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FR vom 08.02.2006

HINTERGRUND

Manager sahnen ab

Zwei neue Studien aus den USA belegen, dass die Schere zwischen Normal- und Großverdienern immer weiter auseinander geht. Ursache ist vor allem der Geldrausch auf den Chefetagen.

VON MARIO MÜLLER

"Reich ist man, wenn man keine Geldsorgen hat", sagt Josef Ackermann. Der Mann hat gut reden. Als Chef der Deutschen Bank kassiert er mehr als zehn Millionen Euro jährlich - ungefähr 200 Mal so viel wie ein gemeiner Angestellter. Vor noch nicht allzu langer Zeit wäre ein solch gewaltiger Abstand hier zu Lande unvorstellbar gewesen. Bis Mitte der 1990er Jahre begnügten sich Spitzenmanager mit dem 30- bis 40-fachen eines durchschnittlichen Gehalts. Seitdem geht die Schere immer weiter auseinander. Während Masseneinkommen stagnieren, sind die Bezüge von Führungskräften förmlich explodiert.

Ausgelöst wurde der Geldrausch in den USA, und zwar durch das Konzept des Shareholder value, das die Entlohnung der Manager an angebliche Leistungsmerkmale wie den Aktienkurs koppelte. Doch wie eine neue Studie mit dem Titel "The Evolution of Top Incomes" (Die Entwicklung der Spitzeneinkommen, NBER Working paper No. 11955, www.nber.org) zeigt, setzte die Trendwende jenseits des Atlantiks bereits in den 1980er Jahren ein. Damals begannen die Portemonnaies der reichen US-Bürger sich stetig zu füllen. War auf die oberen zehn Prozent der Bevölkerung nach 1945 rund ein Drittel der gesamten Einkommen entfallen, so kletterte ihr Anteil bis 2000 auf fast 45 Prozent und erreichte wieder das Niveau vor dem Zweiten Weltkrieg.

Arbeitende Reiche

Getrieben wurde dieser Sprung ausschließlich durch Zuwächse bei jener Gruppe, die an der Spitze der Einkommenspyramide - in der obersten Ein-Prozent-Zone - thront. Anders als zu Beginn des Jahrhunderts profitierte die "Upper Class" nunmehr nicht von zusätzlichen Einkünften aus Kapital, sondern von den hohen Managergehältern. Die "arbeitenden Reichen" hätten die "Rentiers" ersetzt, heißt es in der Untersuchung. Die massive Umverteilung von unten nach oben ist auch Thema eines Papiers, das die US-Ökonomen Robert Gordon und Ian Dew-Becker verfasst haben. "Where did the Productivity Growth go" ( Wohin gingen die Produktivitätsgewinne, NBER Working paper No. 11842) fragen die Autoren. Ihre Antwort: an diejenigen US-Bürger, die ohnehin schon finanziell gut gestellt sind. Nur die, gemessen am Einkommen, oberen zehn Prozent hätten in der Zeit von 1966 bis 2001 ihre Einkommen im Umfang der Produktivitätszuwächse oder noch stärker steigern können, heißt es in der Studie. Die restlichen 90 Prozent der Bevölkerung gingen leer aus.

Dieses Ergebnis ist insofern brisant, als Produktivitätsgewinne als Voraussetzung für steigende Pro-Kopf-Einkommen gelten. Sie bilden auch die Basis für Lohnforderungen durch die Gewerkschaften hier zu Lande. Das Papier von Gordon und Dew-Becker zeigt, dass dieser Verteilungsspielraum höchst ungleichmäßig ausgenutzt werden kann. Zumindest in den USA haben sich Spitzenmanager und Großverdiener alles unter den Nagel gerissen und den durchschnittlichen Beschäftigten nicht einmal ein paar Krümel gegönnt.

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Dokument erstellt am 07.02.2006 um 17:32:07 Uhr
Erscheinungsdatum 08.02.2006