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Transport
Regional-Bahnen vor dem Aus
VON THOMAS WÜPPER
Zugverkehr (Bild dpa)
Berlin. Durch die geplante Bahnprivatisierung droht die Stilllegung von
maximal 10 000 Kilometer Strecken und damit das Aus für viele
Regionalnetze. Die Bundesländer sehen durch ein neues Gutachten
"schlimmste Befürchtungen" bestätigt, wonach die
Bahnpläne verfassungswidrig sind.
Am Dienstag soll das umstrittene "Gesetz zur Neuorganisation der
Eisenbahnen des Bundes" in erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten
werden. Die Bundesregierung will trotz heftiger Widerstände mit
aller Macht eine schnelle Verabschiedung durchsetzen, um
Handlungsstärke zu demonstrieren. Danach könnten private
Geldgeber bis zu 49 Prozent der Bahn-Anteile erwerben und auch
über das Schienenmonopol mitbestimmen.
Die Bahnprivatisierung könnte jedoch am Widerstand des Bundesrats
und möglicherweise auch des Bundespräsidenten scheitern. Das
Berliner Institut KCW und der renommierte Münsteraner
Rechtsprofessor Dirk Ehlers warnen in einer Analyse für die
Bundesländer, die der FR vorliegt, eindringlich vor dramatischen
Folgen für den Bahnverkehr in der Fläche sowie die
öffentlichen Haushalte. Der Druck des Kapitalmarkts werde zur
massiven Ausdünnung des Bahnnetzes und der Schließung der
meisten kleineren Bahnhöfe führen. 6000 bis 10 0000 Kilometer
Gleise seien vom Aus bedroht, 2000 Kilometer davon sehr rasch.
Ferner verstoße der Entwurf, den das Kabinett bereits vor der
Sommerpause absegnete, schon in seiner Konzeption gegen das
Grundgesetz. Die unzulässige Folge wäre "eine materielle
Teilprivatisierung der Ausübung von Staatsgewalt".
Wesentlich positiver beurteilen die Experten den Vorschlag von Teilen
der SPD, der Bahn über die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien
zu neuem Kapital zu verhelfen. Damit würden die
verfassungsrechtlichen Probleme "in einem erheblichen Ausmaße
entschärft", heißt es. Der Grund: Investoren könnten
dann nicht über die Verwendung der Milliardenzuschüsse
für das Netz mitbestimmen.
Die Gutachter bestätigten schlimmste Befürchtungen der
Länder, so Hessens Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU). Die
geplante Privatisierung verteure Regionalzüge und sei ein
Minusgeschäft für den Staat.
Privilegien für die DB würden zementiert und bessere Angebote
durch DB-Konkurrenten verhindert. Der Bundestag müsse daher die
für Dienstag geplante erste Lesung des Gesetzes verschieben,
fordert Rhiel. Das Votum einer weiteren Sonderkonferenz der
Verkehrsminister der Länder am 25. September sowie die
Beschlüsse des Bundesrats im Oktober sollten abgewartet werden.
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) weist Zweifel an seinen
Plänen zurück. Sowohl das Innen- als auch das
Justizministerium hätten dem Entwurf das "Grundgesetzzertifikat
erteilt", erklärte sein Ministerium. Der Bund bleibe "juristischer
Eigentümer" der Infrastruktur, diese werde nicht mitprivatisiert.
Die DB dürfe das Schienennetz nur "vorübergehend weiter
nutzen". Schon damit seien alle verfassungsrechtlichen Bedenken
ausgeräumt.
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Dokument erstellt am 16.09.2007 um 17:12:01 Uhr
Letzte Änderung am 17.09.2007 um 09:37:56 Uhr
Erscheinungsdatum 17.09.2007