koch, Ministerpräsident, Landtagsabgeordneter und Landesvorsitzender der CDU, beherrscht wie kein anderer hessischer Politiker alle Facetten der politischen Schauspielkunst. So gibt er sich sanftmütig als Gast oder Gastgeber des Dalai Lama, er gibt sich fromm als praktizierender Katholik, er gibt sich leutselig als Nudel – Koch auf den Marktplätzen Hessens, er gibt sich feudal jovial bei Hessentagen, und er ist verbindlich als Tankstellen- und Andenconnecteur. Hinter all dem verbirgt sich der „gnadenlose Machtpoliker“.

 

So ist er mit seiner Regierungsriege und seiner Fraktion verantwortlich für einen massiven Sozialabbau, für einen drastischen Stellenabbau des Landes –besonders in der Forstwirtschaft, für den Ausstieg des Landes aus der Tarifgemeinschaft der Länder, was einen respektlosen Umgang mit der grundgesetzlich garantierten Tarifautonomie bedeutet, weiter sind die CDU-Regierenden verantwortlich für eine Verlängerung der Arbeitszeit der Hessischen Beamtenschaft bei gleichzeitgen Einkommenseinbußen, sie sind verantwortlich für die Einführung von Studiengebühren, sie zeichnen verantwortlich für die Teilprivatisierung des Strafvollzugs, sie sind verantwortlich für das Verscherbeln des Uniklinikums Gießen/Marburg, ebenso tragen sie die Verantwortung für das Versilbern von Volksvermögen in Milliardenhöhe bei gleichzeitiger Rückmietung für Jahrzehnte und für PPP – Deals mit sehr langen Laufzeiten, mit denen sie die SteuerzahlerInnen für Dekaden zu Renditegaranten für die Investoren degradieren, die Parlamentarier zu Statisten machen und damit die Demokratie destabilisieren, zur Vernichtung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst beitragen und tarif- und arbeitsrechliche Standards des öffentlichen Dienstes zur Disposition stellen, etc.      

 

Gestoppt werden kann die durch soziale Kälte und Privatisierungstrunkenheit gekennzeichnete CDU-Herrschaft durch die hessische Wählerschaft bei den Landtagswahlen am 27. Januar 2008. Gefragt sind vorher besonders die Parteien, aber auch die Gewerkschaften und Initiativen, die die  Hessen-CDU stoppen wollen, sich vehement auf allen Ebenen ihrer Gliederungen an der politischen Willensbildung der Bevölkerung zu beteiligen. Um den neoliberalen Privatisierungswahn in Hessen (auch anderswo) zu beenden, sollte besonders die Unverzichtbarkeit der öffentlichen Dienste betont werden. Denn zum   Funktionieren unseres Gemeinwesens gehören Finanzämter, Gerichtsgebäude, Polizeireviere und – präsidien, Justizvollzugsanstalten, Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Universitätsgebäude, Schulen, Bibliotheken, Wohnungen, Wasserver- und Abwasserentsorgungseinrichtungen, Müllentsorgungsanlagen etc. im Eigentum des Volkes. Die öffentliche Infrastruktur bleibt damit in der Entscheidungs- und Kontrollgewalt der Parlamente. Nur so kann z.B. der freie Zugang zur Bildung gesichert, die Gesundheitsversorgung für alle – eine solidarische Krankenversicherung vorausgesetzt – gewährleistet,  bezahlbarer  Wohnraum für Betroffene zur Verfügung gestellt, die Versorgung mit sauberem Wasser und die Abwasserbeseitigung kostendeckend gesichert werden. Der Staat – seine Vertreter in den Parlamenten und Exekutiven sind an das Gemeinwohl gebunden – muss die Voraussetzungen für ein würdiges Leben schaffen und garantieren.      

 

21. November 2007