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Frankreich steht vor hartem Machtkampf -

Massive Streiks im öffentlichen Dienst sollen Privatisierungen stoppen

Mit einer Streikwelle im öffentlichen Dienst wollen die Gewerkschaften in Frankreich den Druck auf die Regierung um Premier Jean-Pierre Raffarin erhöhen. Grund für die Proteste sind geplante Privatisierungen, stockende Gehaltsverhandlungen und der schwelende Streit über die 35-Stunden-Woche.

VON HANS-HELMUT KOHL

Paris · 17. Januar · Die große Streikaktion soll nach dem Willen der Gewerkschaftern am heutigen Dienstag beginnen. Angesichts der Konzentration der Proteste hat der Regierungschef "Standfestigkeit" angekündigt. Beim Budget 2005 sei die Regierung, so Raffarin, "bis zum Maximum dessen gegangen, was ihr angesichts der schwierigen Bedingungen möglich" gewesen sei. Der für den öffentlichen Dienst zuständige Minister Renaud Dutreil kündigte an, die staatlichen Bediensteten erhielten während der Streiks kein Gehalt: "Man bezahlt keinen Beamten, wenn die Arbeit nicht gemacht wird."

Den Auftakt machten am Montag Krankenhausbelegschaften mit einem Aktionstag. Gleichzeitig begann ein 24-stündiger Ausstand beim Strom- und Gasmonopolisten EDF-GDF, zu dem sich am Dienstag die Postbediensteten gesellen. Während bei dem Energiegiganten die Privatisierungs- und Liberalisierungspläne der Regierung im Fokus der Proteste stehen, wenden sich die Postgewerkschaften gegen die geplante Gründung einer Postbank, deren Kapital Privatanlegern offen stehen wird. Nach Ansicht der Gewerkschaften kann die Ausgliederung der Bankgeschäfte "tausende von Arbeitsplätzen" im normalen Postbetrieb kosten.

Eisenbahnverkehr gefährdet

Massive Behinderungen werden vom landesweiten Streik der Eisenbahner am Mittwoch ausgehen, die - neben dem Protest gegen die Streichung von 3590 Stellen im laufenden Jahr - für den Erhalt des öffentlichen Dienstes eintreten. Ebenfalls am Mittwoch werden mehrere tausend Chirurgen, Notärzte und Psychiater an den staatlichen Krankenhäusern streiken: Sie fordern höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen. Die fünf Millionen Lehrer und Beamten des öffentlichen Dienstes Frankreichs sind für Donnerstag zum Streik aufgerufen. Ihre Gehaltsverhandlungen scheiterten im Dezember, als Minister Dutreil lediglich ein Prozent Steigerung anbot und zugleich erklärte, die Beamten erhielten durch Höhergruppierungen tatsächlich 3,1 Prozent mehr. Die Lehrer kritisieren die Streichung von 5500 Stellen im Budget 2005.

Regierung und Gewerkschaften erwarten sich von der Streikwelle Aufschluss über die Kräfteverhältnisse in den anstehenden sozialen Konflikten. Im Hintergrund der Streiks steht die grundsätzliche Auseinandersetzung über die von der sozialistischen Regierung Jospin vor fünf Jahren gesetzlich eingeführte 35-Stunden-Woche. Das Kabinett Raffarin will diese Regelung zwar nicht abschaffen, plant aber eine Vielzahl von Flexibilisierungen und Abschwächungen, was auf den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften stößt. Sie haben für den 5. Februar zusätzlich zu einem landesweiten Aktionstag aufgerufen.

In einer Repräsentativumfrage erklärten 65 Prozent aller Befragten Franzosen, sie unterstützten die Streiks im öffentlichen Dienst.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2005
Dokument erstellt am 17.01.2005 um 17:32:19 Uhr
Erscheinungsdatum 18.01.2005