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Das Tor zum Geld

SPD und Linkspartei wollen die Berliner Sparkasse verkaufen. Großbanken feiern den Einstieg in das ganz große Geschäft.

Von Sascha Kimpel

Großbanken stehen Schlange vor einer Sparkasse: Commerzbank und HypoVereinsbank sowie ausländische Investoren wie Fortis, BNP Paribas, Société Générale, ABN Amro und Christopher Flowers – neben dem deutschen Sparkassen- und Giroverband. Bis Februar mussten mögliche Käufer ihr Interesse an der Berliner Sparkasse bekundet haben. Nun will der rot-rote Senat mit Unterstützung der Grünen, FDP und CDU das Kreditinstitut bis Ende des Jahres verkauft haben. Dagegen regt sich Kritik – in der Linken und den sozialen Bewegungen. Oskar Lafontaine spricht vom „Lackmustest“ für die Berliner Linkspartei.

Der Verkauf der Berliner Sparkasse ist das Einfallstor für die Privatisierung des gesamten Sparkassensektors. Das bundesweite Netz der Sparkassen-Finanzgruppe stellt mit 380 000 Angestellten und 50 Millionen Kunden der größte Finanzdienstleistungskonzern der Welt dar.
Die Sparkassen nehmen im deutschen Bankensystem neben Genossenschafts- und Privatbanken eine Sonderstellung ein, weil sie sich selbst gehören und in der Regel keine Gewinne ausschütten. Mit den Erträgen stärken sie ihre Bilanz, um mehr Geschäfte tätigen zu können und zahlen Steuern. Den Rest spenden sie: im Jahr 2006 bundesweit 350 Millionen Euro.

Der Paragraph 40 des Kreditwirtschaftgesetzes verpflichtet Sparkassen, lediglich die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Region zu fördern sowie kleine und mittlere Unternehmen mit günstigen Krediten unterstützen. So geben rund zwei Drittel aller Handwerker die Sparkasse als ihre Hausbank an.

Obwohl der Anspruch bei weitem nicht von allen eingelöst wird, gehört das Konto für jeden mit niedrigen Kontoführungsgebühren zur Selbstverpflichtung der Sparkassen. Aufgrund dieser Gemeinwohlorientierung konnten die Kaufabsichten nationaler und internationaler Großbanken bisher stets abgewehrt werden.

Doch die Unterstützung für diese Gemeinwohlorientierung und den öffentlich-rechtlichen Charakter der Sparkasse schwindet zunehmend unter den Herrschenden. So vereinbarte die Bundesregierung im Dezember letzten Jahres mit der EU-Kommission, dass der Paragraph 40 in einer Weise angewendet würde, der nicht gegen die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr verstoße.
Damit fehlt der Schutz für den in der Bevölkerung mehrheitlich mit Sympathie empfundenen Markenname Sparkasse vor privatem Zugriff. Diese Vereinbarung machte den Weg für den bereits angesteuerten Verkauf der Berliner Sparkasse durch den Senat endgültig frei.

Der Verkauf ist eine Folge der Sanierungsstrategie des Senats für die Berliner Bankgesellschaft, die 2001 infolge von Korruption und Immobilienspekulationen Pleite gegangen war. Anstatt – wie etwa von der Initiative Bankenskandal gefordert – die Bankgesellschaft kontrolliert zu entflechten und in die Insolvenz zu schicken, garantierte der Senat im Rahmen des Risikoabschirmungsgesetzes gefährdete Profite in Höhe von bisher 15 Milliarden Euro. Diese staatlichen Beihilfen riefen die EU-Kommission auf den Plan, die eine Verzerrung des Wettbewerbs feststellte.
Sie genehmigte die Beihilfen schließlich 2004 unter der Auflage, dass das Land Berlin bis Ende 2007 seine 80,95 Prozent Anteile an der Bankgesellschaft verkaufe. Nach Auffassung des Landesvorsitzenden der Linkspartei Lederer erzwang die EU-Kommission damit den Verkauf der Sparkasse, denn sie ist der wertvollste Bestandteil der durch das Sparkassengesetz in Landesbank Berlin AG verwandelten Bankgesellschaft.

Doch der Senat hat niemals juristische und politische Ansätze gegen die Argumente der EU-Kommission entwickelt. Stattdessen hat er das Sparkassengesetz auf der Grundlage einer Expertise der mit dem Bundesverband deutscher Banken und vielen Großbanken über Beraterverträge eng verbundene Wirtschaftskanzlei Freshfields, Bruckhaus, Deringer verfasst.

Die Europaabgeordnete der Linkspartei Sarah Wagenknecht fragt zu Recht: „Warum hat man diese Mittel nicht gewerkschaftsnahen Juristen oder Stiftungen übergeben, mit dem Auftrag, juristische Wege ausfindig zu machen, wie in Berlin eine voll funktionsfähige und dem Gemeinwohl verpflichtende Sparkasse gerettet bzw. etabliert werden kann?“ Möglicherweise wäre dabei herausgekommen, dass die EU-Kommission die Sparkassenprivatisierung gar nicht zwingend vorschreibt.

Die EU-Kommission schrieb Wagenknecht, „dass das Land Berlin im Rahmen des Umstrukturierungsplans die Veräußerung der BGB einschließlich der Berliner Sparkasse vorgesehen hat“. Diese Umstrukturierungspläne gibt weder die Bundesregierung noch das Land Berlin zur Einsicht frei. Der EU-Kommission gehe es laut dem Sprecher des zuständigen EU-Kommissars McCreevy nur darum, im Falle eines Verkaufs sicherzustellen, dass für alle potentiellen Käufer die gleichen Bedingungen gelten.

Die Linke hätte die fatalen Folgen, die ähnliche Privatisierungsprojekte in Berlin mit sich brachten, öffentlich thematisieren und über Mobilisierung sozialer Bewegungen den nötigen Druck erzeugen können, um vergangene Entscheidungen zu korrigieren und eine andere Politik zu verfolgen. Doch die Führung der Berliner Linkspartei scheint gar keine andere Politik zu wollen.

Stattdessen spricht Lederer davon, dass Linke den „Trend in Richtung … Beteiligung privater Institutionen und Unternehmen“ als „Realität kommunaler Wirtschaftstätigkeit und Aufgabenerfüllung“ zu akzeptieren hätten. Seine Vorstellung, dass die Eigentums- und Rechtsform nicht entscheidend dafür sei, wie die Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigt werden können, bietet genügend Raum für eine Unterstützung von Privatisierungen durch die Linke.

Dabei sind die Folgen der Sparkassenprivatisierung voraussehbar: Stellenabbau, weniger Filialen und damit weniger Service für die 1,9 Millionen Kunden, deutlich mehr Menschen ohne Girokonto, weniger Kredite, noch höhere Überschuldung durch noch aggressivere Werbung für Kreditkarten und Privatkredite.

Zwar will der Senat durch Auflagen negative Folgen verhindern. Doch wird kaum ein privater Investor bereit sein, wie eine öffentlich-rechtliche Sparkasse zu arbeiten: er erwartet Gewinne.
Dass die Folgen nicht auf Berlin beschränkt bleiben, zeigen die Bemühungen des hessischen Ministerpräsidenten Koch, der Privatisierungen durch Änderung des Sparkassengesetzes ermöglichen will. Linkspartei und WASG Hessen unterstützten Proteste von Beschäftigten dagegen vor dem hessischen Landtag am 18. Januar.

Durch den geplanten Verkauf fallen die Berliner Genossen den Kollegen in Hessen in den Rücken. In wenigen Wochen stehen Oberbürgermeisterwahlen an und 2008 Landtagswahlen. Genüsslich wird Koch bei jeder Kritik an seinen Plänen auf Berlin zeigen.

Dort haben inzwischen außerparlamentarische Kräfte die Initiative ergriffen und planen ein Volksbegehren. Sie wollen den Verkauf an einen privaten Investor verhindern. Die Chancen, einen Volksentscheid im nächsten Jahr zu gewinnen, stehen ganz gut. Es hat sich herumgesprochen, dass Privatisierungen nichts Gutes bringen. Rückendeckung bekommen die Verkaufsgegner zudem durch ein neues Rechtsgutachten von Professor Nagel im Auftrag der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung. Nagel argumentiert, dass das Berliner Sparkassengesetz sowohl dem Aktien- als auch dem Kreditwesengesetz widerspricht. Der Bundestagsabgeordnete Herbert Schui (Linksfraktion) fordert deshalb, dass das Land Berlin von der Verkaufsvereinbarung mit der EU-Kommission zurücktritt.
Vielleicht tritt Oskar Lafontaines Kritik auch innerhalb der Mitgliedschaft der Linken eine breite Debatte über den geplanten Verkauf los, in deren Verlauf das Volksbegehren Unterstützer gewinnen kann.

Link für
Berliner Bündnis gegen Privatisierung
www.bmgev.de/privatisierung/buergerbuendnis/index.html