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Neues Übernahmegesetz erlaubt seit 1.1.2002 den zwangsweisen Ausschluss (Squeeze-Out) von Minderheitsaktionären

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urbs-media, 25.2.2002: Wer bisher in einem Börsenlexikon unter dem Begriff "Squeeze-Out" nachgeschlagen hat, der fand dort sinngemäß folgende Definition: Zwangsweiser Ausschluss von Minderheitaktionären durch die Hauptaktionäre. In Deutschland gesetzlich verboten.

Die entsprechenden Erläuterungen müssen nunmehr nach dem Inkrafttreten des "Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen" (BGBl 2001 I S. 3822) umgeschrieben werden. Denn durch das sogenannte Übernahmegesetz wurde in das Aktiengesetz ein neuer Abschnitt Ausschluss von Minderheitsaktionären (§ 327a bis § 327f AktG) eingefügt. Hiernach können seit 1.1.2002 die Hauptaktionäre unter bestimmten Voraussetzungen die Anteile von Minderheitsaktionären zwangsweise einziehen.

Voraussetzung für einen derartigen Squeeze-Out ist, dass der Hauptaktionär im Besitz von 95 Prozent des Grundkapitals der Firma ist und die Hauptversammlung beschließt, die Minderheitsaktionäre gegen Zahlung einer angemessenen Barabfindung aus der Firma hinauszudrängen. Die Höhe dieser Abfindung an die Minderheitsaktionäre wird dabei vom Hauptaktionär festgelegt. Das Gesetz bestimmt hierzu lediglich, dass die Abfindung der Kleinaktionäre die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt des Hauptversammlungs-Beschlusses über den Squeeze-Out berücksichtigen muss (§ 327b AktG).

Wenn die festgesetzte Abfindung zu niedrig ist, haben die betroffenen Minderheitsaktionäre nur die Möglichkeit, ein sogenanntes Spruchstellenverfahren durchzuführen (§ 327f AktG). Die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses wegen der zu niedrigen Abfindung wird durch das Gesetz dagegen ausdrücklich verboten.

Die Rechte der ausgeschlossenen Minderheits-Aktionäre beschränken sich daher darauf, vor Gericht um die Angemessenheit ihrer Abfindung zu streiten. Ein derartiger Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Abfindung muss spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Eintragung des entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses in das Handelsregister gestellt werden.

Nach Aussage der Deutschen Bank gibt es derzeit mindestens 40 Unternehmen, die die rechtlichen Voraussetzungen für ein Squeeze-Out ihrer Kleinaktionäre erfüllen. Dabei handelt es sich teilweise auch um renommierte Aktiengesellschaften, wie z.B. die Firma Audi, wo der Volkswagen-Konzern angeblich beabsichtigt, sämtliche Anteile zu übernehmen. Das gleiche Schicksal könnte auch den Aktionären der Dresdner Bank drohen, wenn die Allianz das Kreditinstitut komplett schluckt. Akut von einem Squeeze-Out bedroht sind auch Anteilseigner von Massa, Horten, Kaufhalle oder Praktiker, da hier der Metro-Konzern versuchen könnte, sich den nur noch geringen Streubesitz an Aktien seiner Tochterfirmen komplett einzuverleiben.

urbs-media Praxistipp: Die Verbände zum Schutz der Kleinaktionäre hatten sich im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens sehr kritisch zu der Neuregelung geäussert, konnten sich gegen die Bundesregierung mit ihren verfassungsrechtlichen Einwänden jedoch nicht durchsetzen. Die Bedenken gegen das neue Gesetz richten sich vor allem dagegen, dass die Höhe der Abfindung vom Hauptaktionär festgesetzt wird. Hier haben sich nach Auskunft der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) in der Praxis bereits die Abfindungsangebote bei Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen als zu niedrig erwiesen. Bei einer gerichtlichen Überprüfung konnten die betroffenen Minderheitsaktionäre daher im Regelfall eine Erhöhung ihrer Abfindungen erreichen, oft aber erst nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Wir halten die Aussagen der Bundesregierung zur Vereinbarkeit der Neuregelungen mit dem Grundgesetz für sehr bedenklich. In der Begründung zu dem Gesetz heißt es nämlich sinngemäß, eine Enteignung liege deshalb nicht vor, weil der Eingriff in die Rechtsposition der Minderheitsaktionäre nicht vom Staat oder einem mit staatlichen Zwangsrechten beliehenen Unternehmer ausgeht.

Nach unserer Auffassung stellt der gesetzlich sanktionierte Ausschluss von Minderheitsaktionären sehr wohl eine Enteignung dar. Die Enteignung erfolgt dabei nicht erst durch den entsprechende Hauptversammlungsbeschluss über den Squeeze-Out. Als Enteignung sollte eigentlich bereits die Tatsache betrachtet werden, dass die Bundesregierung die Minderheitsaktionäre durch das Übernahmegesetz der Gefahr ausgesetzt hat, ihre Rechtsstellung als Aktionäre zu verlieren. Damit wurde das Vermögen von Kleinaktionären entscheidend entwertet, sobald ein Mehrheitsaktionär mit 95 Prozent Anteilsbesitz ins Spiel kommt.

Wir vermuten, dass es in Zukunft zahlreiche Prozesse um die angemessene Höhe von Abfindungen geben wird. Dabei wird auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Übernahmegesetzes eine wichtige Rolle spielen. Wir können nur allen Betroffenen raten, sich bei drohenden "feindlichen Übernahmen" mit der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) in Verbindung zu setzen. Denn gerade bei Rechtsstreitigkeiten mit Konzernen gilt der Grundsatz: "Nur gemeinsam ist man stark". Hier die Anschrift des SdK:
 

Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre e.V.
Karlsplatz 3
80335 München
Tel: 089 - 59998733
Fax: 089 - 54887858
E-Mail: info@sdk.org

Das Übernahme-Gesetz ist im Prinzip ein Schlag ins Gesicht der Kleinaktionäre. Solange ein Unternehmen Risikokapital benötigt, sind die Sparer als Geldquelle höchst willkommen. Laufen die Geschäfte dann und wirft das Unternehmen Gewinn ab, hat der Mohr seine Schuldigkeit getan und der Kleinaktionär kann gehen. Wer in Aktien investiert, muss daher künftig neben den Gewinnaussichten und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage auch beachten, wie hoch der Streubesitz der Aktien ist. Liegt dieser in der Nähe der magischen Fünf-Prozent-Grenze, dann sitzt der Investor auf dem Schleudersitz und sollte sich nach einer anderen Kapitalanlage umschauen. Die Aktien von Squeeze-Out-Kandidaten kommen daher eigentlich nur noch für risikofreudige Anleger in Betracht, die als Folge des anstehenden Abfindungsangebots steigende Kurse erwarten.
 
 

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