http://www.jungewelt.de/2007/02-06/018.php
2007 / Betrieb & Gewerkschaft / Seite 15
Zum Inhalt dieser Ausgabe |
--------------------------------------------------------------------------------
Von Hans-Gerd Öfinger
------------------------------------------
Norbert Hansen (transnet)
Foto: AP
------------------------------------------
Zwei politische Sekretäre aus der Vorstandsetage der Eisenbahngewerkschaft
Transnet sind zum Jahresbeginn zur Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
übergewechselt. Die beiden – Markus Fuß und Armin Duttiné – haben
der Transnet-Basis »Abschiedsbriefe« hinterlassen, die sich bei näherem
Hinsehen als eine politische Generalabrechnung mit dem Kurs des
Transnet-Vorsitzenden Norbert Hansen erweisen, dessen Linie sie jahrelang nach
außen vertreten mußten.
Fuß und Duttiné kritisieren in ihren Schreiben die Zustimmung der
Transnet-Führung zum Börsengang und der internationalen Expansion des
DB-Konzerns ebenso wie die Gefahr eines Bruchs mit dem DGB und rügen mangelnde
demokratische Kontrolle innerhalb der Gewerkschaft wie auch in den
Aufsichtsräten der Bahn. Nur wenn die Bahn zu 100 Prozent in öffentlichem
Eigentum bleibe, sei die Integrität des Unternehmens garantiert, so die
Hauptthese der beiden.
Während die »Abschiedsbriefe« an der Transnet-Basis kritische Diskussionen
ausgelöst haben, wettern loyale Funktionäre gegen die beiden »Abtrünnigen« und
argwöhnen, daß hinter dem Übertritt generatstabsmäßig ausgearbeitete
ver.di-Strategie zur Abwerbung von Transnet-Mitgliedern steckt. Schon seit
geraumer Zeit zanken sich die beiden DGB-Gewerkschaften heftig um die
Zuständigkeit im Bereich der Regionalbusgesellschaften des DB-Konzerns. Wer bei
Transnet die politische Kritik von Fuß und Duttiné teilt, wird in diesen Tagen
unter den Generalverdacht gestellt, seiner Gewerkschaft zu schaden und
Propaganda für die Konkurrenzorganisation ver.di zu betreiben.
--------------------------------
Frank Bsirske (ver.di)
Foto: AP
--------------------------------
Noch im Mai 2006 hatten sich die Vorsitzenden von Transnet und ver.di, Hansen
und Bsirske, in einer gemeinsamen Erklärung für den Erhalt einer integrierten
Deutschen Bahn in Bundesbesitz ausgesprochen und eine Zerschlagung abgelehnt.
Nach acht Monaten Funkstille hat nun der ver.di-Bundesvorstand Ende Januar 2007
in einem Beschluß die Privatisierung der Deutschen Bahn AG abgelehnt und
gefordert, »daß die DB AG als integriertes Unternehmen im vollständigen
Staatseigentum bleibt«. Das Papier trägt auch die Handschrift von Fuß und
Duttiné.
Privatisierungskritiker in Transnet wie die Initiative »Bahn von unten«
fordern, daß sich nun auch der Transnet-Hauptvorstand ohne Wenn und Aber gegen
die Privatisierung positioniert und – wie ver.di – dem Bündnis der
Privatisierungsgegner, »Bahn für Alle«, anschließt. Für engagierte Linke in
ver.di wiederum kann der Beschluß des Bundesvorstands Aufwind bringen, zumal
ver.di und ihre Vorgängerorganisationen in der Vergangenheit nicht immer und
überall so konsequent gegen drohende Privatisierungen Position bezogen haben
wie jetzt im Falle der Deutschen Bahn.
Das ist der Hintergrund, vor dem der Transnet-Hauptvorstand Anfang nächster
Woche zu einer Sondersitzung zusammentreten will, um die aktuelle Krise der
Gewerkschaft erörtern. Transnet definiert sich bislang als die für den Konzern
Deutsche Bahn (DB) zuständige DGB-Organisation und wird wie keine andere
Gewerkschaft von einem anstehenden Bundestagsbeschluß über die Privatisierung
der Deutschen Bahn betroffen sein. Privatisierungskritiker befürchten einen
Dammbruch und spätestens ab 2010 massiven Arbeitsplatzabbau. Viele Mitglieder
befürchten zudem, daß es im Zuge der angestrebten Vereinigung mit der (im
Deutschen Beamtenbund angesiedelten) Verkehrsgewerkschaft GDBA zu einem Bruch
mit dem DGB kommen könnte.
Unterdessen haben führende Transnet-Vertrauensleute bei der Berliner S-Bahn
nach langem Schweigen »ausgepackt« und dem Transnet-Apparat vorgeworfen, durch
gezielte Manöver die Position engagierter Privatisierungskritiker im Betrieb
geschwächt zu haben. In einem Interview, das am Montag auf bahnvonunten.de
eingestellt wurde, rief Jürgen Raßbach, 2. Sprecher des
TRANSNET-Vertrauensleutekörpers bei der S-Bahn Berlin, die Mitgliedschaft in
Transnet dazu auf, in den bevorstehenden Organisationswahlen »unser Ding selbst
in die Hand nehmen« und nur solche Kandidaten zu wählen, die eindeutig gegen
einen Börsengang der Bahn und für einen Verbleib von Transnet im DGB seien.