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2007 / Betrieb & Gewerkschaft / Seite 15
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Transnet in der Krise 

Halbherziger Kurs angesichts Börsengang und Privatisierung bringt Bahngewerkschaft ins Schlingern  Führungskader traten zu ver.di über

Von Hans-Gerd Öfinger

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Norbert Hansen (transnet)
Foto: AP
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Zwei politische Sekretäre aus der Vorstandsetage der Eisenbahngewerkschaft Transnet sind zum Jahresbeginn zur Dienstleistungsgewerkschaft ver.di übergewechselt. Die beiden – Markus Fuß und Armin Duttiné – haben der Transnet-Basis »Abschiedsbriefe« hinterlassen, die sich bei näherem Hinsehen als eine politische Generalabrechnung mit dem Kurs des Transnet-Vorsitzenden Norbert Hansen erweisen, dessen Linie sie jahrelang nach außen vertreten mußten.

Fuß und Duttiné kritisieren in ihren Schreiben die Zustimmung der Transnet-Führung zum Börsengang und der internationalen Expansion des DB-Konzerns ebenso wie die Gefahr eines Bruchs mit dem DGB und rügen mangelnde demokratische Kontrolle innerhalb der Gewerkschaft wie auch in den Aufsichtsräten der Bahn. Nur wenn die Bahn zu 100 Prozent in öffentlichem Eigentum bleibe, sei die Integrität des Unternehmens garantiert, so die Hauptthese der beiden.

Während die »Abschiedsbriefe« an der Transnet-Basis kritische Diskussionen ausgelöst haben, wettern loyale Funktionäre gegen die beiden »Abtrünnigen« und argwöhnen, daß hinter dem Übertritt generatstabsmäßig ausgearbeitete ver.di-Strategie zur Abwerbung von Transnet-Mitgliedern steckt. Schon seit geraumer Zeit zanken sich die beiden DGB-Gewerkschaften heftig um die Zuständigkeit im Bereich der Regionalbusgesellschaften des DB-Konzerns. Wer bei Transnet die politische Kritik von Fuß und Duttiné teilt, wird in diesen Tagen unter den Generalverdacht gestellt, seiner Gewerkschaft zu schaden und Propaganda für die Konkurrenzorganisation ver.di zu betreiben.

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Frank Bsirske (ver.di)
Foto: AP
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Noch im Mai 2006 hatten sich die Vorsitzenden von Transnet und ver.di, Hansen und Bsirske, in einer gemeinsamen Erklärung für den Erhalt einer integrierten Deutschen Bahn in Bundesbesitz ausgesprochen und eine Zerschlagung abgelehnt. Nach acht Monaten Funkstille hat nun der ver.di-Bundesvorstand Ende Januar 2007 in einem Beschluß die Privatisierung der Deutschen Bahn AG abgelehnt und gefordert, »daß die DB AG als integriertes Unternehmen im vollständigen Staatseigentum bleibt«. Das Papier trägt auch die Handschrift von Fuß und Duttiné.

Privatisierungskritiker in Transnet wie die Initiative »Bahn von unten« fordern, daß sich nun auch der Transnet-Hauptvorstand ohne Wenn und Aber gegen die Privatisierung positioniert und – wie ver.di – dem Bündnis der Privatisierungsgegner, »Bahn für Alle«, anschließt. Für engagierte Linke in ver.di wiederum kann der Beschluß des Bundesvorstands Aufwind bringen, zumal ver.di und ihre Vorgängerorganisationen in der Vergangenheit nicht immer und überall so konsequent gegen drohende Privatisierungen Position bezogen haben wie jetzt im Falle der Deutschen Bahn.

Das ist der Hintergrund, vor dem der Transnet-Hauptvorstand Anfang nächster Woche zu einer Sondersitzung zusammentreten will, um die aktuelle Krise der Gewerkschaft erörtern. Transnet definiert sich bislang als die für den Konzern Deutsche Bahn (DB) zuständige DGB-Organisation und wird wie keine andere Gewerkschaft von einem anstehenden Bundestagsbeschluß über die Privatisierung der Deutschen Bahn betroffen sein. Privatisierungskritiker befürchten einen Dammbruch und spätestens ab 2010 massiven Arbeitsplatzabbau. Viele Mitglieder befürchten zudem, daß es im Zuge der angestrebten Vereinigung mit der (im Deutschen Beamtenbund angesiedelten) Verkehrsgewerkschaft GDBA zu einem Bruch mit dem DGB kommen könnte.

Unterdessen haben führende Transnet-Vertrauensleute bei der Berliner S-Bahn nach langem Schweigen »ausgepackt« und dem Transnet-Apparat vorgeworfen, durch gezielte Manöver die Position engagierter Privatisierungskritiker im Betrieb geschwächt zu haben. In einem Interview, das am Montag auf bahnvonunten.de eingestellt wurde, rief Jürgen Raßbach, 2. Sprecher des TRANSNET-Vertrauensleutekörpers bei der S-Bahn Berlin, die Mitgliedschaft in Transnet dazu auf, in den bevorstehenden Organisationswahlen »unser Ding selbst in die Hand nehmen« und nur solche Kandidaten zu wählen, die eindeutig gegen einen Börsengang der Bahn und für einen Verbleib von Transnet im DGB seien.