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Überwachung

Opposition fühlt sich geleimt

VON STEFFEN HEBESTREIT

Alles im Blick (Bild dpa)

Berlin. Drucksache 16/7148 ist vergleichsweise knapp gehalten. In der Beschlussempfehlung vom 14. November dieses Jahres lässt der Innenausschuss wissen, der Bundestag möge den "Gesetzentwurf auf Drucksache 16/6292" mit einer kleinen Änderung beschließen. Der Passus "spätestens nach zwei Tagen" solle durch "spätestens nach dreißig Tagen" ersetzt werden. Fertig.

Einen Tag darauf, spät am Abend, folgt der Bundestag mit den Stimmen der Koalition dieser und einem Wust weiterer Empfehlungen des Ausschusses und beschließt das umstrittene EU-Abkommen mit den USA über die Weitergabe von Fluggastdaten. Gleichzeitig, von den meisten unbeachtet, stimmen die Abgeordneten damit der kleinen Änderung von Paragraf 27 Bundespolizeigesetz zu, der die Fluggastdaten überhaupt nicht betrifft.

Kleine Änderung - große Wirkung: Die Videoaufnahmen von Überwachungskameras auf Bahnhöfen, Flugplätzen und an Bundesgebäuden müssen künftig nicht mehr nach 48 Stunden gelöscht werden, sondern können einen ganzen Monat lang aufbewahrt und gegebenenfalls polizeilich ausgewertet werden.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, spricht von einem Skandal. Schließlich sei dieses Sicherheitsgesetz ohne jede öffentliche Debatte von der Koalition "innerhalb eines Tages durchgewinkt worden", das sei wohl ein neuer Rekord.

Nach FR-Informationen hatte sich das Bundesinnenministerium für die Änderung in letzter Minute bei den zuständigen Berichterstattern von Union und SPD, Clemens Binninger (CDU) und Wolfgang Gunkel (SPD), eingesetzt. Das Vorhaben sollte offensichtlich im Windschatten der heißen Debatte über die Weitergabe der Fluggastdaten einfach durch das Parlament segeln. Mit Erfolg - weder FDP, noch Grüne oder die Linke bemerkten die Brisanz der Drucksache 16/7148. Die Videospeicherung erwähnten sie in der Plenardebatte mit keinem Wort.

Erst zehn Tage später brachte der oberste Datenschützer Schaar bei einem Aufritt auf dem Grünen-Bundesparteitag in Nürnberg das Thema aufs Tapet. Seine Parteifreundin Silke Stokar (Grüne) sowie die Oppositions-Innenpolitiker Gisela Piltz (FDP) und Jan Korte (Linke) fühlen sich nun von der Koalition "manipuliert" und hintergangen, weil die Videodatenspeicherung bei den Beratungen nie Thema gewesen sei.

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz räumt ein, er sei auch "nicht glücklich, wie das gelaufen ist". In der Sache habe er nichts an der längeren Speicherung der Aufnahmen einzuwenden, sagte Wiefelspütz am Dienstag der FR. "Ich hätte mir darüber aber eine offene Diskussion gewünscht." Schließlich habe die Koalition nichts zu verbergen. "Natürlich ist niemand manipuliert worden", entgegnete Wiefelspütz auf die Anwürfe aus den Reihen der Opposition. Genauso könne man den Vorwurf erheben, "eine müde Opposition" habe verpennt, über was der Bundestag da abgestimmt habe.

Datenschützer Schaar sieht sich durch die jüngste Entwicklung bestätigt, dass sich in der Sicherheitspolitik ein Paradigmenwechsel vollziehe: Statt einem konkreten Verdacht nachzugehen, seien die Behörden dazu übergegangen, mehr und mehr Daten unabhängig von konkreten Vorwürfen zu speichern. Und der Bundestag diskutiert darüber nicht mal mehr.

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Copyright © FR-online.de 2007
Dokument erstellt am 27.11.2007 um 17:28:03 Uhr
Letzte Änderung am 27.11.2007 um 18:56:35 Uhr
Erscheinungdatum 28.11.2007

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Kommentar

Schlechte Gewinner

VON ROUVEN SCHELLENBERGER

Rouven Schellenberger (Bild fr)

So viel Ärger hat die große Koalition mit sich selbst, dass sie sich mit der Opposition gar nicht herumärgern will. Die ist zwar auf dem Papier der politische Gegner der Regierung, aber als solcher bislang kaum jemandem aufgefallen - schon gar nicht der Öffentlichkeit. Bei den Verhandlungen zum Fluggastdatengesetz haben Union und SPD nun die Gelegenheit zum Alleingang genutzt, als sie über eine winzige Änderung des Bundespolizeigesetzes die Speicherung der Videoüberwachung an Bahnhöfen und Flughäfen von zwei auf bis zu 30 Tagen verlängert haben - schnell, still und leise. Die Koalition feiert insgeheim ihre Cleverness, die Opposition fühlt sich verschaukelt - und die Bürger fragen sich, wer da nun eine Verwarnung verdient: Die schwarz-roten Falschspieler oder die schlafmützige Abwehr?

Der Sportsgeist mag Union und SPD den Triumph noch gönnen, schließlich war es kein schlechter Trick, die Änderung quasi über Nacht in den Text zu schreiben. Und es ist in der Tat ein wenig peinlich, dass es den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar brauchte, um der Opposition zu erklären, über was sie da abgestimmt hat. Dem Bürger allerdings kann es nicht gefallen, dass eine Regierung heikle Neuerungen lieber ins Gesetzblatt schmuggelt als sie öffentlich zu debattieren.

Die Arroganz der Macht trifft hier nicht nur die Opposition. Dumm dran ist in erster Linie der Bürger, der offenbar nicht wissen soll, wie intensiv er allerorten überwacht wird. Die Koalition verletzt damit demokratische Spielregeln - und schadet auch sich selbst. Einer Regierung, die sich vor einer einfachen Debatte drückt, die verspielt ihr Vertrauen.

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Dokument erstellt am 27.11.2007 um 17:12:01 Uhr
Letzte Änderung am 27.11.2007 um 18:20:09 Uhr
Erscheinungsdatum 28.11.2007