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Immer mehr Stromhändler geben auf

Best Energy wickelt Geschäft ab / Klage über hohe Netzgebühren / Neue Anbieter hoffen auf die Regulierungsbehörde

Fünf Jahre nach Beginn der Liberalisierung auf dem Strommarkt ist die Auswahl für deutsche Haushalte so klein wie schon lange nicht mehr. Zahlreiche neue Anbieter sahen für sich unter den herrschenden Wettbewerbsbedingungen keine Chance und gaben frustriert auf.

VON OLIVER RISTAU

Pleiten im deutschen Strommarkt (FR-Infografik)

Hamburg · 28. Dezember · Ares, Abos, Deutsche Strom, Riva, Zeus: die Liste der Pleiten in Deutschlands jungem freiem Strommarkt ist lang. Nun kommt noch die Berliner Best Energy dazu, mit 230 000 Kunden immerhin einer der größten neuen Stromanbieter, den es je in Deutschland gab. Für schwarze Zahlen hat es trotzdem nicht gereicht. Auf einen zweistelligen Millionenbetrag beliefen sich zuletzt die Verluste.

"Hohe Netznutzungsentgelte und staatliche Abgaben wie Erneuerbare-Energien-Gesetz, Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und Ökosteuer belasten den Strompreis und schmälern die Wechselbereitschaft der Stromverbraucher", heißt es auf der Homepage der hundertprozentigen Bewag-Tochter, die ihren Geschäftsbetrieb 2004 einstellen wird. Wann genau, ist noch offen. Bis dahin wird abgewickelt. "Geordneter Marktrückzug", heißt die offizielle Devise. Alle vertraglichen Verpflichtungen sollen erfüllt werden. Das Image des Mutterkonzerns, Bewag gehört zu Vattenfall Europe, soll nicht beschädigt werden.

Inklusive der Liquidierung von Best Energy sind von den Insolvenzen auf dem deutschen Strommarkt 600 000 Kunden betroffen. Nach Schätzung des Bundesverbandes Neuer Energieanbieter (BNE) entspricht das knapp 30 Prozent aller rund 2,2 Millionen Kunden, die bislang ihren Stromversorger gewechselt haben.

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Was tun, wenn der Stromanbieter Pleite geht ?

- Stellt ein Energieversorger einen Insolvenzantrag, ist die Gefahr groß, dass er früher oder später keinen Strom mehr liefert. Kunden sollten daher vorsichtig mit Vorauszahlungen sein. Es gibt keine Geld-zurück-Garantie.

- Da es in Deutschland eine Versorgungspflicht des örtlichen Netzbetreibers gibt, wird bei keinem Kunden das Licht ausgehen. Jeder wird im Notfall automatisch vom Platzhirsch - zumeist der Monopolist aus früheren Zeiten - weiterversorgt. • In den meisten Fällen ist der Kunde dann allerdings für eine gewisse Zeit - nicht selten ein Jahr - an den neuen Energieversorger gebunden. Wer das vermeiden will, muss zuvor zu einem Anbieter seiner Wahl wechseln. Oftmals kann dieser eine Übereinkunft mit dem gestrauchelten Unternehmen erzielen.

- Bei Best Energy sind die Kunden über das Ende der Versorgung rechtzeitig von ihrem Anbieter informiert worden. Das lag daran, dass die Gesellschaft nicht Insolvenz anmelden musste, sondern von ihrem Eigentümer im Laufe des kommenden Jahres aufgelöst wird. In solchen Fällen hat der Kunde Zeit, sich um einen neuen Versorger zu bemühen, bevor er automatisch an seinen Altversorger zurückfällt. ori
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"Für die neuen Anbieter hat es an politischer Unterstützung gefehlt", nennt BNE-Geschäftsführer Henning Borchers einen Grund für diesen Misserfolg. Denn im Zentrum deutscher Energiepolitik habe der Aufbau schlagkräftiger Großkonzerne gestanden. Die Regierung versuche die hiesige Stromwirtschaft so vor Übernahmen aus dem Ausland zu schützen - aus Sorge um die Eigenständigkeit der hiesigen Energiewirtschaft und die Versorgungssicherheit im Land. Ohne wettbewerbsfreundliche Bedingungen am Markt war es für die freien Stromanbieter aber kaum möglich, im Dschungel von über 900 Stadtwerken erfolgreich zu sein, die ihr angestammtes Monopol mit allen Mitteln verteidigten.

"Viele der Neuen haben den bürokratischen Aufwand und die Höhe der Netzkosten unterschätzt", erläutert BNE-Chef Borchers. So musste für jeden einzelnen Haushaltskunden ein eigener Antrag zur Netznutzung gestellt werden. "Das hat zum Teil Monate gedauert", so der BNE-Geschäftsführer und frühere Best-Energy-Chef. Außerdem waren die Kosten der Netznutzung häufig so üppig kalkuliert, dass die neuen Anbieter kaum wettbewerbsfähige Preise anbieten konnten. Taten sie es in der Hoffnung auf bessere Zeiten doch, fuhren sie Verluste ein - bald rückte die erste Pleite auf die Tagesordnung.

Zwar hat das Bundeskartellamt seit 2001 mehrere Dutzend Ermittlungen gegen die alteingesessene Stromwirtschaft eingeleitet. Doch das wirkte nur wie der Tropfen auf dem heißen Stein. Die Netzpreise sanken nur in Einzelfällen.

Nicht zuletzt deshalb ist auch die Situation bei Yello, dem unter Marketinggesichtspunkten erfolgreichsten Herausforderer der etablierten Anbieter, alles andere als rosig. Die Kölner gaben dem Strom eine Farbe und angelten sich mit aufwendigen Werbekampagnen für ihren "gelben" Strom rund eine Million Kunden. Ökonomisch allerdings sind sie längst zu einem Sorgenkind für den Mutterkonzern, die Karlsruher EnBW, geworden: Yello soll in der kurzen Firmengeschichte einen Verlust von mehr als 500 Millionen Euro erzeugt haben.

Anders als beim ruinösen Haushaltsstrom haben neue Anbieter im Geschäft mit dem Mittelstand Fuß fassen können. Trotz aller Hindernisse lohne sich der Einsatz dort auf Grund der nachgefragten Menge weit mehr, sagt Michael Baumgärtner, der Chef von Watt Deutschland. Im Geschäft mit der mittelständischen Wirtschaft hätten sich einige wenige Neulinge einen Marktanteil von rund fünf Prozent sichern können. Den Löwenanteil liefere jedoch weiterhin eine alte Garde, die zur Wahrung ihrer Marktanteile gerne auf üppige Erlöse aus dem Netzbetrieb zurückgreife. "Damit subventioniert manch ein Stromkonzern seinen defizitären Stromvertrieb", sagt Baumgärtner. Neue Anbieter blieben so außen vor. Daher sei die Regulierungsbehörde für den Strommarkt, die am 1. Juli 2004 mit ihrer Arbeit beginnen soll, so wichtig. "Wenn die Regulierung nicht einschneidende Verbesserungen bringt, bedeutet das das schleichende Aus für den Wettbewerb", fürchtet der Watt-Manager.

Bis dahin, so BNE-Chef Borchers, werden die Großkonzerne sich noch einmal bedienen: "Die Arbeit der neuen Behörde wird sich wohl erst ab 2005 bemerkbar machen. Bis dahin bleibt für die Konzerne noch Zeit für Preiserhöhungen."

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2003
Dokument erstellt am 28.12.2003 um 18:24:01 Uhr
Erscheinungsdatum 29.12.2003
 

KOMMENTAR : Kurzschluss

VON OLIVER RISTAU

Fünf Jahre Wettbewerb in der Energiebranche: Die Großen sind noch größer geworden, ihre neu am Markt aufgetauchten Herausforderer im Zweifel pleite. Der Pseudo-Wettbewerb hat uns Giganten wie Eon und RWE beschert, frischen Saft von neuen Anbietern dagegen schnell versiegen lassen.

Das war politisch so gewollt: Deutschlands Marktführer brauchen sich heute vor keiner fremden Übernahme mehr zu fürchten. Das machen sie im Zweifel lieber selber.

Nur der Verbraucher wurde dabei vergessen. Zu merken ist das zum Monatswechsel wieder, wenn die Versorger ihre Stromkunden mit saftigen Tariferhöhungen ins neue Jahr schicken. Bei den Strompreisen ist Deutschland wieder da, wo es in Europa am Anfang der Liberalisierung stand: hoch oben.

Das deutsche Strom-Oligopol macht es möglich. Das könnte sogar im nächsten Jahr noch eine Fortsetzung finden, befürchten viele. Denn bevor die Regulierungsbehörde Mitte 2004 ihre Arbeit aufnimmt, um den Netzbetreibern auf die Finger zu schauen, lassen sich noch mal ungehindert höhere Preise durchsetzen. Der Energieriese Eon hat das schon getan und steigende Netzgebühren fürs nächste Jahr angekündigt.

Deshalb ist es zum Erhalt der Restvitalität des Marktes überlebenswichtig, dass die neue Regulierungsbehörde für den Strommarkt pünktlich mit ihrer Arbeit beginnt und schlagkräftig wird. Sie muss weit mehr Kompetenzen bekommen als das tapfere Bundeskartellamt, das zwar die Fahne des Wettbewerbs hochhielt, aber mangels Befugnissen und Personal kaum die Phalanx der Blockierer hat durchbrechen können. Ein starker Regulierer muss dafür sorgen, dass der Konkurrenzkampf auf dem Strommarkt fair ausgetragen wird. Dann gibt es in ein bis zwei Jahren vielleicht wieder neue Anbieter, die risikobereit genug sind, um es hier zu Lande mit den etablierten Lieferanten aufzunehmen.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2003
Dokument erstellt am 28.12.2003 um 18:24:06 Uhr
Erscheinungsdatum 29.12.2003