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Neue Struktur für die Wasserwirtschaft

Vorstoß der Wirtschaftsminister / Branche gegen Ausschreibungszwang
 

ami. BERLIN, 17. Dezember. Die Wirtschaftsminister der Länder unternehmen einen neuen Vorstoß zur Liberalisierung und Neustrukturierung der deutschen Wasserwirtschaft. Auf ihrer Tagung in Bad Dürkheim sprachen sie sich kürzlich für eine Angleichung der steuerlichen Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen in der Wasserversorgung und -entsorgung aus, für eine bundeseinheitliche Pflicht zur Ausschreibung von Versorgungsaufträgen an Dritte sowie für die Einführung von Kennziffern für einen Leistungsvergleich der überwiegend kommunal geführten Betriebe. Die im Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) organisierte Branche wies Forderungen nach Ausschreibungspflicht und einer Pflicht zum "Benchmarking" umgehend zurück. Dagegen begrüßte der BGW die geforderte Gleichbesteuerung privater und öffentlicher Unternehmen.

Der von der Länder-Arbeitsgruppe "Neustrukturierung der Wasserwirtschaft" ins Auge gefaßte reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent im Trink- und Abwasserbereich wird in dem Ministerbeschluß nicht explizit genannt. Bisher müssen private Anbieter im Abwasserbereich 16 Prozent Mehrwertsteuer zahlen, öffentliche Unternehmen müssen keine Mehrwertsteuer zahlen, da sie hoheitlich tätig sind.

Die Arbeitsgruppe weist in ihrer Vorlage darauf hin, daß die Wirtschaftsressorts rechtlich nur beschränkt für die asserwirtschaft zuständig seien.Erfolge bei der seit Jahren debattierten Neuordnung der in je 6000 bis 7000 Wasserver- und Abwasserentsorger zersplitterten Branche seien "höchstens in kleinen Schritten zu erzielen". In der vergangenen Legislaturperiode hatte das Bundeswirtschaftsministerium einen ersten Anlauf zur Liberalisierung der Wasserwirtschaft nach Telekommunikation, Strom, Gas und Post unternommen, war aber unter anderem am Widerstand der Kommunen und ihrer Unternehmen, der Innenminister der Länder, der Gewerkschaften, Naturschützer und Bundestagsabgeordneter gescheitert.

Der Vorschlag der Wirtschaftsminister konzentriert sich nun darauf, die Wirtschaftlichkeit der bestehenden Unternehmen zu stärken. Ziel bleibe "eine deutsche Wasserwirtschaft auf hohem Niveau, bei der nach wie vor kommunale Unternehmen Bestand haben können, aber daneben auch grundsätzlich private Betreiber verstärkt Gelegenheit erhalten sollen, ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen", heißt es in dem Papier.

Eine einheitliche Besteuerung erleichtere etwa die Bildung größerer Einheiten. Größere, auch in kommunalem Besitz stehende Unternehmen fänden einen besseren Zugang zu den internationalen Märkten. Die Einbindung privater Anbieter bei der teuren Sanierung der öffentlichen Abwasser- und Kanalnetze könne auch zur Entlastung der öffentlichen Haushalte sinnvoll sein, heißt es in dem Papier weiter: "Private können flexibler auf die Kapitalmärkte reagieren und teilweise bessere Konditionen erzielen."

Zwar sei Wasser ein lebensnotwendiges Gut und müsse bestimmten Hygiene- und Umweltschutzanforderungen gerecht werden. Das stehe einer wettbewerblichen Marktöffnung aber nicht grundsätzlich entgegen, stellt die ministerielle Arbeitsgruppe fest und weist Kritiker aus dem Umwelt- und Gesundheitsbereich zurück. Dabei präferieren die Minister ein Konzept von mehr "Wettbewerb um den Markt". Kommunen, die das Versorgungsmonopol befristet an Dritte vergeben wollten, sollten zur öffentlichen Ausschreibung verpflichtet werden. Den Zuschlag müsse der Anbieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot erhalten. In einer langen Liste von Kriterien für die Ausschreibung wird eine Vertragslaufzeit von maximal l5 Jahren empfohlen. Rechtlich geregelt werden sollte dies nach Auffassung der Wirtschaftsminister im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

Um den Vergleich von Leistung und Effizienz der verschiedenen Anbieter zu erleichtern, plädieren die Minister zudem für einen brancheninternen Kennziffernvergleich (Benchmarking). Die Strompreisaufsicht der Länder habe dies bereits mit großem Erfolg eingesetzt. In der Branche wird das Benchmarking-Konzept dagegen mit Skepsis betrachtet, vor allem, wenn es für alle Unternehmen verpflichtend würde. "Nur durch ein freiwilliges und damit vertrauliches Benchmarking könnte man erreichen, daß Unternehmen tatsächlich voneinander und vom Besten lernen", stellte der BGW dazu fest.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.2002, Nr. 294 / Seite 13