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Manager- Magazin
vom 22.02.2008
EON
Stadtwerke vor dem Verkauf
Teil 1 : Stromschlag für Deutschland
Von Karsten Stumm
Eon erwägt eine radikale Wende. Nach Informationen von
manager-magazin.de verhandelt der Energiekonzern darüber, seine
gesamten Stadtwerke-Beteiligungen zu verkaufen. Das würde
Deutschland den tiefsten Einschnitt auf dem Strommarkt seit Jahren
bescheren - und womöglich einen weiteren mächtigen
Energiekoloss.
Düsseldorf - Der Bundesrepublik steht eventuell die schärfste
Umwälzung auf dem heimischen Energiemarkt seit der
Jahrtausendwende bevor. Deutschlands Branchenprimus und Europas
führendes Energiehaus Eon verhandelt darüber, alle
seine Beteiligungen an deutschen Stadtwerken auf einen Schlag zu
verkaufen. Das erfuhr manager-magazin.de vorab aus informierten Kreisen.
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© DPA Großansicht (Bild):
Verkaufsverhandlungen: Eon
erwägt, seine Stadtwerke-Beteiligungen zu verkaufen
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Danach erwägt Eon seine bisherige 100-Prozent-Tochter
Thüga für eine Milliardensumme an ein Konsortium aus
sechs Stadtwerken unter der Führung der Mannheimer MVV und
der Kölner Rheinenergie zu verkaufen; Eon und MVV wollten die
Informationen von manager-magazin.de nicht kommentieren. Dagegen sagte
Rheinenergie-Sprecher Christoph Preuß: "Die Thüga ist
sicherlich ein interessantes Unternehmen, dass wir uns wohl wie auch
andere ansehen würden, wenn es denn zum Verkauf stünde."
Eon hat in der Thüga all seine 120 Beteiligungen an deutschen
Stadtwerken gebündelt, unter anderem an den großen
Stadtwerken Dresden (Drewag), Duisburg, Essen, Hannover (Enercity) und
den Gaswerken in Berlin (Gasag). Der Verkauf wäre deshalb selbst
für die riesige Düsseldorfer Eon ein Einschnitt auf dem
deutschen Markt.
Die kaufwilligen sechs Stadtwerke müssten dann auch eine
erhebliche Summe für die Thüga aufbringen; notfalls wollen
sie dazu weitere Partner gewinnen. Das dürfte nicht schwer werden:
"Internationale Finanzinvestoren und ausländische Energiekonzerne
haben derzeit ein hohes Interesse daran, auf Deutschlands Energiemarkt
Fuß zu fassen, dem größten Strom- und Gasmarkt
Europas", sagt die Unternehmensberatung Russell Reynolds Associates in
Hamburg.
Experten schätzen den Wert der Eon-Tochter Thüga auf
wenigstens 2,7 Milliarden Euro. Würden Investoren allerdings so
viel für die Thüga bieten, wie Electricité de France
(EdF) um des deutschen Marktzutritts halber zuletzt für die
Stadtwerke Leipzig zu zahlen bereit war, nämlich das 14-fache Ebit
des ostdeutschen Stadtwerks, wäre die Thüga sogar 4,3
Milliarden Euro wert.
Der Chef der Mannheimer MVV, Rudolf Schulten, hat vergangene Woche
bereits angedeutet, nach Übernahmemöglichkeiten Ausschau zu
halten. "Wir wollen durch neue Investitionen sowie Akquisitionen
profitabel wachsen und neue Marktchancen nutzen", sagte Schulten bei
der Vorlage des Finanzberichts für das erste Quartal. Dazu diene
auch der Erlös aus der Kapitalerhöhung im Oktober 2007 in
Höhe von rund 228 Millionen Euro.
Das anberaumte Geschäft markiert aber nicht mal wegen seiner
schieren Größe den Beginn einer Revolution des hiesigen
Strommarkts. Vielmehr könnte den etablierten vier Energieriesen
Eon, EnBW, RWE und Vattenfall Europe erstmals seit der Jahrtausendwende
ein ernst zu nehmender fünfter inländischer Konkurrent
erwachsen. Denn MVV und Rheinenergie würden mit der Thüga ihr
vorhandenes Stadtwerke-Netzwerk mit einem Schlag um ein Vielfaches
ausdehnen und nahezu bundesweit Geschäfte machen.
Teil 2 : Fatale Drohung der Kartellwächter
Gemeinsam könnte dann beispielsweise der Einkauf, Handel und die
Lieferung von Strom, Gas, Kohle und CO2-Zertifikaten erledigt werden.
Genau das macht Deutschlands siebtgrößter Stromkonzern MVV
bereits mit seinen bestehenden Verbindungen zu Stadtwerken und
Energieversorgern in Ingolstadt, Kiel, Offenbach und Solingen. Um
Kosten zu sparen in einem sogenannten Shared Service Center,
eigenständig firmierend als 24/7 Trading.
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© DPA Großansicht (Bild) :
Thüga-Besitz auf dem
Prüfstand: Eon-Chef Bernotat verhandelt über seine
Stadtwerke-Holding
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"Das Ausgliedern solcher Leistungen in eine Shared Service Gesellschaft
kann tatsächlich eine erhebliche Effizienzsteigerung, bezogen auf
die Kosten führen", sagt Günther Schermer, Senior Manager der
Unternehmensberatung Goetzpartners. Und dann würde plötzlich
eine schlagkräftigere Gruppe verzahnter Stadtwerke versuchen, den
etablierten großen vier Energiefirmen des Landes, Eon, EnBW, RWE
und Vattenfall Europe, Paroli zu bieten.
Daran kann das Eon-Management zwar kein Interesse haben, auch wenn es
ein langer Weg bis dahin wäre. Doch nebenbei verlören die
Düsseldorfer durch den Thüga-Verkauf an das
Stadtwerke-Konsortium ja auch noch ihre Kontrolle über
Endverteilernetze, somit den unmittelbaren Kundenzugang und im
Idealfall die Preisbildung auf regionalen Märkten. Doch das
Eon-Management um Vorstandschef Wulf Bernotat und seinen Stellvertreter
Johannes Teyssen dürfte mit seinen
Thüga-Verkaufsverhandlungen anderes im Sinn haben.
Kartellamtspräsident Bernhard Heitzer hat die beiden offenbar
aufhorchen lassen. Deutschlands oberster Wettbewerbshüter
würde Eon und Co. am liebsten zwingen, ihre milliardenschweren
Beteiligungen an Stadtwerken und Regionalversorgern zu verringern. "Der
hohe Beteiligungsbesitz der Energiekonzerne ist eines der
größten Hindernisse für mehr Wettbewerb auf den
Endkundenmärkten. Die vertikale Entflechtung aber", sprich, der
Verkauf der Beteiligungen, "bietet die Chance für mehr
Wettbewerb", sagte Heitzer zuletzt - und sorgte damit teils für
Empörung bei den großen Vieren. An ihr Eigentum wollten die
Kartellwächter bisher schließlich noch nie.
Allerdings müsste der Gesetzgeber dazu das gerade verschärfte
Wettbewerbsrecht erneut überarbeiten, um Eon, EnBW, RWE und
Vattenfall Europe überhaupt zur teilweisen Trennung von ihrem
Stadtwerke-Besitz zwingen zu können. "Die Drohung aber ist ein
klares Signal an die Stromkonzerne", findet Klaus Krämer,
Geschäftsführer des Verbands Deutscher Strom- und
Gashändler (Efet). Und Eon-Chef Bernotat handelt.
Statt auf das Prinzip Hoffnung, ein zähes Rückzugsgefecht
oder Gerichtsverfahren zu setzen, erwägt er offenbar, sich lieber
mit einem Ruck von seinen Beteiligungen an Stadtwerken und
Regionalversorgern zu trennen - bevor die tatsächlich zur
Belastung für Eon werden.
Mit dicken dreistelligen Millionenüberweisungen aus dem bisherigen
Thüga-Beteiligungsbesitz, die jahrelang sicher in Eons Bilanzen
flossen, kann das Unternehmen in Zukunft ohnehin nicht mehr rechnen -
selbst wenn Eon die Thüga auch langfristig behalten dürfte.
Schließlich sind die Wettbewerbsbehörden nicht nur den vier
hiesigen Branchenstars auf die Pelle gerückt, sondern längst
auch den Stadtwerken - und haben deren jahrelang solide
funktionierendes Geschäft ins Wanken gebracht.
Teil 3: Die Malaise der Stadtwerke
Die Bundesnetzagentur erkannte den kommunalen und regionalen Versorgern
bisher zwischen 11 und 20 Prozent jener angeblichen Kosten ab, die sie
zur Grundlage ihrer Gebührenrechnungen machten - und anderen
Energiefirmen später in Rechnung stellten, wollten die Strom an
Großkunden oder Haushalte über Stadtwerke-Netze liefern.
Für Gasdurchleitungen mussten die Stadtwerker sogar
Gebührenkürzungen zwischen 13 und 27 Prozent hinnehmen. Und
gerade jetzt läuft die nächste Regulierungsrunde für die
regionalen Versorger. Nach Expertenmeinung sind weitere Kürzungen
der Netzgebühren absehbar.
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© DPA Großansicht (Bild) :
Setzt Stromkonzerne unter Druck:
Bundesnetzagentur-Chef Matthias Kurth hat auch die Netzentgelte der
lokalen Stromunternehmen gedrückt
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"Diese Netznutzungsentgelte aber haben einst zu einem guten Teil zu den
Gewinnen vieler Stadtwerke beigetragen", sagt Rosemarie Folle vom
Verband kommunaler Unternehmen. "Und manche Stadtwerke treffen deren
Kürzungen jetzt ganz erheblich."
Die Folgen davon sind für viele Stadtwerke bedrohlich.
"Energieversorger, die bis zum Jahr 2010 weitermachen wie bisher,
müssen dann mit 25 Prozent weniger operativem Gewinn als heute
rechnen", sagt Goetzpartners-Manager Schermer. "Anteilseigner sollten
deshalb nicht länger davon ausgehen, auch künftig ohne
größeren Aufwand die geforderten Gewinne oder Dividenden
ihrer Stadtwerke und Regionalversorger zu erhalten."
Auch deshalb kann es sich für Eon lohnen, seine
Stadtwerke-Beteiligungen frühzeitig zu verkaufen und die
Thüga-Milliarden stattdessen in neue, aussichtsreichere
Geschäfte zu stecken.
Der deutsche Branchenführer hat ebenso wie RWE bereits auf die
Malaise der Stadtwerke reagiert. Beide Unternehmen, deren Firmensitze
gerade einmal 30 Autominuten voneinander entfernt liegen, haben neue
Billigstromgesellschaften gegründet, um den lokalen Anbietern
Strom- und Gaskunden abzujagen: Eon hat mit seinem
"E-wie-einfach"-Angebot in den zwölf Monaten seit der
Gründung bereits mehr als 460.000 Kunden gewonnen, nicht zuletzt
von vielen Stadtwerken. Und RWE luchste mit seiner "Eprimo"-Tochter der
Konkurrenz seit dem Start vor 33 Monaten 200.000 Kunden ab, davon
allein 22.000 im Januar. Damit stecken die Stadtwerke endgültig in
der Zwickmühle: Auf der einen Seite sinken die Margen, und auf der
anderen dringen Rivalen in ihr einst geschlossenes Revier vor.
"Die Branche muss sich jetzt auf eine Konsolidierungswelle
vorbereiten", sagte Stephan Werthschulte, Branchenexperte der
Beratungsfirma Accenture. Er rechnet damit, dass von den aktuell rund
800 Stadtwerken in den kommenden sieben Jahren rund ein Viertel vom
Markt verschwunden sein werden.
Der erste Tritt, der diese Lawine losschicken würde, wäre der
Verkauf der Eon-Tochter Thüga an MVV, Rheinenergie und Konsorten.
Mehr noch: Die Lawine würde zumindest regional Großkunden
wie private Haushalte gleichermaßen treffen, wie nach der
Jahrtausendwende der sagenhafte Aufstieg von Vattenfall Europe. Auch
damals avancierte ein neuer Wettbewerber zu einem der großen
marktbestimmenden Stromkonzerne Deutschlands. Jetzt könnte sich
das neue Stadtwerke-Netzwerk um MVV und Rheinenergie auf den Weg
machen, die Nummer fünf der mächtigen Energiekonzerne
Deutschlands zu werden.