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Birger Scholz
- Attac Berlin -
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10965 Berlin Berlin, 3. September 2003
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Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung am 04.09.2003 im Innenausschuss des Sächsischen Landtags

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac lehnt Cross-Border-Leasing (CBL) grundsätzlich ab. Jenseits der Risiken für die Kommunen und kommunalen Unternehmen, die letztlich immer auch Risiken der Steuerzahler sind, weisen diese
Geschäfte auch aus grundsätzlich ordnungspolitischen Erwägungen in die falsche Richtung. Internationales Steuerdumping löst keine Probleme. Die bewusste Subventionierung von US-Unternehmen, die einen Bruchteil ihre Vorteile nach
Europa weiterreichen, verschärft den bereits bestehenden Steuersenkungswettlauf im neoliberal gewendeten globalen Kapitalismus. Besonders die großen Konzerne können Steueroasen geschickt nutzen.

Nicht zufällig war und ist das sog. „Zwischenmietermodell“, bei dem eine speziell für die US-Lease-Transaktion gegründete Zweckgesellschaft in einer sog. „Steueroase“ wie den Cayman-Inseln zwischengeschaltet wird, äußerst populär. In Deutschland sind mit den sog. „Filmfonds“ weiterhin geradezu unanständige Subventionierungen von Großverdienern auf dem Markt, die trotz einiger Erschwernisse aufgrund eines neuen Erlasses des Bundesfinanzministeriums bis zu 100% Abschreibungseffekte erlauben.

Auch in den USA gerieten die sog. „Lease in/Lease out Modelle“ 1999 in die Kritik. Nach einer Verschärfung der Genehmigungsbedingungen werden die im Kern gleichen Geschäfte nun legal unter dem neuen Label „Cross-Border-Leasing“ weitergeführt. Dies zeigt zweierlei: Selbst im US-Finanzministerium sind diese Geschäfte umstritten. Zugleich setzt sich - wie in Deutschland im Fall der Filmfonds -die Kapitallobby zugunsten solcher Subventionspraktiken durch.Steuerflucht und Steueroasen sind eine riesige Bedrohung für die verbliebenen
sozialstaatlichen Errungenschaften. Es wird Zeit, Steueroasen weltweit trockenzulegen und Kapital international fair zu besteuern. Wer hier nicht konsequent ansetzt und kurzfristige tagespolitische und realpolitische Erwägungen zurückstellt,
wird das Primat der Politik weiter aushöhlen und reine Krisenverwaltung betreiben.

Wer die globalen Herausforderungen nicht nur in Sonntagsreden ernst nimmt, muss hier ansetzen und schon allein aus diesen Erwägungen Cross-Border-Leasing untersagen.

Kommen wir zu den zentralen Risiken:

1. Ein Restrisiko bleibt immer

Auch alle Befürworter dieser Geschäfte räumen ein, dass es keine risikolosen CBLGeschäfte gibt. Wenn das Risiko beherrschbar wäre, dann könnte sich jede Stadt gegen Regressansprüche des US-Investors versichern lassen. Aber wie bei einem Atomkraftwerk ist keine Versicherung dazu bereit. Und das aus gutem Grunde.

Selbst bei optimaler Vertragsgestaltung verbleiben Restrisiken bei der Kommune.Das wäre hinnehmbar, würden mögliche Regressansprüche den Nettobarwertvorteil nicht weit übersteigen und eine Kommune unweigerlich in den Bankrott führen. Auch sind die realisierten Einnahmen im Verhältnis zu den Vermögenswerten lächerlich gering.

Darüber hinaus werden die Gelder in der Regel konsumptiv verwendet und ändern nicht das geringste an der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen. Kurzum:Der zu erzielende Barwert steht in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu den Risiken. Dies gilt für alle CBL-Geschäfte.

Die Rendite schwankt zwischen 4 und 6 Prozent. Auch hier gilt das eherne Gesetz der Finanzinvestition: Bei steigender Rendite steigt immer auch das Risiko. Bei einer überdurchschnittlichen Rendite der Kommune muss von einem erhöhten Risiko ausgegangen werden, das sich aus den vielen Einzeldetails des über 1.000 Seiten umfassenden Vertrages zusammensetzen kann.

2. Recht der USA

Aufgrund der Möglichkeit, dass die Kommune ihre Rückkaufoption nicht wahrnimmt, versucht der US-Investor bis zu 99 Jahre in die Zukunft zu blicken. Das dies kaum möglich ist, leuchtet ein. Für alle nicht vorgesehenen Fälle sehen die Verträge i.d.R. eine Klausel vor, dass sich die Vertragspartner gütlich einigen sollen. Wenn nicht, gilt das Recht der USA. Allein die spektakulären Gerichtsentscheidungen der letzten Zeit mit gigantischen Schadensersatzsummen (Lipobay, Philipp Morris u.a.) lassen erkennen, wie wenig berechenbar die US-amerikanische Rechtssprechung ist.

3. Verschiebung des Break-Even-Point

Der Break-Even-Point (BEP) der Verträge (hier verstanden als Kostenneutralität der Stadt bei vorzeitiger Vertragsauflösung) verschiebt sich aufgrund der globalen Zinsentwicklung permanent nach hinten. Lag der BEP Ende 2001 noch bei 12 bis 15 Jahren, so dürfte er jetzt bei 21 bis 25 Jahren liegen. Diese Verschiebung führt zu einer Risikoausweitung der Kommune. Denn wer kann auch nur annähernd die Situation im Jahr 2025 einschätzen? Die Stadt nimmt sich auf Jahrzehnte elementare Freiheitsgrade. Das ist der kommunalen Demokratie nicht zuträglich.

4. Abhängigkeit von Fremdkompetenzen

CBL-Verträge sind umfangreich und komplex. Es gilt das Recht der USA. Nach Aussage eines Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Urbanistik könne „kein Ratsmitglied oder kommunaler Spitzenbeamter" die Vertragstexte wirklich durchschauen. Zwar ist anwaltliche Beratung durch deutsche und US-amerikanische Juristen meist gegeben, doch machen sich die Kommunen letztlich uneingeschränkt von internationalen Kanzleien und Finanzkonzernen abhängig, die nicht das
Gemeinwohl, sondern ausschließlich eigene Renditeinteressen im Blick haben. Eine eigenständige und umfassende Beurteilung der Verträge ist den kommunalen Spitzenbeamten aufgrund der Detailtiefe der Verträge und des anzuwendenden USRechts nicht möglich.

5. Steuerliches Anerkennungsrisiko

Zwar trägt der US-Investor während der Laufzeit das Risiko, dass ihm die steuerliche Anerkennung ganz oder teilweise aberkannt wird, allerdings nicht, wenn die Aberkennung auf vertragswidriges Verhalten der Kommune zurückzuführen ist.
Doch wo beginnt ein vertragswidriges Verhalten? Im „Worst Case“ entscheidet auch hier ein US-Gericht.

6. Steuerliche Risiken während der Laufzeit

Neben dem Anerkennungsrisiko bestehen vielfältige weitere steuerliche Risiken. Auf deutscher Seite wäre dies die Möglichkeit einer nachträglichen Steueränderung trotz vorheriger verbindlicher gegenteiliger Finanzamtsauskunft. Auch hier kann über die Eintrittswahrscheinlichkeit, die zwar gering aber keinesfalls ausgeschlossen ist, nur spekuliert werden. Gleiches gilt für die Einführung von Quellensteuern auf Zins- und Mietzahlungen bei vorheriger Änderung des deutsch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommens. Von Seiten der Befürworter wird auf die seltenen Änderungen dieser völkerrechtlichen Verträge rekurriert. Auch sehen viele Verträge im Falle eines Falles vorzeitige Beendigungsmöglichkeiten vor. Ein Schaden würde so aber allenfalls minimiert und keinesfalls ausgeschlossen.

7. Insolvenzrisiko der Banken

Es besteht das Risiko der Insolvenz der eingeschalteten Banken. Zwar können die Verträge festlegen, dass nur Banken mit Aaa-Rating (beste Bonität bei Moody`s) gewählt werden, die bei Herabstufung ausgetauscht werden müssen. Ob dies geschieht ist wiederum fraglich. Momentan erfüllen gerade noch einige Landebanken ein Aaa-Rating. Nach dem endgültigen Wegfall der Gewährträgerhafung und der Anstaltslast dürfte sich auch dies ändern. Die WestLB, die sich vielen Kommunen als Arrangeur und Finanzierungsinstitut anbietet, erfüllt diesen vom NRWInnenministerium intern als kommunalrechtliche Genehmigungsstandard definierten Standard schon jetzt nicht. Die Kommune macht sich darüber hinaus in höchstem Maße von der Stabilität der internationalen Finanzmärkte abhängig.

8. Gefahr eines fallenden kommunalen Ratings

Ein noch größeres Risiko besteht im Falle einer Rating-Herabstufung der Bundesrepublik Deutschland, das sich sofort auf die Kommune auswirkt. Schließlich werden deutsche Kommunen trotz eines eigenen fehlenden Ratings aufgrund ihrer staatsrechtlichen Konkursunfähigkeit mit dem Rating der Bundesrepublik gleichgesetzt. Der US-Investor sichert sich gegen die Unterschreitung eines bestimmten Ratings ab. Das Eigenkapitaldepot müsste an den US-Investor abgetreten und zusätzliche Sicherheiten eingeräumt werden.

So sehen die Verträge auch vor, dem US-Investor im Falle einer Insolvenzgefahr dingliche Rechten wie den Eintrag einer Dienstbarkeit in Grundbuch einzuräumen.

Dazu werden Unterlagen schon bei Vertragsabschluss vorbereitet. Im Falle einer Insolvenz der Stadt –wie sie von Haushaltsrechtlern für das Land Berlin bereits diskutiert wird – können diese Rechte ausgeübt werden. Im Falle der Verleasung des Straßennetzes einer Kommune, wären öffentliche Plätze nicht mehr öffentlich, sondern privat, obwohl sie es rechtlich gar nicht sein könnten.

9. Wertverlust der Objekte

Vielfach wird von Seiten der Befürworter behauptet, dass die Verträge die operationale Flexibilität der Objekte nicht einschränken. Auch wenn die Kommunen ein Eigeninteresse am pfleglichen Umgang der verleasten Infrastruktur haben, ist es leicht vorstellbar, dass eine Maßnahme zur Reduzierung des Wertes (z.B. unterlassene Renovierung) sinnvoll ist, da das Objekt nicht voll genutzt wird. Gerade in Ostdeutschland mit Gebieten mit vermutlich langfristig sinkender Bevölkerungsdichte kann es schnell passieren, dass ein Klärbecken nicht mehr benötigt wird. Auch ist der Fall denkbar, dass die Kommune einfach nicht das Geld hat, um die nötige Instandsetzung zu gewährleisten. Aus Sicht des US-Investors
wäre dies ein eklatanter Vertragsbruch. Brennt ein Objekt ab, muss es innerhalb bestimmter Fristen wiederaufgebaut werden. Bis zum Vertragsende muss die Anlage betriebsbereit bleiben. Nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler sind hier
Prozesse vorprogrammiert.

10. Kosten bei vorzeitiger Vertragsauflösung

Die Kosten einer vorzeitigen Vertragsauflösung können in den ersten 15 Jahren bis zu 25 Prozent des Transaktionsvolumens betragen. Allein aus diesem Grund überzeugt die Forderung von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), das die Kommunen den Barwertvorteil bis ans Ende der Vertragslaufzeit verzinslich anlegen müssten. Die am 26. August in Kraft getretene gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Staatsministerien der Finanzen und des
Staatsministeriums des Inneren (VwV CBL) verpflichtet die Kommunen dagegen nur zur hälftigen Einstellung des Barwertvorteils in eine zweckgebundene Rücklage.

11. Gebührenproblematik

Ob der Barwertvorteil in den Gebührenhaushalt eingestellt werden muss, ist weiterhin völlig offen. Die Meinungen in der Fachliteratur gehen weit auseinander. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht aus. Hier droht bei vollzogenen Geschäften die nachträgliche Einstellung in den Gebührenhaushalt.

Fazit

Die kommunale Selbstverwaltung ist ein zu hohes Gut, als dass die Kommunen sie durch risikobehaftete Geschäfte aufs Spiel setzten sollten. Die am 26. August in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift (VwV CBL) kann zwar das Risiko schlechter Verträge mindern, nicht jedoch das Risiko ausschließen. Völlig unzureichend ist es, die Risiken, die aus einem einzigen CBL-Vertrag resultieren als prinzipiell kalkulierbar zu betrachten und nur bei mehreren CBL-Verträgen einer Kommune eine besondere Gefährdung durch kumulierte Risiken zu sehen.

Im Kontext der sich verschärfenden kommunalen Finanzkrise befürchtet Attac, dass die Kommunen verstärkt und unter bewusster Ausblendung der Risiken CBLGeschäfte abschließen werden. Die Verhinderung des von der Bayerischen Staatsregierung geplanten CBL-Verbots durch massiven Druck der Kommunalpolitik lässt die Wirksamkeit der Prüfung zukünftiger CBL-Geschäfte durch die sächsische Kommunalaufsicht zumindest fragwürdig erscheinen. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hält daher weiterhin allein ein grundsätzliches Verbot jeglicher Cross-
Border-Leasing-Geschäfte für problemadäquat.