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Gerangel um Sparkasse Stralsund geht weiter

Rückschritt bei Fusionsverhandlungen / Immer mehr öffentlich-rechtliche Institute suchen in Zusammenschlüssen ihr Heil

"Die Bürgerschaft spielt mit dem Feuer", schimpft Sigrid Keler. Die SPD-Finanzministerin Mecklenburg-Vorpommerns ärgert sich über den Beschluss des Stadtparlaments von Stralsund, die weit fortgeschrittenen Fusionsverhandlungen neu zu starten.

VON HERMANNUS PFEIFFER

Hamburg · 4. März · Zu einer gewissen bundesweiten Berühmtheit gelangte das kleine Kreditinstitut an der Ostsee durch CDU-Bürgermeister Harald Lastovka, der die Sparkasse Stralsund als erste in Deutschland privatisieren wollte. Die Pläne scheiterten am Widerstand von örtlicher Bürgerinitiative und rot-roter Landesregierung. Am Donnerstagabend stimmte die Bürgerschaft nun erneut über die Zukunft des Instituts ab: Es ging um die Frage "Fusion oder Eigenständigkeit?" - eine grundsätzliche Entscheidung, vor der viele Sparkassen in ganz Deutschland stehen.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion plädiert vehement für die Fusion der Sparkasse Hansestadt Stralsund (SHS) mit der größeren Sparkasse Vorpommern aus Greifswald, die selbst vor fünf Jahren aus einer Fusion hervorgegangen war. Fraktionschef Hans-Walter Westphal verweist auf ein Gutachten, demzufolge die Sparkasse allein nicht überlebensfähig sei. Die SPD ist in der Bürgerschaft jedoch nur Nummer drei und hat keine Mehrheit. Diese hätte durch die zweitstärkste Fraktion, die der PDS, zusammen kommen können, deren Mitgliederversammlung sich für eine Fusion ausgesprochen hatte.

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S-Gruppe im Wettbewerb

Die ostdeutschen Sparkassen blicken auf das erfolgreichste Jahr seit 1997 zurück. Insgesamt erwirtschafteten die 63 Kreditinstitute 2004 ein Betriebsergebnis von 1,25 Milliarden Euro.

Bei den Kosten schneiden die Sparkassen ebenfalls gut ab: Ihre Aufwendungen verschlingen nur 60 Prozent der Einnahmen. Sie müssen also nur 60 Cent aufwenden, um einen Euro zu verdienen. Diese so genannte Cost-Income-Ratio liegt bei den ostdeutschen Sparkassen deutlich niedriger als etwa bei der Deutschen Bank, die das Aufwands- Ertrags-Verhältnis mit 79,4 Prozent angibt.

"Wir liegen damit auf einem Niveau, das Spitzeninstitute der internationalen Bankenwelt vorweisen", freut sich Rainer Voigt, Geschäftsführender Präsident des ostdeutschen Sparkassenverbandes OSGV. hp
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Eine behördliche Analyse nennt weitere Vorteile: So würde die SHS "Bestandteil einer leistungsfähigen Sparkasse" und könnte höhere Risiken tragen; eine Großsparkasse wäre besser in der Lage, die verschärften Normen der Bankaufsicht ("Basel II") zu erfüllen. Der Ostdeutsche Sparkassenverband verweist auf die anstehende Gebietsreform im Bundesland, die größere Einheiten auch bei den Sparkassen erfordere.

An den Risiken scheiden sich die Geister. Der kommunale Einfluss schwindet ebenso wie die Arbeitsplätze. In Stralsund würden nach einer Fusion von 150 Beschäftigten nur 106 verbleiben - aber auch ohne Fusion dürften viele Jobs verschwinden. Zudem kommt statt einer ursprünglich gewünschten 20-Prozent-Beteiligung nur noch eine von rund elf Prozent in Frage, weil der 60 000-Einwohner-Stadt das Geld fehlt. Andererseits verweigerten die Vorpommern angeblich eine Einsicht in ihre Bücher, was in Greifswald heftig bestritten wird.

Bürgermeister Lastovka, der mit der CDU für Eigenständigkeit plädiert, schmiedete erfolgreich eine Koalition, unter anderem mit der eigentlich fusionsfreudigen PDS, um die Fusion erst mal auf die lange Bank zu schieben. Die bereits abgeschlossenen Verhandlungen sollen nach dem Willen der Bürgerschaft neu aufgenommen werden. Eine erboste Finanzministerin Keler will nun die Finanzaufsicht schicken.

Die Kontrolleure werden sich den Weg wohl sparen können, denn selbst Politprofi Lastovka wird die Fusion nicht dauerhaft hintertreiben können. Experten sehen die SHS "ziemlich weit hinten" beim Vergleich mit anderen ostdeutschen Sparkassen. Bundesweit bereiten sich 500 öffentlich-rechtliche Institute auf eine Zukunft ohne staatliche Garantien vor. Im Sommer wird die Staatshaftung fallen. Noch gilt ein Verkauf an private Banken als Tabu. Um sich für den schärferen Wettbewerb zu rüsten, gilt in der Sparkassenorganisation Größe als Rezept. So sank die Zahl der Sparkassen in Ostdeutschland schon von 100 auf 63.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2005
Dokument erstellt am 04.03.2005 um 17:13:23 Uhr
Erscheinungsdatum 05.03.2005