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Wirtschaft - BANKEN :
Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen sind in Gefahr. Sie haben
wirtschaftliche Probleme und einen mächtigen Gegner: Die EU besteht darauf,
privaten Investoren den Kauf von Sparkassen zu erlauben. Deren Verband wehrt
sich mit allen Tricks.
Das rote „S" mit dem Punkt darüber ist für die Deutschen mehr als
ein Logo. Das Symbol der Sparkassen - eine stilisierte Sparbüchse, in die eine
Münze fällt - gilt ihnen als Gütesiegel, das für die freundliche Bank um die
Ecke steht. Mit ihm verbinden die Menschen Vertrauen, Sicherheit und Wohlstand.
Knapp 98 Prozent der Bevölkerung kennen die Marke, deren Wert Experten gerade
auf rund 24 Milliarden Büro taxierten. Die Deutsche Bank bringt es gerade mal
auf 17,4 Milliarden.
Für Heinrich Haasis ist das rote „S" deshalb ein wichtiger
Vermögenswert. Der 61-Jährige führt seit Mai den mächtigen Deutschen
Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der die Rechte an dem Namen Sparkasse sowie
Schriftzug und Logo - noch - besitzt. Jetzt muss er um das Vermögen des
Ver-bandes bangen - und um die Zukunft des deutschen Sparkassenwesens.
Der Gegner heißt Charlie McCreevy, ist Ire und seit zwei Jahren EU-Binnenmarktkommissar.
Er will, so sieht es jedenfalls Haasis, den DSGV enteignen.
Für McCreevy ist der Name Sparkasse keine Marke, sondern eine Bezeichnung, so
wie das Wort „Bank" oder „Auto". Und eine Bezeichnung ist
gar nichts wert - jeder, der will, kann sie benutzen und nach Belieben damit
Geschäfte machen.
In Deutschland aber, so schreibt das Kreditwesengesetz vor, muss eine Sparkasse
öffentlich-rechtlich sein. Nur Institute, die Städten, Landkreisen, Gemeinden
oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen gehören, dürfen deshalb
bisher den Namen Sparkasse verwenden.
McCreevy will das ändern. Künftig sollen auch private Geldhäuser eine Sparkasse
kaufen und betreiben dürfen.
Für Haasis ist das ein Alptraum. Den 460 regionalen Instituten drohe dadurch
der Verlust ihrer Identität und ihrer über 200-jährigen Tradition, ja sogar
„die Zerschlagung" ihres Verbundes, poltert er.
Haasis hat mächtige Verbündete. Auch für Sozialdemokraten sind private
Sparkassen eine Horrorvision: Sollen künftig etwa kapitalmarktgetriebene
Shareholder-Value-Vertreter die Konten der kleinen Leute verwalten?
Noch ist das deutsche Kreditgewerbe strikt getrennt: Es gibt den
privatwirtschaft-lichen Sektor, angeführt von der Deutschen Bank, den
genossenschaftlichen der Volks- und Raiffeisenbanken - und die Sparkassengruppe
(siehe Grafik).
Kritiker, vor allem aus dem privatrechtlichen Lager, sehen in diesem
Drei-Säulen-Modell die Hauptursache für die Krise des deutschen Finanzgewerbes.
Die privaten Banken kommen im Inland nur auf 20 Prozent Marktanteil, sie seien
daher international nicht konkurrenzfähig. Notwendig sei eine Konsolidierung -
nicht nur innerhalb, sondern auch über die Grenzen der Sektoren hinweg. Sprich:
Private Banken müssen Sparkassen kaufen dürfen.
Nur öffentlich-rechtliche Sparkassen, argumentieren dagegen deren Anhänger,
garantierten eine kostengünstige und flächendeckende Versorgung auch
finanzschwacher Konteninhaber. Sie verweisen auf Länder ohne
öffentlich-rechtlichen Sektor, in denen Bankdienstleistungen wesentlich teurer
sind.
Anhänger des öffentlich-rechtlichen Kreditwesens finden sich auch in den
Verwaltungen von Ländern und Kommunen. Die Sparkassen bescheren ihnen nicht nur
erheblichen Einfluss, sondern auch hoch dotierte Posten. Diese Zuneigung hat
sich allerdings eingetrübt, seit es auch bei vielen Sparkassen wirtschaftlich
nicht zum Besten steht: Manche Kommune würde ihr Institut, wenn sie denn
dürfte, am liebsten loswerden.
Die missliche Lage der Sparkassen tritt immer deutlicher zutage: Zwar
verkündete Haasis' Vorgänger Dietrich Hoppenstedt noch im März dieses Jahres
einen urn 20 Prozent gestiegenen Gewinn von 4,8 Milliarden vor und 2,3
Milliarden Euro nach Steuern.
Doch beruht die Steigerung vor allem auf einer geringeren Risikovorsorge, nicht
aber auf höheren Erträgen. Und auch die absolute Zahl beeindruckt wenig, wenn
man bedenkt, dass die Sparkassen über 48 Milliarden Euro Eigenkapital verfügen.
Allein die Verzinsung dieses Kapitals bringt bei einer unterstellten Rendite
von nur 5 Prozent 2,4 Milliarden. Mit ihren 50 Millionen Kunden haben die
Sparkassen also nur die Hälfte ihres Vorsteuergewinns verdient - knapp 50 Euro
pro Kunde. In einigen Sparkassenverbänden liegen die Erträge zum Missfallen der
Bankenaufsicht nach Risikovorsorge sogar unter einem Prozent der Bilanzsumme.
Den Kämmerern einiger Städte bereitet auch Kopfschmerzen, dass sie mit ihrer
Sparkasse über den Haftungsverbund mitzahlen, wenn 500 Kilometer weiter eine
andere Sparkasse in finanzielle Not gerät. Deshalb mahnen sie zu Reformen -
bisher jedoch ohne Erfolg.
Auf Dauer aber führt daran kein Weg vorbei. Mit 460 quer über die Republik
verteilten Sparkassen samt ihren 14000 Filialen kann man zwar 50 Millionen
Kunden betreuen. Da jeder Kunde derzeit jedoch im Schnitt nur 2,1 Produkte aus
dem DSGV-Angebot nutzt, sind die Kosten für den Aufwand viel zu hoch.
Nichts fürchten die Sparkassenvorstände vor diesem Hintergrund mehr als einen
privaten Konkurrenten, der. wie es viele Länder- Sparkassengesetze vorschreiben
, auch das Girokonto für jedermann anbietet, seinem Auftrag für das Gemeinwohl
nachkommt - und obendrein mehr Geld verdient.
Die Folge nämlich wäre, dass die Kämmerer zahlreicher Städte und Gemeinden die
Erträge ihrer Sparkassen viel genauer unter die Lupe nähmen. „Die Zeiten,
in denen die öffentlich-rechtlichen Banker beschaulich und ohne
Rechtfertigungsdruck wirtschaften konnten, wären dann vermutlich vorbei",
konstatiert ein Beamter des Bundesfinanzministeriums.
So gesehen wäre der erste Verkauf an einen privaten Investor im Katechismus der
Sparkassen nicht nur der Sündenfall -er hätte unweigerlich auch die Vertreibung
aus dem Paradies zur Folge.
Der Präzedenzfall, an dem sich das Schicksal der Sparkassen entscheiden könnte,
ist der Verkauf der Berliner Bankgesellschaft, zu der die Berliner Sparkasse
gehört. Er strahlt aus auf die generelle Diskussion um Sinn oder Unsinn des
Kreditwesengesetzes - und dessen europarechtliche Zulässigkeit.
Der Fall reicht zurück ins Jahr 2000. Damals geriet die Bankgesellschaft durch
ein eklatantes Missmanagement in eine massive Schieflage. Nur durch eine
sofortige Geldspritze von 1,8 Milliarden Euro aus Steuergeldern und eine
Bürgschaft des Landes für Immobilienrisiken in Höhe von 21 Milliarden konnte
das Institut vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet werden.
Die EU genehmigte diese Beihilfen, forderte jedoch im Gegenzug den
„transparenten und diskriminierungsfreien Verkauf" des gesamten
Instituts bis Ende 2007. Das heißt: Private und öffentlich-rechtliche Banken
müssen in der Auktion - und später beim Betreiben der Bank - gleich behandelt
werden. Sollte diese Auflage durch Gerichtsverfahren verzögert werden, könnte
Brüssel verlangen, dass die Beihilfen zurückbezahlt werden. Die
Bankgesellschaft Berlin wäre dann erneut am Rande des Ruins.
Das Bundesland Berlin hat deshalb sein Sparkassengesetz so geändert und
aufgeweicht, dass auch private Investoren die Berliner Sparkasse kaufen und
betreiben können - was aus Sicht der klammen Hauptstadtpolitiker zudem Sinn
macht.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Finanzsenator Thilo
Sarrazin verkünden lautstark, der private Käufer könne den Namen Sparkasse
verwenden. Denn das erhöht die Zahl der Bieter - und damit den Preis, den der
Senat bei der Aktion erzielen kann.
Die Bankenaufsicht sieht das freilich anders: Sie hat bereits mehrfach
signalisiert, dass ein privater Investor keine Sparkasse betreiben dürfe.
Deshalb reichte die Landesbank Berlin, zu der die Berliner Sparkasse gehört,
beim Landgericht eine Klage ein: Die Richter sollten vorab schon einmal
klarstellen, dass jeder Käufer den Namen Sparkasse und das rote „S"
nach der Privatisierung weiter nutzen darf.
Haasis und sein DSGV konterten. Sie teilten der Berliner Sparkasse erst einmal
mit, dass sie in ihren Augen wegen des neuen Gesetzes schon gar keine Sparkasse
mehr und deshalb auch nicht mehr Mitglied im DSGV sei.
Zudem forderte der DSGV die Richter im Gegenzug auf, festzustellen, dass der
Raus-schmiss rechtens ist, und zu verfügen, dass die Berliner Sparkasse den
Schriftzug und das Logo schon heute nicht mehr verwenden darf. Außerdem
kündigte der Verband an, selbst die Bankgesellschaft kaufen zu wollen.
Gleichzeitig bereiteten die Sparkassen die nächste Attacke vor: Die Nord/LB,
eine öffentlich-rechtliche Landesbank, hält nämlich ein zehnprozentiges Paket
an der Bankgesellschaft - und der DSGV einigte sich mit dem Institut, den
Anteil zu übernehmen. „Zu marktüblichen Preisen", wie Manager aus
dem Sparkassenlager stolz versichern.
Für den DSGV aber ist der Anteil deutlich mehr wert, wie aus einer Vorlage des
DSGV öK, einer Tochtergesellschaft des Verbandes, für dessen Versammlung am 28.
Juli in Stuttgart hervorgeht. Darin schätzen die Funktionäre die Chancen, auch
die 81 Prozent des Landes Berlin an der Bankgesellschaft übernehmen zu können,
als gut ein: „Das gilt insbesondere, wenn der DSGV öK den 10%-Anteil an
der Nord/LB vorab erwirbt."
Dieser Anteil, heißt es in dem Schreiben, würde die Position des DSGV gegenüber
normalen Aktionären deutlich stärken und zu einem „erheblichen
Lästigkeitswert" führen. So könnte ein so genannter Squeeze-out, ein
Aufkauf sämtlicher Aktien, blockiert werden.
Die Pläne des DSGV veranlassten die Beamten in Brüssel zu einem harschen Brief
an Steinbrück. Darin beklagen sie, dass ein Vorabkauf des 10-prozentigen
Anteils andere Bieter um das 81-Prozent-Paket diskriminieren könnte - was ja,
wie aus der Vorlage hervorgeht, genau die Absicht des DSGV ist. Von einer
Wirtschaftlichen Begründung für den Kauf ist in der Vorlage jedenfalls kaum die
Rede.
Das Ministerium leitete den Brief postwendend an den DSGV weiter, und der ließ
das längst verschickte, verräterische Dokument unmittelbar vor der Sitzung
einkassieren und durch eine entschärfte Version ersetzen.
Das ruppige Vorgehen des DSGV nervte Steinbrück, der den DSGV-Chef am Telefon
deshalb zur Mäßigung mahnte. Denn die Störfeuer der Funktionäre erschweren
seine Bemühungen, mit Brüssel einen Kompromiss zu vereinbaren.
Berlin, so machte der Minister den EU-Beamten deutlich, sollte eine Art
Sonderfall sein. Er schlug vor, dass seine Fachbeamten die ihnen unterstellte
Bankenaufsicht schriftlich anweisen, dem Institut die Verwendung des Namens
„Berliner Sparkasse" zu gestatten, „unabhängig davon, ob die
Anteile an der Bankgesellschaft Berlin AG von einer öffentlichen Institution
oder einem privaten Investor erworben werden".
Gleichzeitig bot er der Kommission an, den Begriff
„öffentlich-rechtlich" nicht mehr an die Eigentümerschaft zu
knüpfen, sondern an bestimmte Merkmale. Dazu gehört beispielsweise, dass die
Sparkassen die Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen
sicherstellen.
Außerdem sollten die Sparkassen dazu gezwungen werden, auch nach einer
Privatisierung überwiegend regional tätig zu sein und ihren Gewinn
ausschließlich gemeinnützig zu verwenden. All diese Merkmale gelten, in
unterschiedlichen Formulierungen, in den meisten, aber nicht in allen
Sparkassengesetzen der Länder.
Am Montag vergangener Woche ging die Antwort in Berlin ein. Die Brüsseler
Beamten lehnen die Vorschläge rundherum ab. Sie sehen nach wie vor eine
Diskriminierung von privatisierten Sparkassen, da für diese - in einem
Bundesgesetz - nun Regeln gelten sollen, die teilweise strenger sind als die
Bestimmungen in den für öffentlich-rechtliche Sparkassen gültigen
Landesgesetzen.
Eine mögliche Kompromisslinie ist nun, im Kreditwesengesetz nicht zwischen
kommunalen und privaten Sparkassen zu unterscheiden - sondern von einer
Sparkasse lediglich zu verlangen, dass sie die jeweiligen
Landessparkassengesetze befolgt.
Mit McCreevy wäre das vermutlich zu machen, heißt es im Ministerium,
schließlich habe der Kommissar bereits explizit anerkannt, dass der
„Schutz des Namens Sparkasse wegen des Gemeinwohlauftrages dieser
Banken" begründet sei. Nur dürfe dieser Auftrag eben nicht an die
Eigentümerschaft gekoppelt werden.
Für Haasis und seinen Verband aber wäre ein solcher Kompromiss eine schwere
Niederlage.
WOLFGANG REUTER
Aus DER SPIEGEL 33/2006
(Seiten 68 - 70)