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Auszug aus
Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0261
.......... 11. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:......
Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI /
Claudia Haydt / Tobias Pflüger / Jürgen Wagner
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Punkt 3) Umfassender Überblick über die Einsätze der
Bundeswehr beim G8-Gipfel in Heiligendamm.
Er ergänzt
und aktualisiert die bereits versandte Analyse von Johannes Plotzki
(http://www.imi-online.de/2007.php3?id=1593)
IMI-Analyse
2007/027
Militarisierung bis zum Mückenschutz - Amtshilfe um
Heiligendamm
Eine Analyse der Antwort der
Bundesregierung auf die kleine Anfrage zum Einsatz der Bundeswehr
anlässlich des G8-Gipfels
http://www.imi-online.de/2007.php3?id=1603
24.7.2007, Christoph Marischka
Zur Absicherung des G8 Gipfels 2007 wurden insgesamt 33
Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr gestellt, von denen gerade eines -
hier ging es um die Bereitstellung von Krankenwägen in Schwerin -
abgelehnt wurde. Nach Aussage der Bundeswehr wurden alle Anträge
vom Bundesverteidigungsministerium auf ihre rechtliche
Zulässigkeit geprüft. Ob sie notwendig waren und also dem
Prinzip der Subsidiarität entsprachen, dass, wenn möglich,
zunächst zivile Behörden oder private Dienstleister zum
Einsatz kommen sollen, wurde jedoch nicht geprüft sondern sei
"Sache des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen der polizeilichen
Gefahrenprognose".
Dies bedeutet praktisch, wenn eine Behörde Unterstützung
durch die Bundeswehr anfordert, so ist diese auch nötig und
deshalb rechtens. Die Amtshilfeanträge wurden von Behörden
auf Bundes- und Landesebene sowie durch die "Besondere
Aufbauorganisation Kavala" (BAO), für deren Handeln die
Bundesregierung jedoch keine Verantwortung übernimmt, obwohl ihr
Beamte auf Bundesebene angehörten, gestellt. Die BAO selbst
richtete vier Ersuchen an die Bundeswehr, zwölf erfolgten
über das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns. Das
Auswärtige Amt stellte drei Anträge, die vor allem den
Transport von Delegierten aus Berlin zum Tagungsort betrafen, die
Bundespresseagentur gewährleistete mit vier Anfragen den Transport
von JournalistInnen durch die Armee zum Tagungsort und auf die nahe
gelegene Burg Schlitz sowie einen Sanitätsdienst im Pressezentrum.
Das Bundeskriminalamt sowie die Bundespolizei haben sich mit je zwei
Anträgen Liegenschaften, Hubschrauberlandeplätze und
flugbetrieblichen Brandschutz gesichert sowie den Einsatz von
Pioniereinheiten zur temporären Befestigung von Straßen und
Geländeabschnitten erwirkt. Weitere Ersuchen erfolgten durch die
polizeiliche Katastrophenschutzbehörde des Landes (LPBK M-V) sowie
das THW.
Vorbereitung der Infrastruktur
Bereits im Vorfeld des Gipfels war die Bundeswehr mit der Vorbereitung
der Infrastruktur beschäftigt. So wurden Schnellbaustraßen
bei Kühlungsborn verlegt, um einen Ausweichweg "Quellental" zu
schaffen, vier Faltstrassengeräte kamen zum Einsatz, 1800 Rollen
Stacheldraht wurden transportiert und dieser innerhalb von vier Tagen
auf insgesamt 7km außerhalb des abgesperrten Bereichs um
Heiligendamm verlegt.
Außerdem wurden Hubschrauberlandeplätze hergerichtet und
Betonplatten als Untergrund für Küchencontainer verlegt.
Neben dem Krankenhaus Bad Doberan wurde ein mobiles
Sanitätszentrum aufgebaut und in Hohenfelde eine
Notdekontaminations-Einheit für Verletzte stationiert. Im
Marinestützpunkt Hohe Düne wurde eine gemeinsame
Flugeinsatzzentrale eingerichtet. Zwar wurden vom Innenministerium
Mecklenburg-Vorpommerns insgesamt nur zwei Aufklärungsflüge
angefordert um Veränderungen der Erdoberflächenbeschaffenheit
zu registrieren, insgesamt fanden aber bereits im Mai fünf
Missionen mit bis zu drei Tornados statt, bei denen ein umfassendes
Lagebild erhoben und der BAO zur Verfügung gestellt wurde.
Logistische Unterstützung
während des Gipfels
Die Bundeswehr unterhielt in den Pressezentren in Rostock und
Heiligendamm sowie im Krankenhaus Bad Doberan Sanitätspersonal zur
Verfügung, das auch Delegierte begleitete. Neben der genannten
Notdekontaminations-Einheit standen außerdem zwei
ABC-Abwehrpanzer und Rettungshubschrauber bereit, drei LKW mit je
10.000l Trinkwasserwurden in Malchow stationiert. Ein
Großraumrettungshubschrauber der Bundeswehr kam am 6. Juni zum
Einsatz, um sechs leicht verletzte Polizisten nach Bad Doberan zu
fliegen. Die BAO hatte zudem um die Bereitstellung von C-160
Hubschraubern zur schnellen Verlegung von Einsatzkräften der
Polizei gebeten. Beamte der Bundespolizei und des BKA wurden
während des Gipfels mit insgesamt sieben
Hubschraubereinsätzen innerhalb der Region Rostock und 1020
JournalistInnen mit 82 Fahrten der Marine transportiert.
Doch selbst die banalsten
Dienstleistungen wurden von der Bundeswehr
übernommen: 6.336 Polizeibeamte wurden in Liegenschaften der
Bundeswehr untergebracht, ein Übersetzer, 218 Nachtsichtbrillen,
98 Ferngläser, 12 Zelte und je 1000 Decken und Isomatten von der
Bundeswehr angefordert. Am absurdesten scheint die "Versorgung der
Einsatzkräfte mit 1000 Flaschen Mückenschutzmittel" durch die
Bundeswehrapotheke Warnemünde.
Die Militarisierung des Krankenhauses
Bad Doberan
Basierend auf der Annahme, das Kreiskrankenhaus Bad Doberan
verfüge nicht über die nötigen Kapazitäten, wurden
in dessen Umfeld Container mit Sanitätseinrichtungen der
Bundeswehr aufgestellt, zu denen allerdings laut Bundesregierung nur
Bundeswehrangehörige Zutritt hatten. Durch Vereinbarung mit dem
privaten Träger des Krankenhauses wurde der Bundeswehr in Teilen
der Liegenschaft das Hausrecht übertragen, jedoch nicht nur um die
außerhalb gelegenen Container herum, sondern auch in einzelnen
Bereichen des Gebäudes selbst und zwar aufgrund so genannter
Beobachtungspunkte", welche die Feldjäger dort eingerichtet
hatten. Das Sanitätspersonal wurde nicht, wie sonst, in Kasernen
untergebracht, sondern auf einem 800 Meter entfernt gelegenen
Sportplatz, der hierfür in ein Feldlager umgewandelt und mit
Stacheldraht gesichert wurde. Vermeintlich um mögliche Straftaten
oder Störungen gegen das Bundeswehrpersonal zu verhindern, wurden
im Krankenhaus und dessen Umgebung 83 Feldjäger eingesetzt. Diese
befragten zivile Besucher des Krankenhauses nach dem Zweck ihres
Aufenthaltes, fotografierten und eskortierten sie vereinzelt auf dem
Weg in die Krankenzimmer. Nach Angabe der Bundesregierung haben sie
dabei lediglich von ihrem partiellen Hausrecht Gebrauch gemacht, es sei
jedoch kein militärischer Sicherheitsbereich eingerichtet worden.
Die Hausrechtsbereiche der Bundeswehr wurden jedoch nicht näher
bezeichnet und deshalb scheint sie de facto jedenfalls ein sporadisches
Hausrecht im ganzen Krankenhaus ausgeübt zu haben.
Bei den Fotos handle es sich nach Ansicht der Bundesregierung um
"typische ´Feldlagerszenen´" und "Schnappschussbilder",
über deren Weitergabe an zivile Stellen sei nichts bekannt, im
Übrigen würde vom Einverständnis der abgelichteten
Personen ausgegangen. Lediglich durch Soldaten aufgenommene
Bilder von verletzten Polizisten seien der Polizei übergeben
worden.
Aufklärung
Aus den zwei Aufklärungsmissionen durch Tornados, welche vom
Verteidigungsministerium zur Entdeckung möglicher
Straßenmanipulationen oder Erddepots genehmigt worden waren,
wurden bekanntlich sieben mit insgesamt 14 Flügen. Die erste
zusätzliche Mission erfolgte bereits am 3. Mai auf Betreiben der
Bundeswehr - angeblich zu Demonstrationszwecken. Zielobjekte waren zu
diesem Zeitpunkt noch nicht festgelegt worden und es wurden der Polizei
auch keine Bilder übergeben, das Rohmaterial sei vernichtet
worden. Das bei den übrigen Flügen gewonnene Material wurde
jeweils nach dem Einsatz mit einer Vertreterin der BAO gesichtet und
insgesamt 82 vorausgewertete Bilder per Mail an die Polizei
weitergegeben.
Die anfängliche Argumentation, die zusätzlichen Flüge
wären Wiederholungsflüge aufgrund schlechten Wetters gewesen,
ist nicht haltbar, denn Strecken und Zielvorgaben wurden
zwischenzeitlich geändert. Die zusätzlichen Flüge
kamen auf Anforderung der BAO unter Zustimmung des Jagdgeschwaders
Immelmann zu Stande, wurden also direkt zwischen einer
Polizeibehörde und militärischen Stellen unter Umgehung aller
politischen Verantwortlichen verabredet. Vorrangiges Ziel der letzten
Flüge war offensichtlich die Ausspähung der Camps
Wichmannsdorf und Reddelich. Die Überflüge vor Beginn des
Gipfels fanden in einer Höhe von 1000-1500 Fuß statt, dies
ist auch die übliche Mindestflughöhe. Es gibt nur ein
begrenztes Kontingent für Übungsflüge bis auf 500
Fuß, dieses wurde genutzt für die letzten Flüge, als
die Camps schon bewohnt waren. Ausgerechnet über dem Camp
Reddelich sei es dann aufgrund des Wetters nötig gewesen, auch
diese Flughöhe zu unterschreiten. Dies ist hochgradig
unglaubwürdig. Es ging aller Wahrscheinlichkeit nach um die
militärische Einschüchterung der Camp-Bewohner. Ob und durch
wen diese angeordnet wurde, ist noch unklar.
Eine ähnlich enge Kooperation zwischen Polizei und Militär
ergab sich beim Einsatz der Fennek-Spähpanzer. Neun waren
durch das Innenministerium des Landes angefordert, drei für den
Einsatz unmittelbar um Heiligendamm, drei weitere um den Flughafen
Rostock-Laage und drei zur allgemeinen Raumüberwachung. Ungefragt
lieferte die Bundeswehr einen zehnten Spähpanzer zur
technischen Koordination des Aufklärungseinsatzes.
Vorgesehen waren die Fenneks vor allem für die wichtigsten
Autobahnen um Rostock, hierfür wurden sie auf Autobahnbrücken
positioniert, bedient von Soldaten aber bewacht von Polizisten. Auch
den Fenneks wurde auf kurzem Dienstweg eine weitere Aufgabe
zugeteilt, nämlich die Überwachung der landwirtschaftlichen
Versuchsanstalt des Landes Mecklenburg-Vorpommern, wo auch
genmanipulierte Pflanzen angebaut werden, die Ziel von Protesten
hätten werden können. Nach Ansicht der Bundesregierung sei es
den Soldaten untersagt worden, eigenständig auf Wahrnehmungen zu
reagieren. Dies ist schlicht unmöglich, denn der Fennek kann keine
Bilder aufzeichnen und die konkrete Aufgabenstellung der Soldaten
bestand darin, verdächtige Beobachtungen an die Polizei vor Ort
oder per Funk weiterzugeben.
Zusammenarbeit zwischen Militär
und Polizei
Die Bereitstellung militärischer Liegenschaften - u.a. auf dem
Flughafen Rostock-Laage - ermöglichte einen engen Austausch
zwischen Militär und Polizei, Beamte und Soldaten lernten sich
kennen - nicht nur auf der Ebene der höheren Dienstgrade - und
erhielten Einblick in Ausrüstung, Möglichkeiten und
Organisationslogik der je anderen Behörde. Die Polizisten wurden
mit Bundeswehrfahrzeugen transportiert und in Kasernen untergebracht,
es gab direkten Funkkontakt. Dies war keineswegs ein zufällige
Entwicklung. Zunächst einmal forciert die Bundeswehr
gegenwärtig im Rahmen der "territorialen Neuordnung" den Aufbau
eines flächendeckenden Netzes der zivil-militärischen
Zusammenarbeit durch Verbindungsbeamte, die nun allen zivilen
Verwaltungsebenen beigestellt werden und somit die Bundeswehr von
Anfang an in die Planung des Katastrophenschutzes einbinden. Auch der
BAO Kavala wurde ein Spezialist der Bundeswehr für die ABC-Abwehr
sowie zwei Stabsoffiziere der Luftwaffe beigestellt. Die Luftwaffe
stellte der Polizei ein "identifiziertes Lagebild" zur Verfügung.
Während des Gipfels wurde auch das militärische Lagebild der
Marine an die Polizeikräfte übermittelt. Auf den Schiffen der
Bundeswehr befanden sich darüber hinaus Verbindungsbeamte der
Wasserschutzpolizei, im Flottenkommando hingegen einer der
Bundespolizei. Es gab regelmäßige Besprechungen zwischen dem
Flottenkommando und dem Lagezentrum der Wasserschutzpolizei, bei dem
ebenfalls ein Angehöriger der Marine eingesetzt wurde. Die
Bundesregierung sieht durch solche Kooperationen den Grundsatz der
Trennung von Polizei und Militär jedoch nicht verletzt, da alles
Genannte sich im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen
technischen Amtshilfe zugetragen hätte.
Kriegerische Amtshilfe
Neben den Einsätzen, bei denen das Militär zur
Unterstützung der Polizei, als Ersatz für private
Dienstleister oder fehlende zivile Kapazitäten für den
Bevölkerungsschutz auftrat agierte sie im Rahmen des G8-Gipfels
jedoch auch mit originär kriegerischen Mitteln, wenn auch weniger
sichtbar auf dem Wasser und in der Luft. Neben den Tornados, Späh-
und Abwehrpanzern waren auch vier Eurofighter und acht Kampfflugzeuge
vom Typ F-4F Phantom, ein militärischer Transall-Transporter, eine
Fregatte, drei Minenjagdboote, Minentaucher und ein
Luftraumüberwachungsgerät im Einsatz. Die Abfangjäger
flogen in so genannten Kernzeiten, insgesamt sechs Stunden und 15
Minuten, um gegebenenfalls Angriffe aus der Luft abwehren oder nicht
zugelassene Flugzeuge aus dem Luftraum über Heiligendamm
abdrängen zu können.
Auch bei Minenjagdbooten ist offensichtlich, dass es um die Abwehr
kriegerischer Angriffe und damit auch selbst um einen kriegerischen
Einsatz ging. Dieser Punkt spielt in der Debatte über den Einsatz
der Bundeswehr im Rahmen des G8-Gipfels kaum eine Rolle.
Schließlich erscheint es sinnvoll oder gar logisch, dass man die
Delegierten Krieg-führender Staaten bei solch einem Treffen vor
quasi-militärischen Angriffen schützen muss und also auch
einen quasi-Verteidigungsfall ausruft. Es gibt diesbezüglich auch
klare Bedingungen etwa für das Erscheinen des US-Präsidenten.
Der Einsatz der Minenjagdboote sowie der Verbindungsboote der Marine
geschah noch auf Amtshilfeersuchen durch das Innenministerium des
Landes. Bezüglich der Abfangjäger bestand ein solches
Ersuchen jedoch nicht. Die Grundlage des Einsatzes wird von der
Bundesregierung nicht
genannt, offensichtlich wurde hier Schäubles
quasi-Verteidigungsfall bereits umgesetzt.
Eine kurze Bewertung
Auch wenn fast alle Amtshilfeersuchen auf Betreiben der BAO Kavala
zurückgehen, wurden sie von unterschiedlichen zivilen Stellen und
in unterschiedlichen Verfahren gestellt. Dies befördert den
Eindruck, dass es hier zugleich um die Herstellung einer
behördlichen Routine der zivil-militärischen Zusammenarbeit
ging. Das Verteidigungsministerium hat nach eigenen Angaben alle
Ersuchen geprüft und für rechtmäßig befunden,
jedoch keine Überprüfung unternommen, ob sie notwendig waren,
insofern signalisierte die Bundesregierung, dass sie das Prinzip der
Subsidiarität für obsolet hält.
Eine düstere Prognose ergibt sich aus Heiligendamm für den
zivilen Bevölkerungs- bzw. Katastrophenschutz. Er droht schlicht
überflüssig zu werden. Wenn keine zivilen Gerätschaften
gegen ABC-Gefahren bestehen und selbst für die
Trinkwasserversorgung die Bundeswehr vom THW angefragt wird, so wird
sich der Einsatz des Militärs im Inneren normalisieren. Die
Militarisierung der Katastrophenhilfe wird auch im Ausland fatale
Effekte haben, erfolgt parallel zur Militarisierung der
Entwicklungshilfe und wird dazu führen, dass Hilfsmaßnahmen
im Ausland mittelfristig nur noch unter militärischer Kontrolle
ablaufen können.
Die Bundesregierung beziffert die Gesamtkosten für den
Bundeswehreinsatz auf unglaubwürdige 10 Mio. Euro, die sie den
Antragsstellern nicht in Rechnung stellen wird. Sie dient sich,
ihr Material und ihre Soldaten somit als Billiganbieter in
Konkurrenz zu zivilen privaten oder staatlichen Dienstleistern an. Auch
dies wird dazu führen, dass Amtshilfeersuchen künftig auch da
zunehmen werden, wo zivile Alternativen bestehen oder bestanden.
Bleibt die Frage der Verfassungsmäßigkeit, die
gegenwärtig heftig diskutiert wird. Das Trennungsgebot von Polizei
und Militär und eine strikte Begrenzung der Einsatzfähigkeit
von Militär im Inneren sind nicht mehr gängige
Rechtsauffassung. Die Formulierungen im Grundgesetz lassen hier
die nötige Eindeutigkeit vermissen und mit der zunehmenden
Relativierung des Faschismus in der deutschen Geschichte unterliegen
sie gegenwärtig einer Neuinterpretation.
Die technische Amtshilfe ist quasi nicht definiert, während andere
Voraussetzungen für den Einsatz der Streitkräfte im Inneren
sehr strikt und restriktiv formuliert sind. Noch im Februar 2007
schrieb der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, dass technische
Amtshilfe auf Grund des Art. 87 a Abs. 2 auf "verteidigungsfremde
Hilfeleistungen" beschränkt sei.(1) Die Bundesregierung hält
den Einsatz von Tornados, Spähpanzern und Feldjägern für
"verteidigungsfremde Hilfeleistungen", während Teile der
Opposition der Auffassung sind, nur Mittel, die auch der Polizei zur
Verfügung stünden, könnten im Rahmen der Amtshilfe von
der Bundeswehr angefordert werden.
Eine Anrufung des Verfassungsgerichts würde vermutlich
tatsächlich dazu führen, dass ein Teil der genannten
Maßnahmen für verfassungswidrig erklärt, andererseits
aber der Rest legalisiert würde, was gegenwärtig nicht der
Fall ist. Das jüngste schockierende Urteil des Verfassungsgerichts
zur NATO-Strategie und dem Einsatz in Afghanistan, welches der
Bundesregierung quasi freie Hand für ihre Militärpolitik
lässt, deutet darauf hin, dass diese Verschiebung der
Legalitätsgrenze weit über das hinaus ginge, was bislang von
der Bevölkerung als legitimer Armeeeinsatz im Inneren angesehen
wurde und was angesichts der deutschen Geschichte legitim ist. Vom Ziel
ausgehend, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen, sollte also
weniger die Frage der Legalität als die der Legitimität im
Vordergrund stehen. Denn nicht alle staatlichen Maßnahmen, die
sich die Regierung in den letzten Jahren legalisiert haben sind damit
auch legitim - im Gegenteil.
Anmerkungen:
Als Quelle dient die Bundestag-Drucksache 16/6046 :
http://dip.bundestag.de/btd/16/060/1606046.pdf
(1) Deutscher Bundestag/ Wissenschaftliche Dienste: Aktueller Begriff:
Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren,
http://www.bundestag.de/bic/analysen/2007/Der_Einsatz_der_Bundeswehr_im_Inneren.pdf