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Oberhessische Zeitung vom 11.12.2007
Stromriesen lehnen Verkauf von Beteiligungen an Stadtwerken ab
Mehr Wettbewerb auf Energiemarkt - Neue Strategie: Kartellamt setzt
auf vertikale Entflechtung
BONN (dpa). Die Energieriesen Eon, RWE, Vattenfaü und EnBW sollen
sich nach Plänen des
Bundeskartellamts von ihren Beteiligungen an Stadtwerken trennen. Eine
Entbündelung sei der juristisch leichtere Weg als die von der EU
vorgeschlagene Abspaltung der Netze, um einen besseren Wettbewerb auf
dem Energiemarkt zu erreichen, sagte eine Sprecherin des Kartellamts in
Bonn. Die gesetzliche Grundlage für die Abspaltung der Stadtwerke
könnte bei der nächsten Regulierung des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgenommen werden. Dies
würde aber frühestens nach der nächsten Bundestagswahl
ab 2010 geschehen.
Die vier Versorger sind an mehreren Hundert der insgesamt rund 1000
kommunalen Versorger beteiligt. Vertreter der deutschen
Energiewirtschaft lehnten den Vorstoß umgehend ab.
Die neue Strategie des Kartellamtes markiert einen Wendepunkt. Zuvor
hatten die Wettbewerbshüter eine eigentums-rechtliche Entflechtung
nur als ultima ratio gelten lassen. Bei den Stadtwerksbeteiligungen
liege der Fall anders, weil diese nicht zum Kerngeschäft der
Versorger gehörten, sagte Kartellamtspräsident Bernhard
Heitzer der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". „Diese vertikale
Entflechtung bietet die Chance für mehr Wettbewerb, 'ohne dringend
notwendige Investitionen in Netze und Kraftwerke zu gefährden."
Der hohe Beteiligungsbesitz der Energiekonzerne sei eines der
größten Hindernisse für mehr Wettbewerb auf den
Endkundenmärkten.
RWE wies die Pläne zurück: „Aus unserer Sicht bietet das
geltende Kartellrecht bereits heute hinreichende Instrumentarien zum
Schutz eines funktionierenden Wettbewerbs", sagte eine RWE-Spre-cherin
in Essen. Eingriffe in die Unternehmenssubstanz stießen auf
verfassungsrechtliche Bedenken.
Zudem seien alle Beteiligungen an Stadtwerken vom Kartellami
geprüft worden, sagte sie. RWE ist an 120 Stadtwerken beteiligt,
hält nach Angaben der Sprecherin aber nur an weniger als zehn die
Mehrheit. Der Versorger EnBW nannte den Plan der Bonner Behörde
„nicht nachvollziehbar". Das Unternehmen halte an rund 40 Stadtwerken
nur Minderheitsbeteiligungen und nur bei den Stadtwerken
Düsseldorf die Mehrheit. Die unternehmerische Führung liege
daher bei " den Stadtwerken und nicht bei EnBW, sagte ein Sprecher. Auf
die Preisgestaltung nehme der Konzern keinen Einfluss. Eon und
Vattenfall äußerten sich nicht.
Bedenken äußerte auch der Verband kommunaler Unternehmen
(VKU), in dem die Interessen der Stadtwerke gebündelt sind. „Ein
Zwangsverkauf ist ein schwerer Eingriff in die Eigentumsrechte", sagte
eine Sprecherin. Der Wettbewerb werde zudem durchEngpässe bei der
Stromerzeugung behindert, nicht durch den Vertrieb. Sie warnte vor
Übernahmen von Stadtwerken durch ausländische Investoren.
Unternehmen wie Gazprom hegten Pläne für einen Einstieg in
das deutsche Endkundengeschäft. „Da stellt sich die Frage, ob dies
gewünscht ist."
Der Regionalversorger MVV Energie nannte den Vorschlag des
Bundeskartellamts „hochinteressant", äußerte aber Zwei-, fei
an der Umsetzung. Klar sei, dass dadurch der Wettbewerb verbessert
werden würde, sagte ein MW-Sprecher. Die Stadtwerke gelten als
Schlüssel für den Zugang zum Endkunden. Neben
ausländischen Konzernen und MVV Energie haben auch
Finanzinvestoren Interesse an kommunalen Versorgern angemeldet.